Islamkonferenz Lieber keine heiklen Themen?
Die Islamkonferenz geht in eine neue Runde, erstmals geleitet von Innenministerin Faeser. Schon an der Tagesordnung gibt es Kritik.
Viele dürften auf den Auftritt von Nancy Faeser gespannt sein. Welchen neuen Akzent wird sie in ihrer Rede bei der Deutschen Islamkonferenz (DIK) setzen - im Gegensatz zu ihren männlichen Vorgängern Schäuble, de Maizière und Seehofer?
Geht es nach der innenpolitischen Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, dann müsse von der DIK nun ein neues Signal ausgesendet werden: Progressive Muslime müssten mehr Aufmerksamkeit bekommen, sie müssten gestärkt werden - im Dialog mit den unterschiedlichen muslimischen Verbänden.
SPD, Grüne und FDP hatten sich im Koalitionsvertrag auf einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik geeinigt. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Der Staat will sein Verhältnis zu Zugewanderten, darunter auch zu den vielen Muslimen, verbessern. So soll zum Beispiel die Kettenduldung unter bestimmten Voraussetzungen beendet werden. Diejenigen, die sich eine Zukunft in Deutschland aufbauen wollen, sollen zudem schneller den deutschen Pass bekommen können. Dieser Paradigmenwechsel, der schon in einigen Gesetzesvorhaben von Innenministerin Faeser zum Ausdruck kommt, müsse sich, so Kaddor, nun auch auf der Islamkonferenz widerspiegeln.
Eine Wohlfühlveranstaltung?
Doch es gibt auch Kritik. Die Tagesordnung von Innenministerin Faeser lasse den Rückschluss zu, dass heikle Themen in diesem Jahr weitestgehend ausgespart würden, sagt etwa Publizist Ahmad Mansour. Die DIK drohe eine Wohlfühlveranstaltung zu werden. Auf den beiden Podien werde zwar über den "Zusammenhalt in Zeiten des Wandels" und über "zivilgesellschaftliches Engagement" debattiert. Vom Einfluss der türkischen Regierung auf die Moscheen in Deutschland etwa oder auch von Radikalisierungstendenzen etwa auf Plattformen wie TikTok sei zumindest im DIK-Programm nicht die Rede.
Vorbereitet wurde die Islamkonferenz durch Workshops. Dabei diskutierten Muslime, Einzelpersonen und Verbände, was ihnen derzeit unter den Nägeln brennt.
Die Deutsche Islamkonferenz ist das zentrale Forum für den Dialog zwischen Staat und Muslimen. Sie besteht seit 2006. Ergebnisse waren bisher etwa der Aufbau islamischer Theologieseminare an deutschen Universitäten, Initiativen für die Ausbildung von Imamen in Deutschland und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden.
Mitglieder der Islamkonferenz sind unter anderen die Islamverbände, die den Großteil der Moscheen in Deutschland unterhalten, sowie Musliminnen und Muslime aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Problem DITIB?
Auch Ahmad Mansour hat daran teilgenommen. Von den Themen, die ihm wichtig sind, sei nicht viel übrig geblieben, bedauert er. Zum Beispiel wie muslimischer Antisemitismus bekämpft werden soll. Außerdem stünden im kommenden Jahr in der Türkei Präsidentschaftswahlen an. Daher müsse jetzt zur Sprache kommen, ob die DITIB, die größte sunnitisch-islamische Organisation in Deutschland, über ihre Moscheegemeinden wieder Propaganda für Präsident Erdogan betreibe.
In der Tat stünden die regionalen DITIB-Verbände "unter dem Kuratel von Ankara", ergänzt Volker Beck, Lehrbeauftragter für Religionspolitik am Zentrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Uni Bochum. Die Imame der DITIB seien Religionsbeamte der Türkei. Die DITIB könne jederzeit, wenn es Ankara es beliebt, sich in eine Spionageorganisation oder eine Wahlkampfmaschine von Präsident Erdogan verwandeln. Auch Katar mische sich in Deutschland ein, sagt Beck, und zwar mit einer "Scheckbuchpolitik". So fördere Katar eine ihm genehme Strömung des Islam.
Nach Angaben der Uni Osnabrück finanziert allein die türkische Regierung jährlich 800 bis 900 Imame in Deutschland. Sie gelten als die in Deutschland bestbezahlten Imame.
Einfluss des Iran
Doch nicht nur Türkei und Katar nehmen Einfluss auf die muslimischen Verbände in Deutschland, auch der Iran. Aktuelles Beispiel ist die Blaue Moschee in Hamburg, Sitz des Islamischen Zentrums IZH. Seit Jahren ist es im Blick des Verfassungsschutzes. Das IZH gilt als Außenposten des iranischen Mullah-Regimes.
Spionage und Rekrutierung im Auftrag des iranischen Regimes werde von dort aus organisiert, sagt Mansour. Doch trotz dieser verfassungsfeindlichen Aktivitäten habe Hamburg die Blaue Moschee als Partner begriffen und die Umtriebe damit auch legitimiert. Erst im November wurde die Zusammenarbeit von Staat und IZH beendet, nach ungefähr zehn Jahren. Ginge es nach Volker Beck, müsste der Staat härter durchgreifen und IZH verbieten.
Unabhängige muslimische Gemeinden fördern
"Wenn wir wollen, dass muslimische Gemeinden weniger aus dem Ausland finanziert und damit unabhängiger werden, dann müssen uns alternative Modelle überlegen", sagt Lamya Kaddor. Sich nur darüber zu beschweren, reiche nicht aus. Also müsse auch geprüft werden, ob der Staat zum Aufbau unabhängiger muslimischer Gemeinden eine Anschubfinanzierung leisten könne, damit diese selbst auf eigenen Beinen stehen könnten.
Dabei verweist Kaddor auf den früheren Innenminister Horst Seehofer von der CSU. Auch der habe mit einer Anschubfinanzierung des Bundes geholfen, dass Imaminnen und Imame in Deutschland ausgebildet werden, und zwar aktuell an der Universität Osnabrück. Man müsse diskutieren, ob dieses Modell nicht auch geeignet sei, um die Finanzierung der muslimischen Gemeinden aus dem Ausland zu ersetzen - auch wenn dies rechtlich nicht unproblematisch sei.
In der Tat gilt die deutsche Ausbildung von Imaminnen und Imanen inzwischen als Erfolgsmodell. Nach Angaben von Bülent Ucar von der Uni Osnabrück sind bundesweit 30 Personen in einer Vollzeitausbildung, 60 weitere Personen in einer Seelsorgeausbildung - für Einsätze in Krankenhäusern, JVAs oder bei der Bundeswehr. Zudem nehmen 30 bis 40 an einer modularen Ausbildung teil. Dabei handelt es sich um Imame, die sich weiterbilden. Die Nachfrage sei aber überschaubar. Das Problem sei, dass im Anschluss an die Imam-Ausbildung unklar sei, wo die Imame unterkomme und wer sie finanziere. Darüber müsse bei der Islamkonferenz nun gesprochen werden, fordert Ucar.
Grünen-Politikerin Kaddor will nicht, dass ausschließlich sicherheitspolitische Fragen im Vordergrund stehen, dass Muslime generell unter Verdacht gestellt würden. Ja, sagt sie, es gebe einen islamischen Antisemitismus und es gelte, sich weiterhin mit ihm zu beschäftigen. Aber es gebe eben auch Islamfeindlichkeit und Islamismus. Auf der DIK müsse dann schon weiter über all diese Phänomene gesprochen werden.