Ein Neugeborenes wird im Universitätsklinikum Essen untersucht.
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Knappe Zustimmung im Bundesrat Was ändert sich durch die Krankenhausreform?

Stand: 22.11.2024 16:26 Uhr

Der Bundesrat hat den Weg für die Krankenhausreform frei gemacht. Doch die Abstimmung darüber war eng, es gab heftigen Streit. Wie argumentierten Befürworter und Kritiker? Und was ändert sich jetzt für die Kliniken?

Wer stimmte im Bundesrat für den Vermittlungsausschuss, wer dagegen?

Die Abstimmung für die Krankenhausreform im Bundesrat war eng: Gesundheitsminister Karl Lauterbach trat gleich zwei Mal ans Rednerpult, um die Mitglieder von seiner großen Reform für die deutsche Kliniklandschaft zu überzeugen. Bis zuletzt war unklar, ob es gelingen würde, den Vermittlungsausschuss - und damit auch eine erneute Abstimmung im Bundestag und vermutlich das Ende der Reform - zu verhindern.

Sechs Länder, darunter große und deshalb stimmenreiche wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, sprachen sich für den Vermittlungsausschuss aus. Sechs eher kleinere Länder stimmten dagegen, drei Bundesländer enthielten sich.

Thüringens Ja-Stimmen wurden für ungültig erklärt, weil das Land nicht einheitlich abstimmte. Zuerst stimmte Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) für den Vermittlungsausschuss, direkt danach widersprach Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD).

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) vor der Abstimmung sogar entlassen - um zu verhindern, dass auch Brandenburgs Stimmen nicht gezählt hätten. Nonnemacher wollte sich nach eigenen Angaben der Abstimmung enthalten, Woidke hingegen den Vermittlungsausschuss erreichen. Doch am Ende kam es nicht dazu, die Reform wurde - wenn auch knapp - durchgewunken.

Was waren die Kritikpunkte im Bundesrat?

Mehrere Länder meldeten Kritikpunkte an. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: "Wir brauchen diese Reform, aber es gibt nach wie vor wenige Punkte, die unbedingt nachgebessert werden müssen." Konkret gehe es um Änderungen bei Vorgaben zu Fachärzten, die in ländlichen Regionen derzeit einfach nicht erreichbar seien. Er plädierte für "mehr Beinfreiheit."

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte, es dürfe nicht passieren, dass bestehende Versorgungsungleichheiten zwischen Ost und West verschärft werden. Er beklagte die "starren Qualitäts- und Strukturvorgaben" des Gesetzes. Für Baden-Württemberg monierte der Bevollmächtigte beim Bund, Rudi Hoogvliet (Grüne), man könne die Folgen der Reform weiterhin nicht seriös abschätzen.

Wie argumentierten die Fürsprecher?

Aus mehreren Ländern gab es allerdings Zustimmung dafür, der Reform im Bundesrat grünes Licht zu geben. Der rheinland-pfälzische Minister Clemens Hoch (SPD) warb etwa um Unterstützung für die Reform und mahnte, das Ergebnis eines zweijährigen Arbeitsprozesses nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Benötigt würden auch kurzfristige finanzielle Effekte des Gesetzes.

Der niedersächsische Minister Andreas Philippi (SPD) warnte, wenn die Reform in den Vermittlungsausschuss geschoben werde, dann sei sie "politisch tot". 

Warum stand die Reform überhaupt auf der Kippe?

Das Gesetz zur Krankenhausreform wurde bereits im Oktober - vor dem Aus der Ampel - von der Koalition im Bundestag beschlossen. Bei 660 abgegebenen Stimmen stimmten 374 Parlamentarier mit Ja. Die Opposition lehnte das Vorhaben schon damals ab - unter anderem, weil eine Zwischenfinanzierung fehle und es keine Analyse zu den Auswirkungen gebe. Einige unionsgeführte Länder wollten Nachverhandlungen erreichen.

Im Bundesrat ist das Gesetz zwar nicht zustimmungsbedürftig, hätte durch den Vermittlungsausschuss aber ausgebremst werden können. Wäre es zu einem Anruf des Ausschusses gekommen, hätte ihn der Bundestag mit absoluter Mehrheit überstimmen müssen. Der verbliebenen rot-grünen Minderheitsregierung hätten dafür nach dem Ampel-Aus aber die Stimmen gefehlt.

Bayern hatte den Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt. Ressortchefin Judith Gerlach (CSU) wies unter anderem auf akute Finanznot bei vielen Kliniken hin. "Der Bund hätte längst ein Soforthilfeprogramm vorlegen müssen." 

Was soll die Reform bewirken?

Das deutsche Gesundheitssystem ist im Bereich der stationären Versorgung nicht sonderlich gut aufgestellt. Viele der Kliniken schreiben rote Zahlen, viele Krankenhausbetten bleiben leer, es fehlt an Personal und die Qualität ist im europäischen Vergleich mau.

Großes Ziel ist, den finanziellen Druck auf die Kliniken zu mindern. "Wir werden mehr Spezialisierung bekommen", sagte Lauterbach. Die Kosten sollen so gesenkt werden, die Qualität wiederum steigen.

Vor allem die kleineren Krankenhäuser sollen künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Auf Patienten könnten deshalb in nicht eiligen Fällen längere Wege zukommen - die Behandlung soll aber dadurch verbessert werden. "Wir werden gleichzeitig sehen, dass die kleinen Krankenhäuser auf dem Land von dem leben können, was sie besonders gut können", so Lauterbach.

Was ändert sich für die Krankenhäuser?

Das Gesetz tritt zum 1. Januar 2025 in Kraft, umgesetzt werden soll es stückweise bis 2029. Es dürfte das Netz der Kliniken langfristig verkleinern. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen. Sogenannte Fallpauschalen, wie sie bisher genutzt werden, machen dann nur noch 40 Prozent der Vergütung aus.

Die einzelnen Behandlungsarten werden durch das Gesetz in 65 Leistungsgruppen eingeteilt - wie etwa Herzchirurgie, Leukämie oder Darmtransplantation. Welches Krankenhaus künftig welche Leistungsgruppen anbieten darf, entscheiden die Behörden der Länder. Die Kliniken müssen dafür ein bestimmtes Qualitätsniveau sowie ausreichend Personal nachweisen können. Nur wenn sie diese Kriterien erfüllen, sollen sie für die Behandlung bezahlt werden können.

Eine Reihe von Regelungen soll vor allem kleinen Kliniken in ländlichen Regionen helfen: In solchen Häusern sollen Fachärzte ihre Leistungen künftig auch ambulant für Patienten anbieten dürfen. Der mancherorts weite Weg in eine Fachpraxis entfällt damit. Zudem dürfen sogenannte "Sicherstellungshäuser" auf dem Land, die für die Grundversorgung unverzichtbar sind, geringfügig von den strengen Qualitätsvorgaben der Leistungsgruppen abweichen.

Wie wird die Reform finanziert?

Geplant ist ein Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro - je zur Hälfte von Bund und Ländern. Weil der Bund aber auch an das Geld der privaten und gesetzlichen Krankenkassen will, haben diese mit Klagen gedroht. Kostensteigerungen der Kliniken unter anderem bei den Tariflöhnen aller Beschäftigten sollen nicht mehr nur zur Hälfte, sondern voll von den Krankenkassen finanziert werden.

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen neue Leistungsgruppen sein. Sie sollen Klinikbehandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern - etwa beim Fachpersonal oder der Behandlungserfahrung.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. Oktober 2024 um 09:00 Uhr.