Präsidentschaft endet Was vom deutschen G7-Vorsitz bleibt
Ein Jahr lang stand Deutschland an der Spitze der G7-Staaten - und das in Kriegszeiten. Was haben Kanzler Scholz und seine Regierung daraus gemacht? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt.
Es ist nicht überraschend, dass Olaf Scholz sein eigenes Krisenmanagement als Erfolg wertet. Er klopfte sich nach dem virtuellen G7-Treffen Mitte Dezember, dem letzten unter deutschem Vorsitz, selbst auf die Schulter und meinte: "Es ist unsere Einigkeit, unsere Entschlossenheit, die dazu geführt hat, dass der russische Präsident heute ganz allein dasteht."
Sechsmal trafen sich die Staats- und Regierungschefs 2022: viermal per Video-Schalte, einmal in Brüssel, dazu als Höhepunkt der G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern im Sommer. Scholz lobte die informelle G7-Atmosphäre, die so anders sei als viele andere offizielle Veranstaltungen. "Man hat nicht viel von Treffen, wo sich Politiker begegnen und dann Statements ablesen."
So intensiv wie in diesem Jahr war der Kontakt noch nie zwischen den sieben großen Industrienationen. Und wohl noch nie war so viel schnelles Handeln gefragt: bei den Sanktionen gegen Russland und bei der Hilfe für die Ukraine. Die G7-Staaten demonstrierten Geschlossenheit, versprachen der Ukraine Milliardensummen als Unterstützung.
"Keine Führungsrolle"
Doch die Opposition zeigt sich enttäuscht vom deutschen G7-Vorsitz. "Professionelles Management: Ja. Aber: Keine Führungsrolle, keine Initiativen aus Deutschland", sagt Johann Wadephul, der Vizechef der Unionsfraktion im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio kritisch. Ein Kanzler "ohne Strategie, ohne Konzepte" - so lautet der Vorwurf des CDU-Politikers.
Wadephul meint, Scholz hätte sich der russischen Aggression noch entschlossener entgegenstellen müssen. Eine Konferenz zu organisieren, wie es die USA in Ramstein getan haben, um Waffenlieferungen für die Ukraine zu koordinieren - das wäre aus Sicht des CDU-Politikers eigentlich die deutsche Aufgabe gewesen.
Wohlwollender ist Wadephul mit Blick auf die Rolle von Außenministerin Baerbock. Sie übe offen Kritik an autoritären Staaten wie Russland und China. Er sieht Baerbock allerdings als eine "gehemmte Außenministerin": "Sie wollte mehr, der Bundeskanzler hat das eindeutig nicht zugelassen."
Klimaschutz rückte in den Hintergrund
Auch die Linkspartei im Bundestag kritisiert die Bundesregierung - wenn auch aus einer ganz anderen Richtung: Fraktionschefin Amira Mohamed Ali wirft der Bundesregierung vor, während der G7-Präsidentschaft zu wenig auf Vermittlung und Diplomatie gesetzt zu haben. Mohamed Ali kritisiert, während Bundeskanzler Scholz zumindest im Ansatz um Deeskalation bemüht sei, setze Außenministerin Baerbock auf Konfrontation mit Staaten wie China.
Beim deutschen G7-Vorsitz sollte eigentlich der Klimaschutz ganz oben auf der Tagesordnung stehen, doch das Topthema rückte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in den Hintergrund. Immerhin gelang es Kanzler Scholz kurz vor Jahresende, noch den von ihm vorangetriebenen "Klimaclub" offiziell zu gründen: Eine Staatengruppe, der nach und nach engagierte Länder beitreten sollen, um gemeinsam gegen die Erderwärmung zu kämpfen. Offen bleibt allerdings, ob wichtige Länder wie China überhaupt Interesse an diesem Club haben.
Zum Jahreswechsel übernimmt Japan von Deutschland den G7-Vorsitz. Die großen Themen, vom russischen Krieg bis zum Klimaschutz, werden bleiben.