Wahlerfolge in Bayern und Hessen AfD sieht Rückenwind durch Berlins "Verbotspolitik"
Die AfD fährt in Hessen ihr bisher bestes Ergebnis im Westen ein. Auch in Bayern steht die Partei nun auf einer Stufe mit Grünen und Freien Wählern. Die Gründe hat - nicht nur aus Sicht der AfD - die Ampel geliefert.
Für die AfD wird die Doppelwahl in Bayern und Hessen zum doppelten Erfolg: In Bayern legt die Partei Hochrechnungen zufolge um mehr als fünf Prozentpunkte zu. Und in Hessen kann die AfD aller Voraussicht nach ihr bisher bestes Ergebnis in einem westdeutschen Flächenland erzielen - und wird den Hochrechnungen zufolge zweitstärkste Kraft hinter der CDU.
Kein Wunder also, dass bei den Spitzenkandidaten in beiden Bundesländern, aber auch bei der Parteiführung auf Bundesebene Feierlaune herrscht. "Extrem stolz" sei sie, sagt die Parteivorsitzende Alice Weidel. In beiden Bundesländern sei das prognostizierte Ergebnis so gut, das es "alles aus der Vergangenheit" toppe.
Sowohl in Bayern als auch in Hessen konnte die AfD Wählerinnen und Wähler von anderen Parteien ins eigene Lager ziehen. In Bayern büßte vor allem die CSU Stimmen an die AfD ein, wie Daten von Infratest dimap zeigen. Etwa 90.000 Bürgerinnen und Bürger setzten ihr Kreuz demnach diesmal bei der AfD statt der CSU von Ministerpräsident Markus Söder.
Auch der bisherige und wahrscheinlich auch künftige Juniorpartner der CSU, die Freien Wähler, bekamen das Erstarken der AfD deutlich zu spüren, indem sie rund 50.000 Stimmen verloren. Von der FDP wechselten etwa 40.000 Stimmen zur AfD, und bei SPD und Grünen waren es circa 20.000. Doch laut Infratest dimap konnte die AfD auch viele bisherige Nichtwähler an die Wahlurnen bewegen und aus diesem Lager etwa 70.000 Stimmen gewinnen.
In Hessen verlieren vor allem SPD und FDP Stimmen an AfD
Während in Bayern vor allem die CSU an die AfD verliert, zeichnet sich in Hessen ein etwas anderes Bild. Hier wechselten lediglich 2.000 Wählerinnen und Wähler vom Wahlgewinner CDU zur AfD. Wesentlich höhere Verluste verzeichneten hingegen die SPD und FDP mit 20.000 und 18.000 an die AfD verlorenen Wählerstimmen. Von der Linkspartei, die künftig wohl nicht mehr im Landtag in Wiesbaden sitzt, konnte die AfD den Hochrechnungen zufolge etwa 10.000 Wählerinnen und Wähler abziehen.
Auch die Zahl von ehemaligen Nichtwählern, die nun für die AfD votiert haben, fällt in Hessen wesentlich geringer aus als in Bayern. Trotzdem verzeichnet die Partei hier Gewinne von etwa 13.000 Stimmen.
AfD: Profitierten von "Verbotspolitik" der Ampelkoalition
Die Gründe für das starke Abschneiden sieht AfD-Chefin Weidel weniger in den beiden Wahl-Bundesländern verankert, sondern in Berlin. Ihre Partei habe von einem "Sondereffekt" profitiert, nämlich davon, dass die Menschen in Deutschland unzufrieden seien mit der "Verbotspolitik" der Bundesregierung. Die Ampelkoalition mache "Politik gegen die eigene Bevölkerung" und der hätten die Wählerinnen und Wähler "eine klare Absage erteilt". Sie hätten "für den politischen Wechsel in ganz Deutschland" gestimmt.
Auch in den anderen Parteien wird für die Stimmengewinne der AfD vor allem Berlin verantwortlich gemacht. In Bayern betonen SPD und Grüne, dass im Wahlkampf kaum über landespolitische Themen gesprochen wurde, Bildung etwa oder der Weg hin zur Energiewende. Stattdessen habe sich die Bundespolitik in den Vordergrund gestellt, allem voran die Debatte um die Migrationspolitik.
Immerhin war laut infratest dimap das Thema Zuwanderung in Hessen für 18 Prozent der Bevölkerung das entscheidende Thema bei der eigenen Wahlentscheidung - hinter der wirtschaftlichen Entwicklung und der Klimapolitik.
In Bayern lag die Zuwanderung sogar auf Platz zwei der wahlentscheidenden Faktoren, hinter der Wirtschaft. Im Vorfeld der Wahl hatten gegenüber Infratest dimap 48 Prozent aller Befragten angegeben, dass sie es begrüßten, dass die AfD den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen stärker begrenzen wolle. Auch in Hessen fand die ablehnende Linie der AfD in Sachen Migrationspolitik bei 42 Prozent der Befragten Zustimmung.
Striktere Asylpolitik in beiden Ländern Wahlkampfthema
Im Wahlkampf hatten auch die beiden bayerischen Spitzenkandidaten Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm mit einem deutlich verschärften Kurs in der Migrationspolitik geworben. Abgelehnte Asylsuchende sollten binnen sechs Monaten aus Deutschland ausgewiesen werden, und Böhm brachte getrennte Grundschulklassen zwischen Muttersprachlern und "Kindern mit Sprachproblemen" ins Spiel. Ins offizielle Wahlprogramm der Partei schafften es beide Vorstöße allerdings nicht.
Auch Hessens Spitzenkandidat der AfD, Robert Lambrou, trommelte im Wahlkampf für schnellere Abschiebung und einer Zuwanderung von Fachkräften nur im Ausnahmefall, und wenn, dann aus "Deutschland kulturell nahestehenden Nachbarländern". Rechtsextreme Tendenzen spricht er seiner Partei als "bürgerlich-konservativer Kraft" vollständig ab - auch in der Debatte um den Sprecher der hessischen AfD-Fraktion, Andreas Lichert, dem Verbindungen zur "Identitären Bewegung" nachgesagt werden. Lichert gab an, die Gruppierung keinesfalls als extremistisch einzustufen, eine Kooperation bestritt er.
Keine Chance auf Regierungsrolle
Auch mit Blick auf die Oppositionsrolle im hessischen Landtag versicherte Lambrou, die AfD wolle "mit einer ganz starken Stimme" auftreten - "bürgerlich, konservativ, freiheitlich". Im Wahlkampf hatte die AfD auch ganz offen für sich als Koalitionspartner für die CDU geworben, stößt damit aber auf taube Ohren.
Auch in Bayern schließen sämtliche Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD vehement aus. Stattdessen werden Stimmen nach einer engeren Zusammenarbeit auf Bundesebene laut, um das verloren gegangene Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die demokratischen Parteien wiederzugewinnen, wie es der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour ausdrückte.
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht im Ausgang der Doppelwahl eine "Botschaft an Berlin". "Die allgemeine Stimmungslage drückt den Menschen auf das Gemüt", betonte er. Da müsse "mehr Orientierung" geschaffen und durch mehr Kooperation Lösungen gefunden werden.