China-Strategie im Kabinett Balanceakt im Umgang mit Peking
Nach zähen Verhandlungen innerhalb der Ampel-Koalition will das Kabinett heute die China-Strategie beschließen. Sie ist Ausdruck eines Balanceaktes zwischen Wirtschaftsinteressen und politischen Grundsätzen.
Die großen Leitfragen bei der China-Strategie sind klar: Wie kann es gelingen, gute Beziehungen zu pflegen, die Interessen deutscher Firmen zu berücksichtigen, und gleichzeitig klarzustellen, dass diese Bundesregierung auch Risiken im Umgang mit China herunterfahren will?
Denn das haben Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon mehrmals öffentlich gesagt. Da fällt dann oft der Begriff De-Risking, also Risiken und Abhängigkeiten sollen reduziert werden.
Mehr Distanz im Tonfall
Im Gegensatz zu den Vorgängerregierungen unter Angela Merkel ist im Tonfall von Außenamt und Kanzleramt mittlerweile mehr Distanz zu spüren. Das zeigt sich auch an einem Statement der deutschen Außenministerin am Rande des NATO-Gipfels in Vilnius. Baerbock merkt zunächst sehr diplomatisch an, dass man mit allen Ländern der Welt in Frieden und Freiheit leben wolle. Dass man aber gleichzeitig nicht naiv sei. Denn einseitige Abhängigkeiten machten Deutschland verletzlich und verwundbar.
Deutschland wolle mit allen Ländern Partner sein. "Wir wissen, dass wir zugleich mit vielen Ländern auf dieser Welt auch Wettbewerber sind, wirtschaftlicher Wettbewerber. Und dass wir uns davor rüsten, dass wenn es systemische Rivalitäten gibt, wir unsere eigene Sicherheit, unsere eigene Resilienz, schützen."
Der von der EU-Kommission erfundene Dreiklang "Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale" ist mittlerweile auch fester Bestandteil des deutschen Regierungsvokabulars, wenn es um China geht. Gleichwohl betont der Bundeskanzler regelmäßig, wie wichtig gute Beziehungen mit China seien.
Mehr Austausch vereinbart
Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im Juni in Berlin bekräftigte Scholz gemeinsam mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang das große Interesse an einem guten Miteinander auf zahlreichen Ebenen. Gemeinsame Erklärungen wurden unterzeichnet für mehr Austausch in fast allen Bereichen, von Bildung über Klimaschutz bis zu Energie, Technik und Verkehr.
Scholz legte dabei so viel Wert auf genaue Formulierungen, dass er sie von einem Sprechzettel ablas: "Wir haben heute miteinander einen Klima- und Transformationsdialog vereinbart. Wir werden gemeinsam die Transformation beschleunigen, und zwar pragmatisch durch Dialog und konkrete Zusammenarbeit. Jede Tonne CO2, die wir einsparen, leistet einen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung. Unser gemeinsames Ziel ist es, Industrieprozesse klimafreundlicher zu machen, die Energiewende zu beschleunigen, den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität zu fördern, und die Kreislaufwirtschaft zu stärken."
Balance finden
Zu den spannenden Fragen rund um die China-Strategie der Bundesregierung gehört auch, ob Berlin seine Aufforderung in Richtung Peking bekräftigt, dass China seinen Einfluss auf Russland stärker geltend machen sollte. Im Ukraine-Krieg habe China als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat hier eine ganz besondere Aufgabe, hatte Bundeskanzler Scholz beim Treffen mit Li Qiang im Juni angemerkt.
Allen Beteiligten ist klar: Die Bedeutung Chinas in der Welt nimmt ständig zu. Und Deutschland muss grundsätzlich klären, wie es sich dazu verhält. Konkret gesagt: Wie offen will die Bundesregierung Kritik üben, etwa in Menschenrechtsfragen oder mit Bezug auf chinesische Militärübungen vor der Küste von Taiwan? Offen ist dabei auch die Frage, wo die Balance ist zwischen Wirtschaftsinteressen und politischen Grundsätzen.