Schönbohm-Abberufung Warum Faeser im Ausschuss Fragen beantworten muss
Die Kritik an Innenministerin Faeser zur Abberufung von Cybersicherheitschef Schönbohm nimmt nicht ab. Heute wird sie im Innenausschuss und im Bundestag befragt. Wie lauten die Vorwürfe? Ein Überblick.
Im Oktober 2022 berief Bundesinnenministerin Nancy Faeser den damaligen Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, ab. Der Ministerin wird vorgeworfen, sie habe das wegen Vorwürfen getan, die sich später als haltlos erwiesen.
Heute nimmt Faeser erstmals an einer Sitzung des Innenausschusses über die umstrittene Abberufung des Cybersicherheitschefs teil. In der vorherigen Sitzung am 8. September ließ sie sich von einer Parlamentarischen Staatssekretärin vertreten. Daraufhin gab es scharfe Kritik vonseiten der Union.
Die SPD-Politikerin hatte die Vorwürfe gegen sie zuletzt mehrfach öffentlich bestritten und die Kritik als "Theaterdonner" bezeichnet, der mit ihrer Rolle als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober zusammenhänge. Die heutige Befragung im Ausschuss findet hinter geschlossenen Türen statt. Am Mittag wird die Bundesinnenministerin dann aber im Plenum des Bundestages im Rahmen der Regierungsbefragung öffentlich Antworten geben.
Was wurde Schönbohm vorgeworfen?
Die Satiresendung "ZDF Magazin Royale" berichtete am 7. Oktober 2022 über eine angebliche Nähe Schönbohms zu einem Verein, der wegen angeblicher Kontakte zu russischen Geheimdiensten in die Kritik geraten war.
Konkret ging es um Schönbohms Nähe zu dem Verein "Cyber-Sicherheitsrat Deutschland", dessen Gründungspräsident er ist. Den Recherchen zufolge pflegt der Präsident des Vereins und langjährige Vertraute Schönbohms, Hans-Wilhelm Dünn, enge Kontakte nach Russland.
Ein späteres Mitglied des Vereins war zudem - bis zum ihrem Ausschluss im vergangenen Oktober - die Firma Protelion GmbH aus Berlin. Sie hatte eines ihrer Produkte beim BSI zur Zertifizierung eingereicht. Das Unternehmen ist mit dem russischen Softwarekonzern OAO InfoTeCS verflochten, dem wiederum nachgesagt wird, mit russischen Geheimdiensten vernetzt zu sein. Protelion firmierte bis März 2022 noch unter dem Namen Infotecs Security Software GmbH.
Warum wurde Schönbohm abberufen?
Schönbohm wurde am 18. Oktober 2022 von seinen Aufgaben entbunden. Die Begründung des Innenministeriums lautete damals: "Das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde" sei nachhaltig beschädigt.
Der "Bild"-Zeitung sagte Innenministerin Faeser vor zwei Wochen, dass sie Schönbohm nicht wegen der bei "ZDF Magazin Royale" erhobenen Vorwürfe entlassen habe. Es sei vielmehr um Vertrauen gegangen. Die Cybersicherheit sei so wichtig, dass hier keine Zweifel bestehen dürften. Sie habe das BSI neu aufgestellt und gestärkt, sagte Faeser.
Im Übrigen sei Schönbohm nicht entlassen worden. Er arbeite nun in einer "gleichwertigen Position an anderer Stelle". Schönbohm ist mittlerweile Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung.
Warum wird der Fall nochmal aufgerollt?
Die Abberufung Schönbohms war schon im Herbst 2022 unter anderem von der Opposition scharf kritisiert worden. Dass das Thema jetzt wieder hochkocht, hat auch damit zu tun, dass Schönbohm vor dem Verwaltungsgericht Köln Schadensersatzklage erhoben hat.
Warum klagt Schönbohm?
Schönbohm geht es um seinen Ruf. Er will nachweisen, dass das Bundesinnenministerium ihm gegenüber seine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verletzte. Nach Angaben seines Anwalts macht Schönbohm in der Klage einen Schadenersatzanspruch von 5.000 Euro geltend.
Sein Anwalt erläuterte, dass der Verlust des Postens für sich genommen nicht Gegenstand der Klage sei. Laut den weiteren Angaben ist aus verfahrensrechtlichen Gründen zwar die Bundesrepublik Deutschland Klagegegnerin. "In der Sache wird aber ein Fehlverhalten des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und konkret des dort tätigen Leitungspersonals einschließlich der Bundesministerin selbst gerügt."
Das Fehlverhalten bestehe darin, dass die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen gegen Schönbohm auch dann noch fortgeführt worden seien, als bereits festgestanden habe, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe haltlos seien.
Schönbohm fordert zudem mittels eines weiteren Anwalts auch vom ZDF eine Entschädigung von 100.000 Euro und eine Unterlassungserklärung. Der Sender hat die Forderungen zurückgewiesen. Auf der Klageebene ist das Ganze bislang noch nicht.
Was wird Faeser vorgeworfen?
Faeser wird vorgeworfen, sie habe Schönbohm zu Unrecht oder zumindest voreilig von der Spitze des BSI entfernt. Außerdem soll die SPD-Politikerin zur Rechtfertigung dieses Schritts damals den Verfassungsschutz instrumentalisiert haben.
Die Vorwürfe gegen Schönbohm werden inzwischen bezweifelt. Gegen ihn war kein Disziplinarverfahren eröffnet worden: Das Ministerium habe seinen Anwälten mitgeteilt, dass die Voruntersuchungen keine Anhaltspunkte für ein solches Verfahren gebracht hätten, hatte das Portal "Business Insider" im Mai berichtet. Eine Ministeriumssprecherin hatte daraufhin erklärt, ihr Haus könne sich zu Personalien "grundsätzlich nicht äußern".
Dass die Ministerin mit dem, was die zuständige Abteilung ihres Hauses bei den disziplinarrechtlichen Vorermittlungen über Schönbohm damals zusammengetragen hatte, wohl unzufrieden war und angeregt hatte, noch einmal gründlicher zu suchen, geht aus einem internen Vermerk aus dem Bundesinnenministerium hervor, der von der "Bild"-Zeitung veröffentlicht wurde.
Konkrete Hinweise darauf, dass sie - wie von einigen Kritikern angedeutet wird - den Verfassungsschutz regelrecht auf Schönbohm angesetzt habe, sind aber nicht aufgetaucht.
Was sagt Faeser dazu?
Faeser hat die Vorwürfe bereits vor zwei Wochen zurückgewiesen. Sie warf den CDU/CSU-Abgeordneten vor, sie "mit Dreck zu bewerfen" und sagte: "Bleiben Sie bei den Fakten und überlassen Sie es doch der CDU in Hessen, Wahlkampf zu machen!"
Für Faeser ist der Zeitpunkt der Debatte ungünstig. Sie tritt als Spitzenkandidatin der SPD-Hessen bei der Landtagswahl an, die in genau einem Monat stattfindet.
Faeser betonte: "Es gab von mir keinerlei nachrichtendienstliche Abfragen." Entsprechende Äußerungen ihrer politischen Gegner seien "völliger Unsinn". Sie habe das BSI angesichts der gestiegenen Bedrohung durch Cyberangriffe gestärkt. Mit Claudia Plattner stehe nun eine international renommierte Expertin an der BSI-Spitze.