Sudan Was wird aus den Ortskräften?
Mit einer Evakuierungsmission hat die Bundeswehr bereits etwa 500 Menschen aus dem Sudan ausgeflogen. Die Einheimischen aber, die den Deutschen jahrelang halfen, bleiben zurück. Werden die Ortskräfte damit im Stich gelassen?
Lehren aus Afghanistan zu ziehen - so lautet das hehre Versprechen der deutschen Politik, die den weitgehend gescheiterten Einsatz am Hindukusch gerade aufwändig zum Beispiel mit einem Bundestags-Untersuchungsausschuss aufarbeitet.
Doch in Bezug auf Mitarbeiter vor Ort habe man aus Afghanistan offensichtlich gar nichts gelernt, meint der Chef des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, Marcus Grotian. Dies zeige sich nun im Sudan - wo man die nämlich zurück- und sich selbst überlasse: "Man sagt ihnen - egal ob sie gefährdet sind oder nicht: Ihr müsst Euch selber durchschlagen. Und das ist das katastrophale."
Man habe es in Friedenszeiten versäumt, kritisiert Grotian im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio, Pläne und Konzepte für die Ortskräfte in jedem einzelnen Land, in dem Deutschland engagiert ist, für den Ernstfall vorzubereiten: "Damit man weiß, welche Botschaftsmitarbeiter und andere Mitarbeiter sich so exponiert und gefährdet haben, dass sie bei einer Evakuierung mit evakuiert werden müssen."
Bundesregierung will Vorwurf nicht im Raum stehen lassen
Doch den Vorwurf, die Ortskräfte im Stich zu lassen, will man von Seiten der Bundesregierung nicht auf sich sitzen lassen. Jedenfalls sei die Situation im Sudan eine gänzlich andere als seinerzeit in Afghanistan - auch im Hinblick auf die Ortskräfte, erläutert Außenministerin Annalena Baerbock auf Nachfrage: "Anders als in Afghanistan sind unsere lokal Beschäftigten nicht einer speziellen Verfolgung ausgesetzt."
Dass sie mit Deutschen zusammengearbeitet hätten, spiele im Sudan etwa überhaupt keine Rolle, sagt Baerbock. Und so hätten die lokal Beschäftigten - anders als in Afghanistan - dann auch gar nicht den Wunsch geäußert, auszureisen.
Zahlen nicht mit Afghanistan zu vergleichen
Für die deutschen Entwicklungshelfer der GIZ sind laut Regierungsangaben etwas mehr als 100 nationale Mitarbeitende im Sudan beschäftigt, für das Auswärtige Amt ist es eine zweistellige Zahl. Die Dimensionen sind also gänzlich andere als bei den seinerzeit tausenden von Ortskräften in Afghanistan.
Doch die Zahl dürfe keine Rolle spielen, mahnt Marcus Grotian vom Ortskräftenetzwerk: "Wir postulieren, dass wir Menschenrechte überall auf der Welt wichtig finden. Aber dass wir das Recht auf Leben unserer eigenen Angestellten als Erstes streichen, sie in einem Kriegsgebiet zurückzulassen, das halte ich für katastrophal."
Das sieht man im Auswärtigen Amt gänzlich anders: Man stehe mit den lokal Beschäftigten nicht nur weiter in Kontakt, man unterstütze sie auch weiter. "Zum Beispiel, indem wir das Gehalt weiter zahlen", erklärt Außenministerin Baerbock. Schließlich hätten die vor Ort Beschäftigten gerade in dieser Krisensituation in den letzten Tagen die Deutschen weiter nach Kräften unterstützt.
Strack-Zimmermann: Nicht alles in einen Topf werfen
Gewohnt deutlich in ihrer Wortwahl wird die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wenn man sie auf das Thema anspricht: "Der primäre Auftrag ist, die eigenen Staatsbürger in Sicherheit zu bringen", betont die FDP-Politikerin im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wir sollten nicht alles in einen Topf werfen und vermischen: Das hat mit Afghanistan gar nichts zu tun", rät Strack-Zimmermann.
Eins dürfte bei all dem klar sein: Je mehr die Lage im Sudan eskaliert, desto größer dürften die Sorgen werden, dass die bis vor wenigen Tagen eng an der Seite der Deutschen stehenden Einheimischen in Gefahr geraten. In dem Fall dürfte auch die Diskussion über gezogene oder eben nicht gezogene Lehren aus Afghanistan in Bezug auf die Ortskräfte wieder anschwellen.