Geplante Kindergrundsicherung Bis zu 636 Euro für armutsgefährdete Kinder
Nach der Einigung der Ampelkoalition über die Kindergrundsicherung hat Familienministerin Paus erstmals Zahlen genannt. Bis 2025 könnten sich bis zu 636 Euro für die ältesten Kinder ergeben, sagte sie. CDU-Chef Merz kritisierte die Pläne scharf.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat eine Einschätzung abgegeben, wie hoch die geplante Kindergrundsicherung im Fall von armutsgefährdeten Kindern ausfallen könnte. Für diese könnten sich künftig Leistungen von 530 Euro für die Kleinsten bis 636 Euro für die ältesten Kinder ergeben, sagte die Grünenpolitikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Eingeführt werden soll die Kindergrundsicherung ab 2025. Mit ihr will die Bundesregierung bisherige Leistungen bündeln, darunter das Kindergeld, den Kinderfreibetrag und den Kinderzuschlag. Ziel ist auch weniger Bürokratie, damit alle berechtigten Familien die Leistungen beantragen können.
Zusammensetzen soll sich die Kindergrundsicherung aus einem Garantiebetrag, der das derzeitige Kindergeld ablöst. Aktuell liegt dessen Höhe bei 250 Euro. Diese Summe soll für alle Kinder pro Monat ausgezahlt werden - unabhängig davon, wie viel die Eltern beziehungsweise der oder die Heranwachsende selbst verdienen. Alle zwei Jahre soll die Höhe des Garantiebetrages überprüft und angepasst werden.
Hinzu kommt der Zusatzbeitrag. Der soll je nach Bedürftigkeit ausgezahlt werden - hier spielen also das Einkommen eine Rolle, ebenso das Alter des Kindes.
Plus beim Bürgergeld soll mit einfließen
In dem Zusatzbetrag soll der bislang im Bürgergeld beinhaltete Anteil für Kinder aufgehen. Das Bürgergeld hatte Anfang des Jahres die Grundsicherung Hartz IV abgelöst. Daher sei in der Prognose für die Höhe der Kindergrundsicherung die angekündigte Regelsatzerhöhung des Bürgergelds berücksichtigt, so Paus. Dieses Plus solle im kommenden Jahr zwölf Prozent betragen und 2025 solle voraussichtlich eine weitere "moderate" Erhöhung um drei Prozent folgen.
Aktuell werden beim Bürgergeld für Kinder unter sechs Jahren 318 Euro im Monat ausgezahlt, für 14- bis 17-Jährige sind es 420 Euro. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte angekündigt, dass die Sätze 2024 auf 357 Euro für Kinder unter sechs Jahren und 471 Euro für 14- bis 17-Jährige steigen sollen.
"Guter Beitrag" für "mehr Chancengerechtigkeit"
Paus selbst lobte die geplante Kindergrundsicherung abermals als "guten Beitrag, um Kindern ein Stück weit mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit zu verschaffen". Ziel sei es, "so viele Familien wie möglich zu erreichen". "Diese Bundesregierung tut viel für Familien mit Kindern", betonte die Ministerin.
Die Einführung einer Kindergrundsicherung hatte die Ampel schon in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Zwischen Grünen und FDP hatte sich allerdings ein Dauerstreit darüber entwickelt, wie viel Geld der Staat nun für die Kindergrundsicherung ausgeben soll und ob Leistungen erhöht werden sollen oder nicht. Erst in der Nacht zu Montag gab es eine Einigung.
FDP: "Keine Ausweitung des Sozialstaates"
Die FDP kündigte derweil einen Sozialreform-Stopp für die Ampelkoalition an. "Die Kindergrundsicherung ist die letzte große sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Bild".
Angesichts der Inflation und hoher Zinsen dürfe es keine Ausweitung des Sozialstaats geben, sagte Djir-Sarai. Statt einer "weiteren Umverteilung" müsse es "nun ums Erwirtschaften gehen. Dafür müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden und darauf muss von nun an auch der politische Fokus liegen".
Der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Teutrine, sprach sich zudem für eine Entlastung der Beschäftigten aus. "Dringend nötig" seien "Entlastungen bei Steuern und Sozialabgaben sowie eine deutliche Anhebung der Minijobgrenze, damit Arbeit sich immer mehr lohnt", sagte er der "Bild".
Konkret schlägt Teutrine "eine deutliche Anhebung von steuerlichen Freibeträgen" vor sowie die Rücknahme der Anhebung der Arbeitslosen- und Pflegebeiträge.
Merz kritisiert hohen Verwaltungsaufwand
Kritik an den Reformplänen kam aus der Union. CDU-Chef Friedrich Merz sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er halte die geplante Kindergrundsicherung wegen eines hohen Verwaltungsaufwands für wenig wirksam. "Bei der Kindergrundsicherung wird der bürokratische Aufwand so hoch sein, dass am Ende des Tages bei den Kindern kaum etwas ankommt."
Von den geplanten 2,4 Milliarden Euro würden 500 Millionen für zusätzlichen Verwaltungsaufwand ausgegeben, so Merz. "Das zeigt den ganzen Irrsinn." Es dürfe keine neuen Gesetze geben, die mehr Bürokratie schafften.
"Problem ist mangelnde Bildung"
Auf die Frage, ob er die Kindergrundsicherung rückgängig machen würde, sagte er: "Wir machen in jedem Fall das Heizungsgesetz dieser Bundesregierung rückgängig. Bei der Kindergrundsicherung schauen wir, was tatsächlich kommt." Der richtige Weg sei mehr Bildung für die Kinder, nicht mehr Transferleistungen für die Eltern. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung für Bildung und Integration für Kinder", sagte der CDU-Chef.
Merz verwies auf Zahlen von Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP), die Kinderarmut vor allem als Migrationsproblem erscheinen lassen. "Wir sind der Überzeugung, dass die begrenzten Mittel aus öffentlichen Kassen zielgenau bei den Kindern ankommen müssen, die Förderung und bessere Bildung am meisten brauchen", sagte er. "Immer höhere soziale Transferleistungen lösen nicht das Problem, das überhaupt erst zu Kinderarmut führt, und das ist mangelnde Bildung."