Rede beim CDU-Wirtschaftsrat Habecks Auswärtsspiel
Wirtschaftsminister Habeck hätte allen Grund gehabt, den Termin beim CDU-Wirtschaftsrat abzusagen. Die vergangenen Tage waren unangenehm genug für den Grünen-Politiker. Doch Habeck kam - und erhielt danach mehr als nur höflichen Applaus.
Robert Habeck geht keiner Auseinandersetzung aus dem Weg - sonst wäre er beim CDU-Wirtschaftsrat erst gar nicht erschienen. Er weiß, was und vor allem wer ihn dort erwartet. Wirtschaftsbosse, Industrievorstände, viele, die seine Wirtschaftspolitik kritisieren - vor allem aber CDU und CSU. Die Union hat den Grünen unter verbalen Dauerbeschuss genommen. Das Heizungstauschgesetz, die "Trauzeugenaffäre" um Habecks Staatssekretär - und überhaupt.
Habeck bestimmt die Wirtschaftpolitik, die Union betrachtet sie als ihre natürliche DNA, es ist ihr Ludwig-Erhard-Ministerium. Manch einen treibt noch der Phantomschmerz um, das Ministerium an den Grünen verloren zu haben. Kann der das? Nein, heißt es bei CDU und CSU - zu viel Klima, zu wenig Wirtschaft. Entsprechend kühl ist der Empfang, die Skepsis fast mit Händen zu greifen.
Heimspiel mit Holzhammer
Die Unternehmerin und Vorsitzende des CDU-Wirtschaftrates, Astrid Hamker, begrüßt Habeck höflich und weiß den gut gefüllten Saal auf ihrer Seite, als sie ihm die Leviten liest. Anders kann man ihre Rede kaum bezeichnen. Aus Hamkers Sicht macht Habeck nämlich so ziemlich alles falsch: Atomausstieg, Heizungstausch, Energiepolitik generell. Hamker holt mit dem Holzhammer aus und bekommt Applaus. Es sieht nach einem Heimspiel für sie aus.
Die erste Reihe des CDU-Wirtschaftsrats applaudiert begeistert. Habeck macht sich Notizen. Er will später nichts vergessen, was ihm die Präsidentin des Wirtschaftsrats vorgeworfen hat. Klimapolitik ist wichtig, sagt sie, aber Wirtschaftspolitik solle er nicht vergessen - als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun. Als Hamker zum Heizungstauschgesetz kommt, lehnt sich Habeck zurück. Das alles hat er oft genug gehört, da braucht er sich nichts mehr aufzuschreiben, er kennt die Argumente und Anwürfe. Zum Ende ihrer Rede übergibt sie an den "lieben Herrn Habeck".
Ein bisschen Blüm, ein bisschen Philosophie
Habeck hat ja mal regiert mit der CDU - in einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Keiner könne sagen, wie die nächste Bundestagswahl ausgehe, sagt er später. Wer weiß, ob nicht CDU und CSU auch auf Bundesebene mal mit den Grünen regieren werden, auch wenn es derzeit sehr schwer fällt, sich das vorzustellen. So tief die Gräben, so grob die Kritik.
Habeck jedenfalls antwortet auf die Holzhammer-Kritik wie ein Habeck auf so etwas antwortet: philosophisch. Er erteilt eine rhetorische Lehrstunde. Vorher outet er sich noch als Fan der sozialen Marktwirtschaft. Das kommt immer an bei der Union, zumal er danach noch Norbert Blüm zitiert.
Im Laufe seiner Rede antwortet Habeck doch noch auf die vernichtende Kritik: Die Herleitung der Argumente sei nicht passend, findet er. Hamker hatte ihm vorgeworfen, dass Fachkräfte fehlen. Stimmt, sagt Habeck, aber das sei nicht sein Verschulden, sondern ein "Verpennen der letzten zwölf Jahre, in denen nicht genug unternommen wurde". Jetzt kommt tatsächlich Beifall auf.
Habeck beim CDU-Wirtschaftsrat: Von wegen Feindesland
Applaus für den grünen Minister
Wirtschaftsvertreter und Unionspolitiker applaudieren dem grünen Minister, als der die unionsgeführte Bundesregierung der vergangenen Jahre kritisiert. Der Beifall wird kräftiger, als Habeck über den Atomausstieg spricht. Die CDU hätte sich doch in den vergangenen zwölf Jahren für Atomkraft einsetzen können, meint er. Stattdessen hat sie den AKW-Ausstieg beschlossen und das bisher nie als Fehler bezeichnet.
Habeck ist jetzt in seinem Element und sieht: Er hat hier beim Wirtschaftsrat nicht nur Feinde. Er spricht jetzt schneller und ohne Manuskript. Und er fordert die "Lauterkeit der Argumente". Er nennt Hamker nicht beim Namen, sondern spricht von der "Präsidentin". Sie hört, dass Habeck ihre Argumente nicht durchdacht findet und das gleiche auch anderen Kritikern vorwirft.
Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, hält sich mit Applaus nach Habecks Rede zurück. Sie gehört zu seinen größten Kritikerinnen, lässt keine Gelegenheit, keine Talkshow aus. Es dürfte ihr nicht gefallen, dass Habeck hier beim CDU-Wirtschaftsrat mit Beifall verabschiedet wird, der über das höfliche Maß hinausgeht.
Kurz darauf kommt die Nachricht, dass Habecks Heizungstauschgesetz in dieser Woche nicht mehr im Bundestag beraten wird. Die FDP - und damit der eigene Koalitionspartner - bremst den Zeitplan aus. In der Politik sind Freund und Feind nicht immer klar zu trennen.