Bundestag zu Migrationspolitik Harte Vorwürfe - und ein Angebot mit Bedingungen
Die Union hat im Bundestag einen eigenen "Deutschland-Pakt" zur Migrationspolitik eingebracht. Fraktionsvize Dobrindt attackierte die Regierung scharf. Ministerin Faeser konterte: Die Union betreibe Populismus.
Die Unionsfraktion im Bundestag hat sich grundsätzlich dazu bereit erklärt, mit der Ampelkoalition nach Lösungen in der Migrationspolitik zu suchen. Das Thema könne sich sonst "zu einem gesellschaftlichen Großkonflikt entwickeln", sagte Unionsfraktionsvize Alexander Dobrindt. Die Asylzahlen stiegen, Kommunen seien überlastet, die Akzeptanz schwinde - wenn dies die Grundlage sei, könne man einen Konsens bilden, sagte er.
Dobrindt kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD, der zwar einen "Deutschland-Pakt" vorgeschlagen hatte, dann aber nichts unternommen habe, um die "Worthülse" mit Leben zu füllen.
Die Union brachte nun einen eigenen Antrag für einen "Deutschland-Pakt" ein: Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten solle um Georgien, Moldau, Indien, Tunesien, Marokko und Algerien erweitert werden. An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz sollen Grenzkontrollen eingeführt werden. Mit relevanten Herkunftsstaaten sollten wirksame Vereinbarungen zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen abgeschlossen werden. Und: Bund und Länder sollten ihre Anstrengungen zu freiwilliger Rückkehr und Abschiebungen verstärken.
Der Regierung warf Dobrindt vor, erforderliche Maßnahmen zu blockieren. Vor allem die Grünen griff er scharf an und forderte Innenministerin Nancy Faeser von der SPD auf, "sich endlich vom grünen Gängelband" zu lösen. Die Grünen blockierten im Bundesrat die Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten, sagte Dobrindt.
Faeser weigere sich, auch an den Grenzen zu Polen und Tschechien stationäre Grenzkontrollen einzuführen. Zudem blockiere die Bundesregierung eine Einigung über eine neue europäische Asylpolitik, weil sie über das Europäische Parlament neue Forderungen aufstelle.
Faeser: "Unsere Maßnahmen wirken"
Faeser wies die Vorwürfe zurück und warf der Union Populismus vor. Sie mahnte, keinen Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen zu machen, die von Krieg und Terror bedroht seien.
Die Zahl der ankommenden Menschen sei alarmierend, räumte sie ein. Doch die Regierung handele: "Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration." So habe sie die Bundespolizei an den Grenzen zu Polen und Tschechien verstärkt, "und die machen erfolgreiche Schleierfahndung". Stationäre Grenzkontrollen - wie von Dobrindt gefordert - könnten zur Bekämpfung von Schleusern "partiell" sinnvoll sein, sagte sie.
Faeser widersprach zudem einem Medienbericht, wonach sie die im Koalitionsvertrag angekündigten Erleichterungen zum Familiennachzug von Flüchtlingen konkret angehen will. Die "Welt am Sonntag" hatte unter Berufung auf einen Referentenentwurf aus dem Innenministerium online berichtet, dass subsidiär Schutzberechtigte beim Familiennachzug künftig wieder anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt werden sollen.
Kritik von Linken und AfD
Die Linkspartei kritisierte bei der Debatte im Bundestag den Vorschlag der Union: Innenpolitikerin Clara Bünger warf CDU/CSU vor, "nur auf Abschottung und Entrechtung" zu setzen. Sie nannte es bezeichnend, dass die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und CDU-Chef Friedrich Merz geforderte Obergrenze von 200.000 Migranten pro Jahr in dem Antrag nicht enthalten sei. CDU und CSU wüssten natürlich, dass eine solche Obergrenze gegen das Recht auf Asyl und somit gegen das Grundgesetz verstoße.
Eine scharfe Begrenzung der Migration forderte die AfD. Mit Blick auf die auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa anlandenden Menschen sagte der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann: "Das sind Männer, vor denen wir Schutz brauchen." Er fügte hinzu, es müsse dagegen etwas getan werden, "denn die Masse zieht ja weiter, nach Deutschland, die Zahlen sind gigantisch". Die Folge seien hierzulande eine "wuchernde Parallelgesellschaft" und: "Überall werden Frauen bedrängt."
77 Prozent mehr Asylanträge als im Vorjahr
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben von Januar bis August dieses Jahres insgesamt 220.116 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Das entspricht einer Zunahme von 77,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zudem hat die Bundespolizei laut Faeser in diesem Jahr bis Ende Juli 56.052 unerlaubte Einreisen registriert.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff rechnet nach eigenen Angaben mit gravierenden Problemen, wenn die Entwicklung anhält. Menschen, die wirklich asylberechtigt seien und Hilfe benötigten, könne deswegen nicht mehr wirksam geholfen werden, sagte der CDU-Politiker der "Mitteldeutschen Zeitung". Zudem kämen Kommunen und Länder in eine Situation, "die sie nicht mehr bewältigen können".
Städtetag warnt vor weiterer gesellschaftlicher Spaltung
Der Deutsche Städtetag verlangte schnell mehr Hilfen des Bundes. Nötig sei bei der Finanzierung "endlich ein dauerhaftes System, das sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpasst und uns Planungssicherheit gibt", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der "Rheinischen Post". Hier müsse die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Scholz im November endlich liefern.
Auch er warnte davor, "dass der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Akzeptanz für die Aufnahme von Geflüchteten weiter schwinden, wenn sich die Entwicklung der letzten Monate unverändert fortsetzt".