Energiesparmaßnahmen Leuchtendes Beispiel?
Die Politik ruft zum Energiesparen auf. Aber geht sie auch selbst mit gutem Beispiel voran? Welches Ministerium ist besonders sparsam, welche Parteizentrale hat welches Konzept - und wer möchte sich nicht äußern?
Tag und Nacht strahlt die gläserne Kuppel des Reichstagsgebäude im Berliner Regierungsviertel. Sie ist ein Symbol des demokratischen Deutschlands. Doch in Zeiten von Ukraine-Krieg, knappem Strom und Gas möchte die Bundespolitik leuchtendes Vorbild sein und schaltet deshalb das Licht aus: Nur noch bis Mitternacht ist die Kuppel beleuchtet, danach wird es dunkel, erklärt der Gebäudetechniker des Reichstagsgebäudes Jörg Kaschner. "Es ist schon ein Zeichen, dass die Energiekrise hier in Berlin angekommen ist. Das ist schon ein Signal an die Menschen im Land, dass jeder seinen Beitrag leisten muss, Energie zu sparen."
Energiesparkonzept des Ältestenrats
Anfang Juli wurden Energiesparmaßnahmen vom Ältestenrat beschlossen. Seitdem wird im Bundestag täglich an der Umsetzung gearbeitet. Konkret heißt das zum Beispiel: Die Klimaanlage in klimatisierten Büros soll um zwei Grad hochgestellt werden, es gibt nur noch kaltes Wasser in den Waschbecken in den Büros einiger Abgeordneter, und im Herbst soll die Heizung von 22 auf 20 Grad runtergedreht werden.
Doch Energiesparen, das macht der Bundestag nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine: "Das Gebäude des Bundestages soll in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Klimaschutz, Nachhaltiges Bauen und Innovation vorbildhaft sein", schreibt die Pressestelle des Bundestags auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios. Schon beim Umbau des Reichstagsgebäudes 1999 wurde auf ein Energiekonzept geachtet, das vor allem auf die Verwendung von regenerativen Energien setze.
Und trotzdem soll jetzt noch mal nachgelegt werden. Doch das ist gar nicht so einfach, erklärt Gebäudetechniker Kaschner: "Im Reichstagsgebäude kann man nicht mit einem Schalter eine bestimmte Leuchte ausschalten, sondern es handelt sich hier um ein Beleuchtungsmanagementsystem, ein computerbasiertes System, das geändert werden muss." Und auch wenn die Lichter in der Kuppel ausgehen, manche Bereiche ohne Tageslicht müssen beleuchtet bleiben. Aus Sicherheitsgründen.
"Dieses Projekt ist aus meiner Sicht verzichtbar"
Während im Bundestag die Lichter ausgehen, läuft jeden Abend eine Lichtprojektion. Gezeigt wird ein Film über die deutsche Geschichte, die eng mit dem Reichstagsgebäude verknüpft ist. Das sieht Reiner Holznagel, der Präsident vom Bund der Steuerzahler, kritisch: "Wir diskutieren in der Politik über Duschzeiten und Energiesparprogramme und dann muss man hier mit kleinen Dingen auch symbolisch voran gehen. Dieses Projekt ist aus meiner Sicht verzichtbar."
Verbraucht werden durch die Lichtshow dieses Jahr rund 27.000 Kilowattstunden Strom. Das entspricht etwa dem jährlichen Stromverbrauch von fünf Drei-Personen-Haushalten. Dass die Beleuchtung im Reichstagsgebäude nun teilweise abgestellt wurde, begrüßt Holznagel, aber "wir sehen immer noch sehr viele Gebäude, die hell erleuchtet sind, die zu diesen Zeiten runtergekühlt werden, obwohl zum Beispiel gar keine Abgeordneten da sind und deswegen müssen diese Energiesparkonzepte schneller umgesetzt werden."
Je weiter Russland den Gas-Hahn zudreht, umso heftiger wird wohl auch die Debatte, um jede Form der Energieersparnisse.
Energiesparkonzepte der Ministerien und Parteizentralen
Eine Abfrage des ARD-Hauptstadtstudios bei allen Ministerien, Parteizentralen, bei Bundeskanzleramt und Bundespräsidialamt hat ergeben, dass sich alle mit einem Energiesparkonzept intensiv beschäftigen. Nur die AfD schreibt, dass sie sich zu dem Gebäude nicht äußern möchten: "Energiesparmaßnahmen am und im Gebäude sind Sache des Hauseigentümers, der AfD Bundesverband ist hier lediglich Mieter."
Auch bei der Abstimmung im Ältestenrat über Energiesparmaßnahmen der Parlamentsgebäude stimmten einzig die drei Abgeordneten der AfD dagegen, wie Stephan Brandner (AfD) im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio erklärt: "Wir halten das für unsinnige Symbolpolitik, die Einsparungen sind minimalst." Brandner erklärt auch, dass seine Mitarbeiter darunter leiden, wenn Klimaanlage und Heizung sparsamer laufen. Stattdessen möchte Brandner die Gas-Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb nehmen. Die Pipeline hat wegen der Sanktionen gegen Russland keine Betriebserlaubnis.
Im Willy-Brandt-Haus der SPD, bei der CDU und auch bei den Grünen hat man beispielsweise eine Solaranlage auf dem Dach. Die Grünen wollen sogar mit ihrer Geothermieanlage ab dem kommenden Jahr den eigenen Wärmebedarf vollständig selbst abdecken. Die FDP hingegen setzt in ihrer Bundesgeschäftsstelle auf Fernwärme. Das FDP geführte Bundesfinanzministerium verweist auf das Umweltmanagementsystem EMAS, das gerade eingeführt werde, wie bei anderen Ministerien. Das System helfe bei den Sofortmaßnahmen zur Energieeinsparung, wie beispielsweise energiebewusstes Nutzerverhalten fördern oder Dienstreisen vermeiden.
Klimaanlagen und Heizungssysteme
Fast alle Ministerien setzen in Sachen Beleuchtung auf Bewegungsmelder und LED. Nachts wird nur noch dort beleuchtet, wo es der Sicherheit dient. Auch klimatisierte Büros gehören in vielen Ministerien der Vergangenheit an. Im Auswärtigen Amt werden die Mitarbeitenden sogar aufgerufen: "Heiztemperatur im Büro freiwillig auf das im Einzelfall persönlich erträgliche Mindestmaß abzusenken."
Im Ministerium von Annalena Baerbock wurden außerdem reflektierende Fensterfolien angebracht. Sie sollen die sommerliche Hitze abhalten. Hinten dran hängt derzeit noch das Bundeskanzleramt. Bisher wird noch Öl geheizt, allerdings soll ab spätestens 2024 auf Fernwärme umgestellt werden.
Habecks Ministerium geht mit gutem Beispiel voran
Das Wirtschaftsministerium versteht sich als Impulsgeber für Energiesparmaßnahmen. Hier ist auch die sogenannte Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung. Sie verfolgt das Ziel, alle Bundesbehörden bis 2030 klimaneutral zu machen. Kurzfristig hat Habeck in seinem Ministerium schon mal an der Kühlung geschraubt.
Statt 22 Grad Celsius können die Temperaturen in den Büros nun auf 26 Grad Celsius steigen. Das spare etwa 50.000 kWh pro Jahr ein. Auch die Fassaden werden nicht mehr beleuchtet und Brunnen sind ausgeschaltet, was weitere 5000 kWh im Jahr bringen soll, wie das Ministerium mitteilt.
Repräsentative Lichter
Erdwärme möchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier künftig im Schloss Bellevue nutzen. Deswegen sind Probebohrungen geplant. Schon seit Mai 2022 werde auf repräsentative Lichter verzichtet. Im Verteidigungsministerium ist bereits auf Fernwärme umgestellt.
Der Neubau des Berliner Bundesumweltministerium ist ein Passivhaus. Erst ab einer Außentemperatur von 30 Grad Celsius wird die Temperatur in den Büros noch gesenkt - allerdings nicht unterhalb von 26 Grad Celsius.