Ein Polizist in der Nähe des Tatorts in Solingen.
hintergrund

Rechtliche Zuständigkeiten Wer ermittelt zur Tat in Solingen?

Stand: 24.08.2024 18:39 Uhr

Die Fahndung nach dem Täter von Solingen läuft. Wer ist dabei zuständig und wann kann sich die Zuständigkeit ändern? Ein Überblick zur Rechtslage.

Von Frank Bräutigam, Kolja Schwartz und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Wird in Deutschland eine Straftat begangen, sind bei den Ermittlungen drei unterschiedliche Akteure beteiligt. Die Staatsanwaltschaft, die Polizei und die Gerichte.

Die Landesbehörden

Zunächst sind dabei immer die Behörden vor Ort zuständig. Denn: Justiz ist grundsätzlich Ländersache. Die am Tatort zuständigen Staatsanwälte leiten also ein Ermittlungsverfahren ein und ermitteln mit Hilfe der Polizei. Im Fall von Solingen leitet die Ermittlungen zum jetzigen Zeitpunkt die Zentralstelle für Terrorismusverfolgung bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf.

Der Leiter diese Zentralstelle, Oberstaatsanwalt Markus Caspers, teilte mit, dass die Ermittler aktuell von einer terroristischen Motivation bei dem immer noch flüchtigen Täter ausgehen. Man stehe daher in Kontakt mit dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Sollte sich der Verdacht auf einen terroristisch motivierten Anschlag bestätigen, komme eine Übernahme des Verfahrens durch die in Karlsruhe sitzende Bundesbehörde in Betracht.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt Ermittlungen, wenn sie nach dem Gesetz zuständig ist. Sie ist also eine "Staatsanwaltschaft für bestimmte Fälle". Jens Rommel ist derzeit der Generalbundesanwalt, er leitet die Bundesanwaltschaft.

Pressekonferenz der Polizei nach Messerattacke in Solingen

tagesschau24, 24.08.2024 15:00 Uhr

Der Generalbundesanwalt

Er ist die oberste Strafverfolgungsbehörde der Bundesrepublik und immer dann für die Ermittlungen zuständig, wenn der Anfangsverdacht besteht, dass eine terroristische Vereinigung hinter einer Straftat steckt. Bei möglichen Einzeltätern kann er den Fall wegen "besonderer Bedeutung" an sich ziehen. Seine Behörde sitzt in Karlsruhe, Generalbundesanwalt ist Jens Rommel.

"Ermitteln" bedeutet konkret, dass der Generalbundesanwalt (GBA) zum Beispiel Durchsuchungen in Auftrag gibt, Haftbefehle beantragt oder den Aufruf zur öffentlichen Fahndung herausgibt. Weil bei den Begrifflichkeiten oft etwas durcheinander geht - es gibt zwei richtige Bezeichnungen für die Behörde: "Der Generalbundesanwalt", oder "Die Bundesanwaltschaft". Nicht richtig ist die Mischung "Generalbundesanwaltschaft". Der Titel "Generalbundesanwalt" ist zudem auch die Bezeichnung des Behördenleiters.

Das Bundeskriminalamt

Da nach dem Anschlag in Solingen noch keine Übernahme durch den Generalbundesanwalt erfolgt ist, liegt die Zuständigkeit noch bei den Landes-Polizeibehörden von Nordrhein-Westfalen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat dann bei Ermittlungsverfahren, die vom Generalbundesanwalt geführt werden, die Rolle der Polizei inne.

Der Generalbundesanwalt kann das Bundeskriminalamt mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragen. Das ist ein typischer Ablauf, wenn es um die Ermittlungen in Sachen Terrorismus geht. Manchmal werden auch bestimmte Landeskriminalämter beauftragt. BKA-Präsident ist Holger Münch. Das BKA wertet also zum Beispiel Spuren aus und führt mögliche Durchsuchungen vor Ort aus. Das BKA arbeitet dabei mit den Landeskriminalämtern zusammen, bei konkreten Maßnahmen auch mit Spezialeinheiten wie der GSG-9.

Der Ermittlungsrichter

Für bestimmte Maßnahmen braucht eine Staatsanwaltschaft die Genehmigung eines Richters. Geht es um "normale" Kriminalität, muss die (Landes-) Staatsanwaltschaft den Ermittlungsrichter beim Amtsgericht vor Ort einschalten. Solange das Verfahren von Solingen also noch auf Landesebene geführt wird, gilt dieses Prozedere.

Wenn aber der Generalbundesanwalt Ermittlungen leitet, ist für Genehmigungen der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe zuständig. Das Amt wird von mehreren BGH-Richterinnen und Richtern ausgeübt. Möchte der Generalbundesanwalt zum Beispiel eine Durchsuchung vornehmen, muss er beim Ermittlungsrichter des GBA einen Durchsuchungsbeschluss beantragen. Fehlt der, sind Durchsuchungen bei "Gefahr im Verzug" zulässig. Auch eine "Öffentlichkeitsfahndung" nach dem Tatverdächtigen müsste von einem Richter genehmigt werden. Gleiches gilt für mögliche Telefonüberwachungen.

Eine weitere wichtige Rolle spielt der Ermittlungsrichter, wenn es um Haftbefehle geht. Der Generalbundesanwalt beantragt die Haftbefehle beim Ermittlungsrichter, der sie erlässt, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen vorliegen. In Sachen "Haftbefehl" werden Beschuldigte nach einer Festnahme dem Ermittlungsrichter am BGH in Karlsruhe vorgeführt, sie werden also nach Karlsruhe gebracht. Dabei kann es zwei Situationen geben.

· Entweder es lag schon vor der Festnahme ein Haftbefehl gegen die Person vor. Dann wird der Beschuldigte dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Wenn er die Voraussetzungen weiterhin bejaht, ordnet er Untersuchungshaft an.

· Oder es gab bei der Festnahme noch keinen Haftbefehl gegen die Person. Dann entscheidet der Ermittlungsrichter nach der Vorführung, ob er auf Antrag des Generalbundesanwalts den Haftbefehl erlässt und Untersuchungshaft anordnet.

Für die Untersuchungshaft werden die Beschuldigten nicht in ein spezielles Gefängnis in Karlsruhe gebracht, sondern auf Justizvollzugsanstalten im ganzen Bundesgebiet verteilt.