Rednerpulte vor einer Pressekonferenz der Linken
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Neue Bundesspitze Zwei Neue für die Linke

Stand: 20.08.2024 18:26 Uhr

Die aktuellen Linken-Parteivorsitzenden Wissler und Schirdewan treten ab - und es gibt zwei neue mögliche Kandidaten. Jan van Aken und Ines Schwerdtner wollen die Partei wieder voranbringen. Aber wie?

Eine Analyse von Kerstin Palzer und Uwe Jahn, ARD-Hauptstadtstudio

Seit Sonntag ist klar: Beim nächsten Parteitag der Linken im Oktober in Halle werden die aktuellen Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan nicht mehr kandidieren.

Gerade mal 2,7 Prozent der Stimmen bekam die Linke zur Europawahl, in aktuellen Umfragen zu den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg geht es rasant talwärts. Allein in Thüringen wird ein erdrutschartiger Verlust von 20 Prozentpunkten für die Linke prognostiziert, in Sachsen - einst eine linke Hochburg - liegt die Linke unter der Fünf-Prozent-Hürde. Da ist es kein Wunder, dass die beiden Parteivorsitzenden nun das Handtuch werfen und die linke Zukunft in die Hände anderer legen werden.

Diese anderen sind jetzt bekannt: Jan van Aken und Ines Schwerdtner wollen als neue Parteichefs in extrem schwierigen Zeiten kandidieren. Warum tut man sich das an?

"Partei braucht keine Einzelkämpfer, sondern ein Team"

Jan van Aken ist bekennender Hamburger. Und er ist mit dem Berliner Politikbetrieb vertraut. Von 2009 bis 2017 war er Bundestagsabgeordneter. Außerdem habe er "Kampagne bei Greenpeace gelernt und Diplomatie bei den Vereinten Nationen", so seine selbstbewusste Einschätzung. Bei der Umweltorganisation war van Aken Experte für Gentechnik und bei der UNO war er als Biowaffeninspekteur im Einsatz.

Über den Onlinedienst X teilt van Aken mit, dass er kandidieren will, "weil es eine starke linke Kraft braucht, die die Interessen der Menschen vertritt". Außerdem sei er davon überzeugt, dass die Linke Menschen mitreißen könne, "wenn wir mit großer Einigkeit und Klarheit auftreten, wenn wir uns fokussieren".

Exakt das aber war das Problem in den vergangenen Jahren. Die Linke wurde nicht mehr als "Kümmerer-Partei" wahrgenommen und stritt sich vor allem untereinander. Van Aken sagt heute, dass er auch miteinander verfeindete Lager innerhalb seiner Partei erreichen und Einigkeit herstellen könne.

"Als bekennender Fußballfan weiß ich, dass eine Partei keine Einzelkämpfer braucht, sondern ein Team." Er findet, die Zeit der Eitelkeiten müsse vorbei sein.

Bereits im Oktober 2023, als das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sich abgespalten hatte, war er bereit, eine neue Rolle in der Linken zu übernehmen. Schon im März habe er mit den noch amtierenden Parteivorsitzenden geredet und seine Bereitschaft signalisiert.

Jan van Aken

Jan van Aken will innerhalb der Linkspartei Einigkeit herstellen.

Der 63-jährige van Aken will als möglicher neuer Parteichef jetzt "ein bis zwei Themen aus dem Bereich soziale Gerechtigkeit" in den Vordergrund stellen. Die Mieten spricht er an und einen Mindestlohn von 15 Euro. Aber ihm ist auch klar, dass er zur Frage von Krieg und Frieden Stellung beziehen muss.

Zu den Waffenlieferungen an die Ukraine sagt er: "Ich bin kein Radikal-Pazifist. Ich finde, man muss immer erstmal alles versuchen, was ohne Waffen geht. Das ist in der Ukraine nicht gemacht worden. Aber nur 'Frieden' rufen reicht auch nicht. Wer, wie ich, Waffenlieferungen ablehnt, sollte auch konkrete Vorschläge machen, wie man dann zu einem gerechten Frieden für die Ukraine kommen kann."

Neu auf der großen Bühne

Jung, weiblich, ostdeutsch, eloquent: So hat Ines Schwerdtner die große Bühne der Partei betreten - und zwar mit ihrer Bewerbungsrede um einen guten Listenplatz für die Europawahl. Das war im vergangenen Winter beim Parteitag in Augsburg. Schwerdtner hat bei der Basis gepunktet und sich gegen ihre Mitbewerberin von der Bewegungslinken durchgesetzt.

Allerdings hat die Partei dann so schlecht abgeschnitten, dass es nichts wurde mit dem Sitz im Europaparlament. Die 35-Jährige ist zwar erst vergangenes Jahr in die Partei eingetreten, aber links ist sie schon lange. Es begann bei einer antifaschistischen Jugendreise mit der Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch. Schwerdtner bezeichnet diese Reise als ihr persönliches Erweckungserlebnis.

Später studierte Schwerdtner Politikwissenschaft und Anglistik, war in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Von 2020 bis 2023 arbeitete sie als Chefredakteurin des sozialistischen Magazins "Jacobin". Sie sagt, sie habe keinen Parteitag der Linken versäumt, auch wenn sie sich erst 2023 entschlossen hat, die Seite zu wechseln.

Ines Schwerdtner spricht bei einer Linken-Veranstaltung in ein Mikro (Archiv)

Ines Schwedtner ist erst 2023 der Linken beigetreten - als links sieht sie sich aber schon lange.

Eine Frage der Herkunft

Schwerdtner ist in Sachsen aufgewachsen, in dem Städtchen Werdau. Beim politischen Aschermittwoch dieses Jahr erzählte sie davon, wie ihr Vater mit seiner Tochter in Sachsen wanderte. Aber nicht nur die Landschaft des Ostens hat sie geprägt, auch die Verlusterfahrung in den Jahren nach der Einheit. Ihre Eltern verloren ihre Jobs. Schwerdtner bezeichnet "politische Enttäuschung als eine Grunderfahrung ihrer Kindheit und Jugend".

Auch das mag sie antreiben. In ihrem Bewerbungsschreiben als linke Parteivorsitzende heißt es, "dass der Schlüssel zu einem besseren Leben in der Solidarität liegt". Das will sie ganz praktisch umsetzen. In der Partei ist sie in zwei Arbeitsgemeinschaften aktiv: in der einen geht es um Arbeitnehmerrechte, in der anderen um "Die Linke hilft", also um Beratung bei Problemen mit Vermietern, Ämtern oder Jobcentern.

Seitenhieb in Richtung BSW

Schwerdtner glaubt an die Linke, auch weil sie im Wahlkampf Kreis- und Ortsverbände besucht und dabei Menschen getroffen hat, denen die Partei am Herzen liegt. "Ich weiß, in dieser Partei liegt eine unglaubliche Kraft. Wir müssen sie nur wieder zu nutzen wissen."

Laut Schwerdtner müsse die Linke sich auf ihre Stärken besinnen. Damit das ungestört gelingen kann, will sie eine neue politische Kultur etablieren. Schließlich seien die, mit denen eine konstruktive Zusammenarbeit ihrer Meinung nach unmöglich war, weg. Ein Seitenhieb in Richtung Bündnis Sahra Wagenknecht.

Eines eint das mögliche neue Spitzen-Paar der Linken schon jetzt: Jan van Aken und Ines Schwerdtner sind aktuell bei der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig. Beide sind dafür, dass Abgeordnete auf einen Großteil ihrer Diäten zugunsten sozialer Zwecke verzichten sollten. Lange kennen van Aken und Schwerdtner sich noch nicht. Sie werden sich kennenlernen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. August 2024 um 18:57 Uhr.