Religiöse Minderheit im Irak Nordrhein-Westfalen schiebt keine Jesidinnen mehr ab
Als einziges Bundesland will NRW für drei Monate keine jesidischen Frauen und Kinder mehr in den Irak abschieben. Die Landesregierung verhängte einen entsprechenden Erlass. Die Minderheit sei erheblichen Gefahren ausgesetzt, hieß es zur Begründung.
Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland einen sofortigen Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder verhängt. Grundlage ist ein Erlass des zuständigen Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, wie mehrere Medien berichteten. Dieser verhindert eine Rückführung von Jesidinnen in ihr Herkunftsland - den Irak.
Die nordrhein-westfälische Fluchtministerin Josefine Paul sagte gegenüber dem "Spiegel", die Bundesländer seien eigenmächtig in der Lage, einen Abschiebestopp für eine Dauer von drei Monaten zu erlassen. Dieser könne danach noch einmalig verlängert werden, so die Grünenpolitikerin.
Berichte über Zwangsprostitution und Versklavung
"Die Berichte über die Situation für diese Gruppe im Nordirak sind besorgniserregend", erklärte Paul. "Die irakische Regierung ist laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes nicht in der Lage, den Schutz von religiösen Minderheiten in vielen Gebieten sicherzustellen." Insbesondere jesidische Frauen und Kinder seien im Nordirak erheblichen Gefahren ausgesetzt.
So sei es in den Siedlungsgebieten im Irak immer wieder zu Zwangsprostitution, Rekrutierung von Kindersoldaten und Versklavung gekommen. Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen seien zahlreiche Frauen durch IS-Terroristen verschleppt und verkauft worden.
Fluchtministerin Paul: Faeser zeigt sich untätig
Gegenüber "Neuen Ruhr Zeitung / Neuen Rhein Zeitung" kritisierte Paul, dass Bundesinnenministerin Nancy Faser bislang keinen bundesweiten Abschiebestopp für Jesiden verhängt habe. Sie selbst habe sich mehrfach dafür eingesetzt. "Aus der verheerenden menschenrechtlichen Situation, insbesondere für Frauen und Kinder, zieht Ministerin Faeser aber leider keine Schlüsse und zeigt sich untätig."
Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden mit mehreren Hunderttausend Mitgliedern. Sie leben vor allem im nördlichen Irak. Viele sind jedoch vor der Terrormiliz IS geflüchtet. Der jesidische Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum.
Bundestag verurteilte Verfolgung der Jesiden
Der Deutsche Bundestag hatte im Januar die Verbrechen des IS an den Jesiden als Völkermord anerkannt. Alle Mitglieder und Parteien stimmten dem Beschluss einvernehmlich zu. Nach Recherchen des ARD-Magazins Monitor wurden aber dennoch in den vergangenen Monaten wieder vermehrt Jesiden abgeschoben.
Hintergrund ist offenbar eine im Mai vereinbarte engere Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem Irak im Bereich Migration. Sie soll es vereinfachen, Asylsuchende aus dem Irak zurückzuführen.