Kampfjet-Koalition für Kiew Deutschland sucht seine Nebenrolle
Die Kampfjet-Koalition für die Ukraine nimmt Gestalt an. Mehrere Länder wollen Piloten ausbilden und dann wohl F-16-Maschinen an Kiew liefern. Deutschland steht bislang abseits - aber wie lange noch?
Man muss über kein besonders feines Gehör verfügen, um die Veränderung in der Wortwahl des Verteidigungsministers wahrzunehmen - zur deutschen Rolle in einer Kampfjet-Koalition: "Wir haben aktiv nichts beizutragen. Wir haben keine Ausbildungskompetenzen. Wir haben die Flugzeuge nicht." So drückte es Boris Pistorius noch Mitte vergangener Woche aus.
Diese Woche beim EU-Verteidigungsministertreffen klang das schon nicht mehr ganz so zugeknöpft: "Die paar Möglichkeiten, die es theoretisch geben könnte, prüfen wir gerade. Und dann werden wir sagen, ob wir diesen Beitrag leisten können und wollen."
Kann Deutschland abseits stehen?
Auch wenn der SPD-Politiker sogleich einschränkend hinzufügte, dass die deutsche Rolle gewiss keine "maßgebliche" sein werde, stellt sich doch die Frage: Kann Deutschland überhaupt abseits stehen? Kann Deutschland weiter im - bildlich gesprochen - "Tarnkappen-Modus" unterwegs sein, wenn doch die sogenannte Kampfjet-Koalition zunehmend Gestalt annimmt? Denn das tut sie zweifelsohne, seitdem der bislang in dieser Frage stets zurückhaltend-skeptische US-Präsident Joe Biden am Rande des G7-Gipfels verkündete, die USA würden der Ausbildung ukrainischer Piloten an F-16-Kampfjets nicht mehr im Wege stehen.
Nach Ansicht von Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz war das ein "Startschuss": "Wir alle können uns kaum noch vorstellen, wenn er jetzt 'A' gesagt hat, also die Ausbildung zu beginnen, dass er dann nicht auch noch 'B' sagen wird und der nächste Schritt auch folgt", sagte er im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio und NDR Info.
Deutschland hat keine F-16-Maschinen
Der nächste Schritt - das wäre dann wohl eine Lieferung von F-16 an die Ukraine. Dass er gegangen wird, steht für den belgischen Premier Alexander de Croo außer Zweifel. Schließlich sei sein Land gebeten worden, Ukrainer an der F-16 auszubilden, berichtete de Croo am Montag vor Journalisten in Berlin - und es wäre ja "merkwürdig, Belgien diese Frage zu stellen, ohne dass dann Flugzeuge kämen". Noch hat zwar keine Nation offiziell verkündet, dass sie Kampfjets liefern wird. Doch das scheint eher eine Frage des "wann" als des "ob überhaupt".
Klar ist, dass Deutschland nicht zu den Liefernationen gehören wird. Die Luftwaffe verfügt über keine F-16-Maschinen. Der "Tornado" gilt als zu altersschwach, der "Eurofighter" als zu kompliziert und ungeeignet für ukrainische Zwecke.
Er könne deshalb den Wunsch der Ukraine nach der F-16 gut nachvollziehen, sagt Luftwaffen-Inspekteur Gerhartz, der selbst Pilot ist. "Diese Flugzeuge sind kurzfristig verfügbar, sie sind relativ leicht in der Handhabung und es gibt noch endlos Ersatzteile." Kurzfristig verfügbar heißt aber aus Sicht des Generalleutnants: Wegen der nötigen Ausbildung wäre eine Lieferung wohl erst in einem halben Jahr realistisch.
Wie könnte ein deutscher Beitrag nun konkret aussehen? In der Frage der "Leopard"-Kampfpanzer hatte Kanzler Olaf Scholz zunächst monatelang gezögert, Deutschland dann aber schließlich doch an die Spitze einer "Leopard"-Koalition gesetzt. Dass es bei den Kampfjets ähnlich läuft, gilt als abwegig.
Ausbildung, Flugplätze, Munition
Aber die Absage an eine Führungsrolle schließt ja eine Nebenrolle nicht aus. Gefragt seien zunächst die Nationen, die über F-16 verfügen, sagt Inspekteur Gerhartz. Und ergänzt: "Nicht-F-16-Nationen können natürlich auch einen Beitrag leisten mit Ausbildungsunterstützung, gerade wenn es um die Erstausbildung von Piloten geht - mit der Grundlagenausbildung oder dem Zur-Verfügung-Stellen von Flugplätzen." Auch bei der Munition gebe es Möglichkeiten der Unterstützung, erklärt Gerhartz.
Vier Nationen bilden derzeit die Kampfjet-Koalition, drei davon verfügen über die F-16: die Niederlande, Belgien und Dänemark. Als Nicht-F-16-Nation ist Großbritannien mit dabei.
Ob und in welcher Form Deutschland sich der Koalition anschließt oder ihr zumindest hilft, ist noch unklar. Je realistischer aber das Lieferszenario wird, umso schwieriger wird es für die Bundesregierung, sich in der Kampfjet-Frage unterhalb des Radars zu bewegen.