Debatte um Begrenzung der Zuwanderung Kritik an Spahns Forderung zu Migrations-Deckelung
Aus der Ampelkoalition kommt heftiger Widerstand gegen die Forderung von CDU-Politiker Spahn, die Zahl der Geflüchteten zu deckeln. Für die Forderung nach einer Wende in der Asylpolitik gibt es aber auch Zustimmung.
Forderungen aus der CDU nach einer stärkeren Beschränkung der Einwanderung über die EU-Außengrenzen stoßen in der Ampelkoalition auf Kritik. Es "kann keine Lösung sein, Menschenrechte auszusetzen, um Migration zu begrenzen", sagte die Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor der Zeitung "Die Welt".
Kritik aus Ampel und Linkspartei
Auch der innenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Sebastian Hartmann, stellte sich gegen die Vorstöße. "Nationale Abschottung und ungeregelte Verhältnisse an den EU-Außengrenzen sind, ebenso wie eine Kontingentierung, keine Alternative", sagte er in der "Welt".
Auch die Linke wandte sich scharf dagegen. "Wer Migration vollständig beenden möchte, nimmt in Kauf, dass viele Menschen unter Anwendung von brutaler Gewalt sterben werden", sagte deren Asylexpertin Clara Bünger der Zeitung. Solche Gewalt sei bereits jetzt an den EU-Außengrenzen in Form illegaler Pushbacks zu beobachten.
FDP fordert mehr EU-Grenzschutz
Allerdings gibt es auch aus der Ampelkoalition Forderungen nach einem härteren Kurs in der Migrationspolitik: Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Stephan Thomae, sagte der "Welt", er halte einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen für erforderlich, "um ein Europa der offenen Binnengrenzen zu bewahren".
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte angesichts hoher Migrationszahlen vor einer Überforderung der Kommunen. "In den Kommunen ist die Belastungsgrenze erreicht. Das ist leider noch nicht völlig angekommen in Berlin", sagte er der "Bild". "Wir übernehmen uns gerade mit der Integration, auch was die zwingend notwendige Integration in den Arbeitsmarkt betrifft." Konkret kritisierte auch er eine mangelnde Rückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive.
Unterstützung für die Ideen der Union kam aus der AfD. Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte allerdings in der "Welt", dass Spahn nur von einer "Pause" gesprochen habe, nicht von einem "Ende der illegalen Asylzuwanderung". Notwendig sei zudem eine "Rückabwicklung" bereits erfolgter Zuwanderung, verlangte Weidel.
Landsberg: Kommunen an Leistungsgrenze
Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, bezeichnete den Vorstoß Spahns als im Kern richtig. "Die Zuwanderung steuern und ordnen kann nur der Bund, die Kapazitäten der Landkreise zur Aufnahme und Integration Schutzsuchender sind mehr als ausgelastet. Wir laufen immer mehr unserem Anspruch hinterher, Geflüchtete angemessen aufnehmen und integrieren zu können", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Landkreise bräuchten hier mehr politischen Rückenwind.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordere seit längerem einen Neustart in der Migrationspolitik, mit dem Ziel, das Geschehen zu ordnen und zu begrenzen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der dpa.
"Viele Kommunen sind bei der Versorgung, Unterbringung und Integration längst an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Es fehlen ausreichend Wohnmöglichkeiten, auch Plätze in Kitas und Schulen für die Kinder müssen immer weiter ausgebaut werden, was zusätzlich durch fehlendes Personal und knappe Finanzmittel erschwert ist", sagte Landsberg. Die Finanzierung sei Aufgabe von Bund und Ländern.
Forderung nach Deckelung von Migrationszahlen
Spahn hatte am Wochenende einen Kurswechsel in der Migrationspolitik gefordert. "Deutschland braucht eine Pause von dieser völlig ungesteuerten Asyl-Migration", hatte er der "Bild am Sonntag" gesagt.
An den EU-Außengrenzen müsse es daher das Signal geben: "Auf diesem Weg geht es für niemanden weiter." Er hatte dafür plädiert, in Europa 300.000 bis 500.000 Geflüchtete im Jahr aufzunehmen und zu verteilen. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen solle die Menschen auswählen.
Union hofft auf "gemeinsame Lösung" mit SPD
Eine Wende in der Migrationspolitik hatte auch der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gefordert. "Wir müssen Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit verbinden mit klaren und durchsetzbaren Regeln für die Begrenzung von Zuwanderung", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stieß Gabriels Forderung auf Zustimmung. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei äußerte gegenüber dem RND die Hoffnung auf eine "gemeinsame Lösung wie zu Beginn der 1990er-Jahre". Damals hatten sich Union und SPD auf Beschränkungen des Asylartikels im Grundgesetz verständigt. "Unsere Hand ist ausgestreckt", sagte Frei. "Ich hoffe nur, dass Gabriels Intervention vor allem auch in der eigenen Partei gehört wird."
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil lehnte den Vorstoß als wenig hilfreich ab. Mehr als drei Viertel der Menschen, die nach Deutschland kämen, genössen ein Schutzrecht und könnten gar nicht abgeschoben werden, sagte der SPD-Politiker der "Nordwest-Zeitung". "Bei den anderen gibt es viele Menschen, deren Identität wir nicht klären können oder die von den Herkunftsstaaten nicht zurückgenommen werden."