Sozialabgaben auf Kapitalerträge Grünen-Vorschlag löst breite Diskussion aus
Die Grünen wollen Sozialabgaben auf Aktien- oder Zinsgewinne erheben - und lösen damit eine breite Debatte aus. Ein Schlag gegen deutsche Sparer, schimpfen die einen. Ein sinnvoller Schritt, finden andere.
Es war am Sonntagabend im Bericht aus Berlin: Da stellte der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, jene Frage, die eine der hitzigsten Debatten im bisherigen Wahlkampf auslöste: "Warum soll eigentlich Arbeit höher belastet sein als Einkommen durch Kapitalerträge?" Konkret meinte Habeck, dass künftig auch Einkünfte aus Kapitalerträgen herangezogen werden müssten, um die leeren Sozialkassen in Deutschland zu füllen.
"Schlag ins Gesicht deutscher Sparer"
Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. Parteispitzen von CSU und FDP warfen Habeck den Griff in die Taschen der Menschen vor. "Grüne Politik ist immer gleich: Es wird versprochen, dass es nichts kosten oder nur die sogenannten Reichen treffen würde", sagte der designierte Generalsekretär Marco Buschmann. "Die Wahrheit ist: Es trifft immer normale Leute, die sich durch Leistung etwas aufbauen wollen."
Die AfD sprach von einem "Schlag ins Gesicht der deutschen Sparer". "Meint Robert Habeck ernsthaft, dass er die soziale Sicherung retten kann, indem er die private Vorsorge der Menschen erschwert?", fragte der stellvertretende Bundessprecher Peter Boehringer.
"Ein alter Hut"
Weniger emotional, aber in der Sache ähnlich ablehnend äußerte sich Kanzler und Kanzlerkandidat Olaf Scholz: "Ein alter Hut, das hat noch nie funktioniert", sagte der SPD-Politiker zum Grünen-Vorschlag. Steuern auf Kapitalerträge seien in Ordnung, aber nicht die Erhebung von Sozialabgaben, so Scholz. Vielmehr müssten Gerechtigkeitslücken zwischen privat und gesetzlich Versicherten geschlossen werden.
Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lehnte den Vorstoß von Habeck ab. "Wir haben eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Jetzt noch Beiträge auf Erspartes in schlechte Strukturen zu pumpen, verärgert die Versicherten", sagte Lauterbach der Nachrichtenagentur dpa. Das Ersparte der gesetzlich Versicherten anzugreifen, treibe die gesetzlich Versicherten in die private Krankenversicherung.
"Starke Schulter stemmen mehr"
Doch es gibt durchaus auch Stimmen, die dem Vorschlag Habecks, der auch im Wahlprogramm der Grünen steht, etwas abgewinnen können. Der Deutsche Gewerkschaftsbund etwa. Der erklärt, selbst immer schon gefordert zu haben, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auch von Kapitaleinkünften zu erheben. "Wichtig ist, dafür einen Freibetrag festzulegen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Antje Piel der Nachrichtenagentur dpa. Sonst würde belastet, wer schon hohe Beiträge zahle. Doch beteiligt werden müssten die wirklich großen Vermögen. "Starke Schultern können einfach mehr stemmen."
Habecks Vorstoß gehe "in die richtige Richtung", meint auch Linken-Parteichef Jan van Aken. "Schluss mit der Sonderbehandlung für Kapitalerträge! Wer für sein Geld arbeitet, muss Steuern und Abgaben zahlen. Wer sein Geld arbeiten lässt, sollte auch seinen gerechten Anteil zahlen", so van Aken.
Selbst der CDU-Arbeitnehmerflügel CDA zeigt sich grundsätzlich offen, mehr Beitragszahlende für die Solidarsysteme heranzuziehen. "Es ist doch so, dass unsere Gesellschaft immer vermögender wird, die wenigsten Menschen aber durch Arbeit reich werden", sagte der CDA-Vorsitzende Dennis Radtke. Ohne langfristige Anpassung an diese Entwicklung gehe die Akzeptanz der Abgaben zurück. Habecks Idee aber schloss sich der CDA-Chef ausdrücklich nicht an. Für Schnellschüsse im Wahlkampf eigne sich das Thema nicht.
"Es geht um die Millionäre"
Möglicherweise ist diese Erkenntnis auch bei den Grünen gewachsen, die nun versuchen, die Debatte wieder etwas einzufangen. Es gehe ihnen nicht um Mehrbelastungen, sondern um eine gerechterer Lastenverteilung, sagte Habeck inzwischen und verwies auf den wachsenden Druck auf Lohn und Gehälter durch steigende Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.
"Es geht aber um die Millionäre", sagte er im RTL-Interview." Für Normalverdiener werde es Freibeträge geben, so Habeck, ohne jedoch eine Zahl zu nennen. "Der Kleinsparer muss sich keine Sorgen machen." Es gehe nicht um die Altersvorsorge. Die Grünen wollen Arbeitnehmer entlasten, dafür aber Sparer und Anleger stärker zur Kasse bitten.
Und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge ergänzte, es gehe dabei nicht um Menschen mit ein bisschen Geld auf dem Konto. "Dass die nicht gemeint sind, ist sonnenklar in der Debatte", sagte sie. Es gehe um ein durchdachtes Konzept mit hohen Freibeträgen.