Neue Berichte über Ex-Wirecard-Chef Marsalek soll für russische Dienste gearbeitet haben
Der ehemalige Wirecard-Vorstand Marsalek soll Medienberichten zufolge jahrelang für russische Geheimdienste tätig gewesen sein. Diese sollen ihn auch bei seiner Flucht unterstützt haben. Politiker fordern die Einsetzung eines Sonderermittlers.
Entsprechende Vorwürfe gibt es schon länger - jetzt gibt es neue Indizien dafür, dass der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek jahrelang für russische Geheimdienste aktiv gewesen sein soll. Wie der "Spiegel", das ZDF, der österreichische "Standard" und die russische Plattform "The Insider" berichten, soll der abgetauchte Ex-Manager über einen Vertrauten von 2014 an enge Kontakte zum russischen Militärnachrichtendienst GRU und zu Abgeordneten der Duma geknüpft haben. Die Medien berufen sich dabei unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen.
Nachrichtliche Tätigkeiten in mehreren Ländern?
Laut österreichischen Ermittlungsakten sei Marsalek Teil einer "nachrichtendienstlichen Zelle, derer Kapazitäten und Fähigkeiten sich russische Nachrichtendienste bedient" hätten. Britische Staatsanwälte werfen Marsalek den Berichten zufolge vor, noch 2023 einen Agentenring in London gesteuert zu haben.
"Die Recherchen legen nahe, dass Marsalek über eigene Netzwerke dem Kreml missliebige Personen in Europa ausgespäht hat und womöglich sensible Informationen nach Russland übermittelt haben könnte", heißt es in dem ZDF-Bericht. Betroffen gewesen seien zum Beispiel in Europa lebende Journalisten.
"Über Jahre baute er als Vorstand eines Dax-Konzerns offenbar ungestört ein Spionagenetzwerk auf", schreibt der "Spiegel". Außerdem soll Marsalek im Mai 2017 mit Wagner-Söldnern in Syrien gewesen sein, wo diese gemeinsam mit russischen und syrischen Truppen gegen Dschihadisten kämpften.
Wie die Medien weiter berichten, sollen russische Behörden Marsalek dabei geholfen haben, nach seiner Flucht im Jahr 2020 eine neue Identität anzunehmen. Marsalek gab sich demnach im September 2020 auf der Krim als russisch-orthodoxer Priester aus. Marsaleks Anwalt äußerte sich demnach nicht zu den Vorwürfen. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte, er könne keine Angaben zu dem Fall machen.
Politiker fordern Konsequenzen
Als Reaktion auf die Vorwürfe gegen Marsalek forderte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), Konstantin von Notz (Grüne), die Beauftragung eines Sonderermittlers. Die Recherchen zeigten sehr wahrscheinlich, dass "es sich um eine russische Spionage-Einflussoperation handelt, und ich könnte mir gut vorstellen, dass man versucht, mit einem Sonderermittler diesen Fragen auf den Grund zu gehen", sagte von Notz dem ZDF.
Der stellvertretende PKGr-Vorsitzende Roderich Kiesewetter (CDU) zeigte sich überzeugt, dass Marsalek jahrelang russischer Agent gewesen sei: "Es vermittelt den Eindruck, dass es sich um eine breit angelegte russische Nachrichtendienstoperation handelt", so Kiesewetter im ZDF. Wirecard sei darauf ausgelegt worden "Informationen zu beschaffen und auf der anderen Seite aber auch gezielt das Vertrauen in den Finanzmarkt zu stören".
Die Bundesregierung hielt sich bedeckt. "Die Bundesregierung nimmt grundsätzlich zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten der Nachrichtendienste betreffen, nicht öffentlich Stellung", erklärte ein Regierungssprecher. "Damit ist keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht."
Marsalek befindet sich seit der Insolvenz des Zahlungsunternehmens Wirecard im Juni 2020 auf der Flucht und wird in Russland vermutet. Die Wirecard-Insolvenz gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik Deutschland.