Abspaltung befürchtet Warum die Saar-Linke mit Wagenknecht plant
Die Linke war im Saarland mal eine große politische Kraft. Inzwischen ist Partei-Ikone Lafontaine ausgetreten, die Linke eine Splitterpartei. Wenn Wagenknecht auch noch geht, was bleibt dann?
Applaus und Pfiffe: Die Begleitmusik zur Kandidatur von Thomas Lutze für Listenplatz 1 zur Bundestagswahl 2021 stand und steht exemplarisch für die Zerrissenheit der saarländischen Linkspartei. Der damalige Landesvorsitzende Lutze hatte sich gerade gegen den Ex-Landtagsabgeordneten Dennis Lander durchgesetzt, dessen Kandidatur von Oskar Lafontaine unterstützt wurde. Es war zugleich ein Machtkampf zwischen Lutze und Lafontaine.
Danach überschlugen sich die Ereignisse: Der Landesvorstand forderte den Rücktritt Lafontaines. Das Ende ist bekannt: Lafontaine tritt aus seiner Partei aus. Die Linke schafft es bei der Bundestagswahl nur dank Direktmandate in den Bundestag, ein Jahr später fliegt sie bei der Landtagswahl im Saarland mit 2,6 Prozent aus dem Parlament. Und das in einem Bundesland, in dem sie einst zweistellige Ergebnisse eingefahren hat.
Auch wenn Lafontaine seit Jahren mit seiner Partei im Clinch lag: Die Galionsfigur der Linken im Saarland, jahrzehntelang Garant für Wählerstimmen, fehlt. Die Basis schrumpft, Mitglieder verlassen die Partei.
Zukunft mit Wagenknecht
Die Saar-Linke wollte damals eine Zukunft ohne Lafontaine. Heute will sie eine Zukunft mit Sahra Wagenknecht, die auch Lafontaines Ehefrau ist. Damit nimmt der Landesverband eine andere Position ein als viele andere Landesvorstände, die dem Parteibeschluss aus Berlin folgen. Dieser sieht eine Zukunft ohne Wagenknecht vor.
Der Bundestagsabgeordnete Lutze sieht viele Schnittmengen zwischen dem Parteiprogramm und den Überzeugungen von Wagenknecht. "Ich finde es sehr bedauerlich, dass der Streit so weit gehen musste, weil er fast ausschließlich auf der persönlichen Ebene läuft und nicht auf einer politisch-inhaltlichen."
Er hofft auf eine Einigung bei der Fraktionssitzung am 4. September, vielleicht auch schon bei der zweitägigen Klausurtagung Ende August. Statt markiger Facebook-Posts solle Wagenknecht häufiger in die Fraktionssitzungen im Bundestag kommen, um für ihre Positionen zu werben, meint Lutze.
Thomas Lutze sitzt seit 2009 für die Linke im Bundestag.
Schicksal als Splitterpartei?
Linke Politik lasse sich nur gemeinsam durchsetzen. Davon ist auch die Landesvorsitzende Saar, Barbara Spaniol, überzeugt. Sie befürchtet durch eine Parteigründung Wagenknechts italienische Verhältnisse, also eine ehemals geeinte Linke, die sich in immer mehr Splitterparteien zerlegt.
"Dabei liegen die Themen doch auf der Straße: Wir haben eine hohe Inflation. Wir haben keine echte Kindergrundsicherung, eine chaotische Ampelpolitik. Die Linke wird gebraucht und dafür müssen wir zusammenstehen und dafür kämpfen wir auch im Landesverband Saar."
Querelen schrecken Wähler ab
Eine echte Oppositionsarbeit wird durch das Konzert an Dissonanzen und internen Querelen aber immer schwerer, vom Wähler kaum wahrgenommen und häufig abgelehnt.
Das gilt für den Bund und auch für das Saarland, wo sich die Partei seit 2022 in der außerparlamentarischen Opposition wiederfindet. Bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr muss die Linkspartei befürchten, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Bei den Landtagswahlen 2022 konnte die Partei in keiner Kommune mehr als vier Prozent erreichen.
Richtungsstreit? Welcher Richtungsstreit?
Spaniol hofft mit sozialen Themen wie mehr Kitapersonal und einer Kindergrundsicherung zu punkten. Und mit Wagenknecht. Denn eine Partei-Abspaltung dürfte hierzulande Wählerstimmen kosten. Gerade das klassische, ältere Wählerklientel könnte sie der Partei hier streitig machen und das will man verhindern.
Von einem internen Richtungsstreit zwischen Parteiführung und Wagenknecht-Lager will Spaniol nichts wissen. Alle in der Linken wollten doch das Gleiche: Klimaschutz, aber natürlich Hand in Hand mit sozialer Absicherung.
Auch wenn der Landesvorstand im Saarland - zumindest öffentlich - eine Parteigründung Wagenknechts nur für Spekulation hält, mehren sich doch die Anzeichen und die Stimmen derer, die genau das befürchten - und damit vorerst das Ende der Linke. Das Tischtuch zwischen Wagenknecht und dem Bundesvorstand scheint momentan zerschnitten, doch mit Blick auf die Europawahl im nächsten Juni und die Wahlen in Ostdeutschland im Herbst 2024 erscheint es nicht völlig unmöglich, dass sich die Lager doch noch zusammenraufen. Die Saar-Linke hofft.