Ampelkoalition in der Krise Habecks Botschaft, Habecks Angebot
Der Ampel-Regierung droht ein vorzeitiges Aus. Vizekanzler Habeck versucht noch einmal, das Bündnis zu retten. Mit einem Angebot an die FDP. Und nicht ganz ohne Eigennutz.
Tagelang hat Vizekanzler Robert Habeck wenig bis gar nichts zur aktuellen Ampel-Krise gesagt. Nun also dieser Auftritt am Montagnachmittag, nur wenige Minuten lang.
Er beschwört die Koalitionspartner: "Hängeparte oder Handlungsfähigkeit - das ist die Alternative." Er werbe dafür, jetzt mit einer "großen Kraftanstrengung" noch den Haushalt 2025 aufzustellen und die geplante Wachstumsinitiative auf den Weg zu bringen.
Und er hat ein Angebot dabei: Die Grünen machen einen Rückzieher, wenn es um die Intel-Fördermilliarden geht. Eigentlich wollte Habeck das Geld, da Chiphersteller Intel seine Fabrikpläne auf Eis gelegt hat, für andere Klima- oder Transformationsprojekte ausgeben. Nun sagt er: Die Milliarden "können aber jetzt selbstverständlich einen Beitrag leisten, die Haushaltslücke zu reduzieren".
Habeck geht damit auf Finanzminister Christian Lindner zu, der genau das gefordert hat. Nur noch offen ist, ob Habeck die gesamten zehn Milliarden Euro als eine Art Versöhnungsangebot an die FDP freigibt.
Die eigene Krise
Das heißt: Die Grünen probieren noch einmal alles, um die Koalition irgendwie zu kitten und über die Zeit zu retten. So verwunderlich ist das alles nicht. Denn die Partei hat eigentlich genug mit sich selbst zu tun: Die Grünen müssen die eigene Krise managen - statt eine neue Ampel-Krise. Mitte November wählt die Partei auf einer Bundesdelegiertenkonferenz in Wiesbaden neue Vorsitzende.
Die scheidenden Chefs, Ricarda Lang und Omid Nouripour, wollen bis dahin keine Pflöcke mehr einrammen, vermeiden Richtungsentscheidungen. Das mögliche neue Spitzenduo wiederum, Franziska Brantner und Felix Banaszak, kann noch gar nicht voll als Parteivorsitzende agieren.
Kritik von der Basis
Denn das würde die eigenen Leute vor den Kopf stoßen und die Abstimmung auf dem Parteitag einfach vorwegnehmen. Schließlich gibt es auch Gegenkandidaten. Und es kommt Kritik von der Basis. Eigentlich brauchen Habeck und sein Favoriten-Duo deshalb gerade jeden Tag, um den Parteitag vorzubereiten und die innerparteilichen Wogen zu glätten: Einer der Anträge, die bislang am meisten Unterstützung bekommen, fordert beispielsweise eine gänzlich andere Migrationspolitik, als sie die Bundesregierung betreibt.
Es würden "nach immer gleichen Mustern härtere Maßnahmen gefordert und beschlossen", kritisiert der Antrag, der inzwischen rund 200 Unterstützer hat. Die Grünen seien nur noch Getriebene. Das ist eine klare Kritik am Ultra-Realo-Kurs, der gerade aus dem starken Landesverband Baden-Württemberg sowie vermutlich von Habeck selbst vorangetrieben wird.
Kernthema Klimaschutz?
Auch über andere Themen will der Parteitag diskutieren - und damit über die Neuausrichtung zum Wahljahr: Sollen die Grünen wieder mehr aufs Kernthema Klimaschutz setzen? Sollen sie mit Forderungen zu Vermögens- und Erbschaftssteuer in den Wahlkampf gehen?
Vorgezogene Wahlen würden die Neuausrichtung der Partei ins Schleudern bringen - oder alle Debatten darum verschieben. Denn bei einem Bruch der Koalition drohen Neuwahlen schon im März. Eigentlich wollen die Grünen erst auf einem weiteren Parteitag Ende März ihr Bundestagswahlprogramm beschließen. Bis dahin sollte sich der neue Bundesvorstand einarbeiten sowie die neu strukturierte Parteizentrale rund um Wahlkampfmanager Andreas Audretsch.
Auch rein organisatorisch wäre ein Wahlkampf in den nächsten Monaten höchst schwierig, heißt es aus Parteikreisen. Die Union sei dagegen viel besser vorbereitet, könne wirklich sofort auf Wahlkampf umstellen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann frohlockt seit Monaten, man sei aus dem Stand kampagnenfähig.
Eine Partei in der Übergangsphase
Hinzu kommt, dass es die Grünen eigentlich ganz zufrieden auf die neuen Umfragen aus Hamburg schauen. Dort wird Anfang März gewählt. Die Grünen kommen derzeit auf über 20 Prozent. Ein rot-grünes Bündnis käme gar auf über 50 Prozent. Die Befürchtung ist, dass eine geplatzte Koalition in Berlin diesen Aussichten nur schaden kann.
Die Partei ist also in einer Übergangsphase, bemüht sich aber, das nicht so wirken zu lassen: "Mein Gefühl ist, dass viele sich in Wirtschaft und Gesellschaft danach sehnen, dass sich alle mal am Riemen reißen", sagte Felix Banaszak am Sonntag in der ARD. "Das tut jetzt Robert Habeck."
Die Sprachlosigkeit, der Rückzug - das sei also "am Riemen reißen". Die Grünen wollen so wirken, als seien sie die einzigen Erwachsenen im Raum, so scheint es. Auch Noch-Parteichef Nouripour betont am Montag: "Es braucht Ernsthaftigkeit, die der Situation gerecht wird."
Ausweichende Fragen
Man habe noch viel vor und müsse jetzt erst einmal die Wachstumsinitiative umsetzen und die US-Wahl abwarten, sagt Nouripour. Den Fragen nach einer möglichen rot-grünen Minderheitsregierung im Bund weicht er aus: "Die Frage nach einem möglichen Bruch stellt sich nicht", so Nouripour. "Wir wollen den Bruch nicht. Wir gehen auch davon aus, dass andere vertragstreu sind."
Und doch gibt es sie: Die Grünen, die möglichst schnell rauswollen aus der Ampel. Auch für den Parteitag hat eine Gruppe beantragt, über den "Austritt aus der Regierungskoalition" zu diskutieren, "damit wieder deutlich wird, wofür wir Grüne stehen".
Ebenso scheint die Kernklientel die Lust an der Koalition zu verlieren: Im August waren laut ARD-Deutschlandtrend noch 59 Prozent der Grünen-Anhänger zufrieden mit der Regierung - die höchste Zustimmung bei den Ampel-Partnern.
Ende Oktober hatte sich das halbiert: Nur noch 30 Prozent der Grünen-Wähler bewerten die Regierung jetzt positiv. Habeck muss also die zunehmende Unzufriedenheit in den eigenen Reihen managen - und gleichzeitig auf Zeit spielen, zur Ruhe mahnen. Das könnte auch beim anstehenden Parteitag, der eigentlich Habecks Spitzenkandidatur feiern sollte, eine der größten Herausforderungen werden.