Eine Debatte im Bundestag.
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Vorgezogene Bundestagswahl Ist eine schnellere Neuwahl überhaupt machbar?

Stand: 08.11.2024 12:21 Uhr

CDU-Chef Merz und CSU-Chef Söder fordern, Bundeskanzler Scholz müsse schnell die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, damit es schon im Januar eine Neuwahl gibt. Doch dabei gibt es einige Fristen zu beachten.

Von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

Nach dem Grundgesetz sind die Vorgaben eigentlich klar: Verliert der Bundeskanzler eine Vertrauensabstimmung im Bundestag, kann er dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Ob er den Vorschlag macht, liegt in seinem Ermessen.

Wenn der Vorschlag kommt, hat der Bundespräsident nach der Bundestagsabstimmung 21 Tage Zeit, zu entscheiden, ob er den Bundestag auflöst oder nicht. Macht er es, gibt es innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl. Würde Olaf Scholz also jetzt sofort die Vertrauensfrage stellen, könnte es Ende Januar bereits eine Neuwahl geben.

Im Bundeswahlgesetz stehen viele Fristen

Das sind allerdings nicht die einzigen zeitlichen Vorgaben für Neuwahlen. Auch im Bundeswahlgesetz stehen zeitliche Fristen, die Parteien einhalten müssen, wenn sie an der Bundestagswahl teilnehmen wollen.

Wichtig ist vor allem, dass die Parteien Zeit haben müssen, ihre Kandidaten für die Wahlkreise, also die Erststimmen-Kandidaten, aufzustellen und auch die Landeslisten. Sowohl Wahlkreiskandidaten als auch Landeslisten müssen von Parteiversammlungen demokratisch bestimmt werden. Und das braucht gewisse Zeit für die Vorbereitung.

Im Bundeswahlgesetz steht: Wahlvorschläge für die Wahlkreise und Landeslisten der Parteien sind spätestens am 69. Tag vor der Wahl schriftlich einzureichen. Im Anschluss muss der Bundeswahlausschuss über die Zulassung der Wahlvorschläge entscheiden. Er besteht aus der Bundeswahlleiterin, acht Beisitzerinnen und Beisitzern aus den Parteien und zwei Richterinnen beziehungsweise Richtern des Bundesverwaltungsgerichts.

Würde Scholz also schon nächste Woche die Vertrauensfrage stellen, hätten die Parteien nur etwa eine Woche Zeit, ihre Erststimmen-Kandidaten und ihre Wahllisten in allen Bundesländern aufzustellen.

Auch die Bundeswahlleiterin betonte im sozialen Netzwerk X, dass Wahlen einer angemessenen Vorbereitung bedürften.

Und es kommt noch eine weitere Frist hinzu: An einer Bundestagswahl nehmen ja auch kleine Parteien teil, die bisher nicht im Bundestag oder in Landesparlamenten vertreten waren. Sie müssen erst eine gewisse Anzahl von Unterschriften zusammenbekommen, bevor sie einen Wahlvorschlag einreichen dürfen.

Für diese kleinen Parteien gibt es eine spezielle Frist von 13 Wochen. Spätestens 13 Wochen vor der Wahl müssen sie beim Bundeswahlleiter schriftlich anzeigen, dass sie an der Bundestagswahl teilnehmen wollen.

Die Fristen können verkürzt werden

Alle diese Fristen sind bei Neuwahlen nach einer Vertrauensabstimmung in der Regel nicht einzuhalten. Deshalb steht im Bundeswahlgesetz in Paragraf 52 Absatz 3: Per Rechtsverordnung kann das Bundesinnenministerium die Fristen verkürzen.

Bei der letzten vorgezogenen Neuwahl 2005 wurde das auch so gemacht: Die Frist für kleinere Parteien, die ihre Teilnahme anzeigen wollen, wurde auf 47 Tage verkürzt. Die Frist für die Aufstellung von Listen und Kandidaten auf 35 Tage.

Der Eilantrag einer kleinen Partei in Karlsruhe, dass auch diese Fristen zu lang seien, wurde abgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht betonte damals, dass Fristen allgemein wichtig sind und nicht zu kurz bemessen sein dürfen, "um eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl gewährleisten und um allen Wahlberechtigten die Stimmabgabe ermöglichen zu können". Wenn die vorgesehenen Fristen zu stark verkürzt würden, könnte das verfassungsrechtlich unzulässig sein.

Rasche Wahlen bergen politische Risiken

Grundsätzlich sieht die Bundeswahlleiterin keine Hindernisse für eine rasche Neuwahl. Demgegenüber betont der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin im Gespräch mit der ARD-Rechtsredaktion, dass es nicht nur die großen etablierten Parteien in Deutschland gebe, sondern auch kleine, die mehr Zeit für die Vorbereitung einer Wahl brauchten. Beispielsweise müssten sie Unterstützerunterschriften sammeln, um überhaupt bei der Wahl antreten zu dürfen.

Die Bundestagswahl sei ein "hochkomplexer und in Deutschland dezentral organisierter Prozess". Wahlhelferinnen und Wahlhelfer müssten rekrutiert und geschult werden, damit die Wahl reibungslos funktioniere. Bei den Wahlen 2021 habe man in Berlin erlebt, dass eine gut funktionierende Wahl auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit sei.

Und da komme ein politischer Aspekt hinzu, meint Politikwissenschaftler Faas: "Wir erleben Zeiten, die sehr stark von populistischen Kräften beeinflusst werden, die das faire und reibungslose Funktionieren von Wahlen in Frage stellen." Denen sollte man durch mögliche Probleme bei zu rasch durchgeführten Wahlen nicht Vorschub leisten, so der Politikwissenschaftler.

Rein rechtlich gesehen wären schnellere Neuwahlen wohl machbar. Die gesetzlichen Fristen könnten verkürzt werden. Gleichzeitig brauchen demokratische Wahlen immer eine bestimmte Vorbereitungszeit, damit es am Wahltag nicht zu Unregelmäßigkeiten kommt. Die wären ein großes politisches und rechtliches Risiko.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. November 2024 um 12:30 Uhr.