Umsetzung der "Zeitenwende" "Der Zeitdruck steht über allem"
Verteidigungsminister Pistorius besucht in diesen Tagen mehrere Bundeswehrstandorte. Er will wissen, wie die Zeitenwende vorankommt. Der Luftwaffen-Stützpunkt Büchel zeigt: Sie könnte deutlich teurer ausfallen als geplant.
Boris Pistorius ist etwas außer Puste, als er den Tower im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz betritt, wo ihn bereits zahlreiche Kamerateams erwarten. Das liegt wohl nicht nur am straffen Zeitplan seiner Reise - in fünf Tagen will er Standorte in sechs Bundesländern besuchen, sondern an den vielen Treppenstufen, die hoch in die Kommandozentrale führen.
Von hier hat man einen "guten Blick von oben ins Gelände", sagt Oberstleutnant Samuel Mbassa. Der Chef des Bundeswehrstandortes zeigt dem Minister die Fortschritte auf der Mega-Baustelle, die sich auf rund 3,5 Kilometer erstreckt. Mit Fernglas blickt Pistorius auf eine Armee von Baggern und Baumaschinen, überall türmen sich Sand- und Schuttberge. Noch wird an der neuen Start- und Landebahn gearbeitet. In drei Jahren sollen hier die neuen F35-Kampflugzeuge abheben.
Verteidigungsminister Boris Pistorius steht mit Oberstleutnant Samuel Mbassa im Tower des Fliegerhorst Büchel.
Pistorius bleibt nur rund fünf Minuten im Tower und muss dann schnell weiter. Der Besuch oben in der Kommandozentrale ist eher ein Fototermin. Tobias R., der als militärischer Lotse im Tower das Kommando hat, freut sich dennoch über die Kurzvisite des SPD-Ministers. Es sei "ein schönes Gefühl, dass er sich für diesen Standort interessiert", und man in der aktuellen Bauphase sehe, "dass hier viel passiert". Er habe den Eindruck, dass der Minister "nicht nur von Berlin aus seine Sachen entscheiden will", sondern Flagge zeige, so Tobias R.
Nähe zur Truppe und Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten größtenteils ohne Presse - darum gehe es dem Bundesverteidigungsminister während seiner Sommertour, wie aus seinem Umfeld zu hören ist. Laut Ministerium will er sich einen Überblick über die Einsatzfähigkeiten der Streitkräfte verschaffen.
Gigantische Infrastrukturmaßnahme
Der Umbau der gesamten Infrastruktur auf dem Luftwaffen-Stützpunkt sei "eine Mammutaufgabe", sagt der Bundesverteidigungsminister in Büchel. Es ist aktuell das größte Bauvorhaben der Bundeswehr. Büchel ist einer von zwei Tornado-Standorten der Bundeswehr. Insgesamt 46 Tornados sind dort stationiert, teilweise schon seit knapp 40 Jahren in Betrieb.
Die veraltete Flotte soll durch eine neue Kampfjet-Generation, die F35, ersetzt werden. Die US-Jets gelten als modernste Kampfflugzeuge der fünften Generation. Um sie einzusetzen, muss der Stützpunkt modernisiert werden. Kosten: mehr als eine Milliarde Euro, deutlich mehr als ursprünglich geplant.
Neben einer neuen Start- und Landebahn entsteht auch ein Hangar, der F35-Campus, und ein neuer Sicherheitszaun. Die Arbeiten finden im laufenden Betrieb statt - viele der Tornados und der mehr als 2.000 Soldatinnen und Soldaten mussten auf andere Standorte ausweichen.
In einem Gespräch mit Soldatinnen und Soldaten lobt Pistorius die Arbeit des Luftwaffen-Verbands. Das Taktische Luftwaffengeschwader 33 sei wichtig für die Landes- und Bündnisverteidigung. Das habe die jüngste NATO-Übung "Arctic Defender" in Alaska gezeigt, die ein voller Erfolg gewesen sei. Auch dank der Tornados aus Büchel, die dort zum Einsatz kamen. Doch der Ausbau und die Umstellung auf das neue Waffensystem seien "der richtige Schritt in die Zukunft der Luftwaffe". Viele Soldaten würden bereits an der F35 ausgebildet.
Ihm sei klar, dass die Bauarbeiten eine große Belastung für viele seien. Doch angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sei das Projekt notwendig. "Die ständigen russischen nuklearen Drohgebärden zeigen, wie wichtig neben der konventionellen Abschreckung eben auch eine glaubwürdige nukleare Abschreckung bleibt", so Pistorius.
Friedensgruppen vor Ort sehen dies anders. Sie demonstrieren immer wieder vor dem Stützpunkt, weil sie vermuten, dass dort US-Atomwaffen lagern.
Alles im Zeitplan - oder doch unter Zeitdruck?
"Der Zeitdruck steht über allem", zeigt sich ein Major der Luftwaffe besorgt, der die Baumaßnahmen am Standort mitverantwortet. Bis Herbst 2026 müssten alle Arbeiten fertig sein, damit 2027 die ersten F35 auf der neuen Landebahn starten können. Zwar seien Bauverfahren beschleunigt worden, doch viele Vorschriften und bürokratische Hürden machten die Planung aufwendig. Er erhofft sich vom Besuch des Bundesverteidigungsministers, dass dieser wichtige Punkte aus den gemeinsamen Gesprächen mit nach Berlin nehme und auch umsetzen könne.
Mit dem F35-Projekt sei man "im Zeitplan", gibt sich Pistorius zum Abschluss seines Besuchs zuversichtlich. Man könne erleben, wie die "Zeitenwende" hier gestaltet werde. Doch die könnte deutlich teurer ausfallen als geplant, wie Büchel zeigt. Gleichzeitig muss der Verteidigungsminister mit rund fünf Milliarden Euro weniger Budget planen.
Dennoch gibt sich Pistorius gelassen. Gefragt, ob dies Auswirkungen auf solche Projekte habe, sagt er: Damit rechne er nicht, alles sei bereits "bis zum Ende durchfinanziert".
Nach rund fünf Stunden in Büchel dann eine Verschnaufpause für den Bundesverteidigungsminister. Er hebt wieder ab - in einem Hubschrauber der Luftwaffe geht es weiter zum Bundeswehr-Weltraumkommando in Uedem. Es steht ein Besuch des U-Boot-Geschwaders in Eckernförde an. Bis Dienstag ist Pistorius noch auf Sommertour quer durch die Republik.