CDU-Chef Der wandelbare Friedrich Merz
Zuerst der Besuch in Kiew, jetzt ein Treffen in Warschau: Merz treibt den Kanzler und die Ampel vor sich her. Doch der CDU-Chef lässt sich längst nicht mehr so einfach einordnen.
Eines muss man Friedrich Merz lassen: Er bleibt sich treu. Dass er zur Hochzeit von Christian Lindner im eigenen Privat-Flugzeug anreist: typisch Merz. Dass er Hohn und Spott ernten würde, wusste er, bevor er abhob, das war einkalkuliert. Mehr als das: Merz gefällt es zu provozieren - durch solche Bilder genauso wie durch verbale Attacken im politischen Alltag. Merz bleibt Merz: authentisch, wo immer er auftritt. Und doch ist er wandelbar.
Als Merz sein Amt als Parteivorsitzender der CDU übernahm, sagt er voraus, dass er Entscheidungen treffen werde, die kaum jemand von ihm erwarten würde. Und in seinem Umfeld munkelten einige, dass am Ende eher diejenigen enttäuscht sein könnten, die ihn zum Parteichef gewählt haben, als die, die ihn nicht gewählt haben. Und genau so könnte es kommen.
Merz und die Frauenqoute
In der CDU rumort es wegen der Frauenquote. Merz will mehr Frauen für die Partei gewinnen und hat seine einstige Abneigung gegen die Quote abgelegt. Im September soll der Parteitag darüber abstimmen. Dass es überhaupt dazu kommt, erzürnt ausgerechnet die größten Fans von Merz: die Mittelstandsunion und die Junge Union.
Ist das noch ihr Merz, der konservative Hardliner? Er ist es, sein politisches Profil passt eben nicht auf einen Bierdeckel. Merz hat erkannt, dass er keine Schubladenpolitik machen kann, wenn er die CDU wieder stark machen will. Daher wirbt er um mehr Frauen für die Partei, deshalb buhlt er um die Grünen. Das ist auch ein Punkt, der manchen im konservativen Lager Schmerzen bereitet - selbst in seiner Heimat, dem Hochsauerland.
Dort ringen einige mit sich und ihm, den sie doch am liebsten wie einen wahren Häuptling auf einem Schild über die Dörfer tragen würden. Dass die CDU in NRW mit den Grünen regiert, können manche immer noch nicht glauben, Merz hatte diese Koalition abgesegnet.
Merz spricht gern von sich. "Ich" ist sein bevorzugtes Pronomen. Die Wahlerfolge in Schleswig-Holstein und vor allem in Nordrhein-Westfalen schreibt er auch sich zu, was man ihm nicht verdenken kann. Bundesweit sehen alle Umfragen die Union vorn. Man hört so etwas wie Genugtuung heraus, wenn Merz sich dazu äußert. Er hat die Partei dorthin gebracht, davon ist er überzeugt.
Die andere Seite
Dass er selbst in Umfragen nur im hinteren Mittelfeld liegt, daran arbeitet er noch. Er bemüht sich, auch eine andere Seite zu zeigen. Beim Sommerfest der Unionsfraktion tanzte er zu Lady Bump von Penny McLean, ließ sich filmen und teilte die Bilder auf Instagram. Seine Botschaft: Seht her, so kann ich auch. Die einen staunten, die anderen spotteten.
Merz wird immer polarisieren, egal, was er tut. Er fuhr nach Kiew und brüskierte den Kanzler, weil er sich als Vermittler gab. Per Twitter teilte er mit: "Ich bin Präsident Selenskyj sehr dankbar, dass er meiner Bitte um eine Einladung des Bundespräsidenten gefolgt ist. Der Weg ist frei für persönliche Begegnungen des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers mit Präsident Selenskyj in Kiew." Das wurde allerdings von vielen als Anmaßung empfunden.
Gerade ist Merz nach Polen gefahren und viele witterten neuen Unmut. Aber nein. Merz macht es diesmal anders: keine Provokation, keine Polemik.
Merz ist der erste CDU-Vorsitzende, der von der Basis bestimmt wurde. Das Establishment hatte ihn zuvor verhindert, so hatte Merz es behauptet. Jetzt ist er selbst politisches Establishment, gibt als Oppositionsführer den Takt an. Bundestagsdebatten sind wieder hörenswert und hallen nach, wenn Merz den Kanzler attackiert, bleibt immer ein Echo.
Selbstreflexion und Selbstkritik
Merz treibt Olaf Scholz und die Ampel vor sich her. Dabei überzieht er auch schon mal, wenn er zum Beispiel nichts damit zu tun haben will, dass die Union ihren Anteil daran hat, dass die Deutschen so sehr von russischem Gas abhängen. Er persönlich war ja nicht dabei. Aber würde ein gewisses Maß an Selbstreflexion und Selbstkritik Merz' öffentliches Ansehen nicht weiter aufpolieren? Aber so viel Wandelbarkeit ist dann eben doch nicht.
In der Unionsfraktion stehen sie jedenfalls hinter ihm. Und manch einer träumt davon, dass in drei Jahren Merz auf der Regierungsbank sitzt, ganz auf dem Kanzlerstuhl. Merz will sich dazu noch nicht äußern. Nur, so ein Theater wie zwischen Markus Söder und Armin Laschet will er nicht noch einmal erleben. Wenn andere nach vorne drängen, würde er sich dann tatsächlich zurückziehen, um im Sauerland Golf zu spielen? Sein Handicap ist jedenfalls ausbaufähig.