Habecks Kandidatur "Verhöhnung" oder eine gute Idee?
Bei zwölf Prozent liegen die Grünen in den Umfragen nach dem Ampel-Aus. Trotzdem will die Partei mit Kanzlerkandidat Habeck in den Wahlkampf ziehen. Das sorgt für Unverständnis. Die CSU spricht von "Verhöhnung". Habeck selbst ist zuversichtlich.
Robert Habeck will Kanzlerkandidat der Grünen werden. Seine Ambitionen hat der Wirtschaftsminister in den tagesthemen erläutert und erklärt, mehr Verantwortung tragen zu wollen.
Dass die Grünen in der derzeitigen Situation einen Kanzlerkandidaten benennen, sorgt bei politischen Gegnern für Unverständnis: "Dass der grüne Wirtschaftsminister, der verantwortlich für das ökonomische Desaster und Abrutschen der Industrie ist, sich zum Kanzlerkandidaten erklärt, ist geradezu eine Verhöhnung der Wählerinnen und Wähler", sagte CSU-Chef Markus Söder der Bild am Sonntag. "So sieht Demut nicht aus."
Söder lehnte eine Koalition mit Mitgliedern und Ex-Ministern der gescheiterten Ampelkoalition ab: "Keiner von denen, die dieses Scheitern verursacht haben, kann in einer neuen Bundesregierung dabei sein."
Wagenknecht: "Da stellt man normalerweise keinen Kanzlerkandidaten auf"
Auch beim BSW wird die Kanzlerkandidatur von Habeck mit Unverständnis aufgenommen: Wenn es üblich wird, dass jeder Spitzenkandidat einer Partei sich 'Kanzlerkandidat' nennt, werden wir da vielleicht auch nachziehen müssen", sagte die BSW-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht der Rheinischen Post. "Aktuell stehen wir in Umfragen zwischen sechs und neun Prozent. Da stellt man normalerweise keinen Kanzlerkandidaten auf", antwortete Wagenknecht auf die Frage, ob sie Kanzlerkandidatin wird. "Auch nicht mit zehn Prozent wie die Grünen, die trotzdem den gescheiterten Ampel-Wirtschaftsminister Habeck als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken."
Habeck glaubt an seine Chance
In den tagesthemen hatte Habeck seine Kandidatur als "Angebot" bezeichnet. Ob daraus eine "ernsthafte Kandidatur auch für das Kanzleramt wird", müssten die Menschen entscheiden. Habeck räumte ein, dass die Umfragen für die Grünen derzeit schlecht sind. Im jüngsten DeutschlandTrend geben nur 12 Prozent der Befragten an, die Grünen wählen zu wollen.
Habeck sagte, es gebe einen Vertrauensverlust - auch in seine Person. Dennoch bleibe er zuversichtlich. Die Stimmung im Land werde sich "sehr schnell verändern und wir werden nach vorne gucken und dann ist alles möglich in alle Richtungen". Wie viel Prozent er den Grünen bei der kommenden Bundestagswahl zutraut, ließ er offen.
Der Vizekanzler hatte am Freitag seine Bewerbung um die Spitzenkandidatur der Grünen für die nächste Bundestagswahl erklärt - und stehe auch als Kanzler bereit, wenn die Bevölkerung dies wolle. Die Kür zum Spitzenmann der Grünen ist für den Bundesparteitag der Grünen geplant, der am Freitag kommender Woche in Wiesbaden beginnt.
Banaszak glaubt an "Brückenbauer Habeck"
Lob für Habeck kam erwartungsgemäß aus seiner Partei: Habeck sei ein "extrem starker Kandidat", erklärte der Kandidat für den Vorsitz der Grünen, Felix Banaszak, in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Wenn es jemand schaffen könne, Brücken zu bauen in einer gesellschaftlichen Lage wie dieser, dann Habeck, fuhr Banaszak fort.
Dass es für die Grünen bei der Wahl nicht leicht wird, gab auch er zu: "Natürlich ist das Kanzleramt in der aktuellen Lage nicht nur einen Katzensprung entfernt." Seine Partei werde sich aber nach vorne kämpfen.