EU-Asylpolitik Faesers schwierige Mission
Die EU-Innenminister beraten über eine Reform der Asylpolitik. Das Vorhaben ist seit Jahren umstritten. Innenministerin Faeser will einen Durchbruch erreichen - und geht ein politisches Risiko ein.
Nancy Faeser hofft, dass eine Einigung gelingt. "Der unbedingte Wille ist im Moment von vielen Staaten da, sodass es tatsächlich klappen könnte", sagt die Bundesinnenministerin vorsichtig optimistisch. Die SPD-Politikerin war in den vergangenen Wochen viel unterwegs; hat ihre Kolleginnen und Kollegen aus der EU getroffen. Danach ließ Faeser immer wieder erkennen: In die festgefahrene europäische Asylpolitik könnte wieder Bewegung kommen. Faeser sprach von einem "historischen Momentum".
Julian Pahlke widerspricht. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete ist immer wieder als ziviler Seenotretter auf dem Mittelmeer unterwegs. Er glaubt nicht, dass sich die Innenminister auf eine Reform der Asylpolitik einigen können: "Ich sehe dieses historische Momentum ehrlich gesagt nicht", so Pahlke im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Das Problem aus seiner Sicht: Die Länder am Mittelmeer würden sich weiter vom Rest der EU allein gelassen fühlen - weil keine verpflichtende Verteilung der Flüchtlinge geplant ist. Daran würden auch die Grenzverfahren nichts ändern.
Grenzverfahren für bestimmte Gruppen
Die Grenzverfahren sind gedacht für Menschen, die in der Regel keine hohe Chance haben, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Schätzungsweise jeder Vierte müsste ins Grenzverfahren, zum Beispiel Menschen aus Georgien, Bangladesch und Pakistan. Syrer oder Afghanen, die aktuell die meisten Asylanträge in Deutschland stellen, würden weiter ein normales Verfahren durchlaufen.
Für die Grenzverfahren müssen die Menschen bis zu drei Monate in einer Unterkunft auf EU-Boden in der Nähe der Außengrenze warten. In dieser Zeit prüfen die Behörden, ob ihr Antrag zulässig ist. Ist er das, dürfen die Menschen offiziell einreisen. Heißt es Nein, müssen sie zurück in ihre Heimat.
Skepsis bei SPD und Grünen
Diese Grenzverfahren hatte die Bundesregierung den Ländern und Kommunen vor einem Monat als Möglichkeit genannt, um den Migrationsdruck zu senken. Der Grünen-Abgeordnete Pahlke hält das für Augenwischerei. In der Ampelkoalition denken noch mehr so wie Pahlke.
30 junge Abgeordnete von Grünen und SPD haben in einem Positionspapier davor gewarnt, das Grundrecht auf Asyl abzuschwächen. Darin heißt es zum Beispiel: "Minderjährige und ihre Eltern dürfen keinesfalls in solch ein Grenzverfahren kommen."
Faeser von allen Seiten unter Druck
Genau das will auch Nancy Faeser erreichen. Auch wenn andere Positionen zu lesen seien, hat die Bundesregierung nach ihren Worten eine "geeinte Position". Auf dieser Basis werde sie in Luxemburg verhandeln. Ob sich Faeser dort durchsetzen kann, ist offen. Denn die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass nur Familien mit Kindern unter zwölf Jahren von den Grenzverfahren ausgenommen werden.
Der Druck auf die Bundesinnenministerin kommt in der Asylpolitik von allen Seiten: Innerhalb der EU gibt es unterschiedliche Interessen; einigen in der Ampel ist ihr Kurs zu restriktiv; und der Union im Bundestag gehen die von Faeser angestrebten Ausnahmen zu weit.
Der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm befürchtet, dass Faeser eine Einigung "um jeden Preis" will. Dabei sei sie auch bereit, "den kleinsten gemeinsamen Nenner" zu akzeptieren, nur um einen Erfolg vorweisen zu können.
Welche Rolle spielt der Wahlkampf in Hessen?
Throm äußert im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio die Vermutung, dass Faeser dabei an ihren Wahlkampf in Hessen denkt. Die SPD-Politikerin will dort im Herbst Ministerpräsidentin werden. Bisher macht sie in ihrer Heimat kaum Wahlkampf.
Dabei liegt ihre SPD in Umfragen deutlich hinter der regierenden CDU. Ein Erfolg in der EU-Asylpolitik wäre wichtig - auch für Faeser persönlich. Die Bundesinnenministerin versucht es mit Zweckoptimismus. Nach den großen Flüchtlingsbewegungen in den 1990er-Jahren und in den Jahren 2015/2016 könne sich die EU ein Scheitern der Reform "nicht leisten". Denn sonst seien die offenen Grenzen in Europa in Gefahr.