Politischer Aschermittwoch Wahlkampf im Brennglas
Der politische Aschermittwoch zeigt: Die Flüchtlingspolitik wird im bayerischen Landtagswahlkampf wohl eine große Rolle spielen. Für CSU-Chef Söder eine Gratwanderung - nicht zuletzt wegen seines Koalitionspartners.
Gleich mehrmals schwärmt CSU-Generalsekretär Martin Huber beim politischen Aschermittwoch seiner Partei in Passau von den "gefühlt 10.000" Menschen im Saal. Natürlich weiß er genau, dass die Dreiländerhalle nur eine Kapazität von rund 4000 Sitzplätzen hat. Aber am Aschermittwoch geht es traditionell weniger um Fakten, sondern mehr ums politische Gefühl, um den emotionalen Schulterschluss zwischen Parteiführung und Basis - ganz besonders im Jahr der bayerischen Landtagswahl.
Parteichef Markus Söder nimmt sich für diese verbale Umarmung der Basis fast eineinhalb Stunden Zeit. Der Ministerpräsident weiß, was die CSU-Anhänger von ihm erwarten, und er bleibt es nicht schuldig: eine Generalabrechnung mit der Ampel im Bund ("schlechteste Bundesregierung, die Deutschland je hatte"), scharfe Attacken auf die Grünen ("die größten Spielverderber und Stimmungskiller der Nation") und Spott für das Land Berlin ("Hauptstadt der Chaoten"). Söder bekennt sich zum Auto und zum Fleischkonsum ("lieber Schweinsbraten statt Insekten oder Madenmüsli") - und begeistert die Menge mit Warnungen vor einer "Gender-Pflicht".
Migration als Wahlkampfthema
Der "grüne" Söder, der junge und weibliche Städter umgarnte, gehört der Vergangenheit an. Längst präsentiert er sich wieder als Verfechter konservativ-bürgerlicher Werte. Dazu gehört auch eine klare Linie in der Flüchtlingspolitik. Die CSU stehe zur Hilfe, sage aber "Nein zu illegaler Zuwanderung nach Deutschland", betont der Parteichef in Passau. Es ist für Söder eine Gratwanderung. Einerseits will er nicht die Fehler des Wahlkampfs von 2018 wiederholen, als er für seine Warnung vor "Asyl-Tourismus" heftige Kritik einstecken musste. Andererseits will er das Thema Migration nicht komplett anderen überlassen.
Da ist zum einen die AfD, die im jüngsten BayernTrend im Januar mit 13 Prozent ihr bisher bestes Umfrageergebnis überhaupt verbuchte. Deren Landeschef Stephan Protschka rief beim Aschermittwoch der AfD in Osterhofen den Slogan "Migranten-Stopp" in den Saal. Zum anderen setzen aber auch die Freien Wähler, mit denen die CSU im Freistaat koaliert, auf griffige Sprüche. Freie-Wähler-Chef und Vize-Ministerpräsident Huber Aiwanger betonte in Deggendorf, Asyl dürfe es nur für politisch Verfolgte geben, von Betrügern dürfe sich Deutschland "nicht verarschen lassen".
Auch Freie-Wähler-Chef Aiwanger setzt auf das Thema Migration.
"Kein Schwarz-Grün in Bayern"
Söder warnt den Koalitionspartner davor, mit AfD-Positionen zu flirten. "Wer Schmutz anfasst, fängt irgendwann zu stinken an." Das Bündnis mit den Freien Wählern möchte er nach der Wahl im Oktober aber fortsetzen - aktuelle Umfragen sehen dafür eine komfortable Mehrheit. So bekräftigte der CSU-Chef in Passau: "Wir machen kein Schwarz-Grün in Bayern."
Für die Grünen, klar zweitstärkste Partei im Freistaat, ist die angestrebte Regierungsbeteiligung somit derzeit in weiter Ferne. Ihre Hoffnung für die nächsten Monate ist, dass Frühling und Sommer die Energie-Sorgen der Menschen vertreiben, die Stimmung in der Bevölkerung sich aufhellt, der bundespolitische Gegenwind abflaut. Die beiden Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann versuchen sich als teamfähigen Gegenentwurf zu Söders "Ego-Show" zu präsentieren - in Deggendorf teilen sie kräftig gegen den "Möchtegern-Kanzler" aus. Bundeschefin Ricarda Lang dagegen fremdelt erkennbar mit dem bierseligen Polit-Spektakel Aschermittwoch.
Gegenentwurf zu Söders "Ego-Show"? Die Grünen präsentieren sich als Team.
SPD gibt sich angriffslustig
Ohne bundespolitische Prominenz bleibt die Aschermittwoch-Kundgebung der SPD in Vilshofen. CSU-General Huber spottet, die Bayern-SPD sei für die Bundespartei die "bucklige Verwandtschaft, die gerne mal ignoriert wird". Die bayerischen Genossen aber versichern unisono, der Landesverband habe bewusst den Fokus auf den eigenen Landeschef und Spitzenkandidaten Florian von Brunn gerichtet. Dahinter könnte das Bestreben stecken, von Brunns Bekanntheit zu steigern: Denn fast zwei Drittel der Bayern kennen ihn nicht oder haben keine Meinung zu ihm.
Nachdem die bayerische SPD 2018 mit den eher leisen Tönen von Natascha Kohnen abgestürzt war, ist mit von Brunn die Abteilung Attacke zurück. In Vilshofen präsentiert er sich gewohnt angriffslustig, spottet über Selfie-Söder und geißelt dessen gebrochene Versprechen. "Wir brauchen in Bayern keinen selbsternannten Märchenkönig mehr - der in Wirklichkeit nur ein Märchenerzähler ist!" Auf die Umfragewerte hatte von Brunns Streitlust bisher keinen Effekt: Mit neun Prozent lagen die Sozialdemokraten zuletzt nur auf Rang fünf im Freistaat.
Streitlustig, aber derzeit weithin unbekannt: SPD-Landeschef von Brunn.
FDP versucht es mit Selbstironie
Noch schwieriger ist die Ausgangslage der Liberalen: Bei vier Prozent lagen sie zuletzt. Damit könnte Bayern nach Niedersachsen und Berlin das dritte Bundesland in Folge werden, in dem die FDP aus dem Landesparlament fliegt. Spitzenkandidat Martin Hagen machte dafür jüngst Einflüsse des Bundestrends verantwortlich. Bundeschef Lindner versucht es in Dingolfing mit Selbstironie: "FDP ist eben, wenn Du das Abenteuer suchst."
So überrascht es wenig, dass die Stimmung bei der CSU am Aschermittwoch deutlich ausgelassener ist als bei der FDP. Die christsoziale Basis feiert Söders Auftritt mit mehr als sechsminütigem Applaus und Sprechhören - es ist die von General Huber zu Beginn beschworene Südkurven-Atmosphäre. Auch wenn es weniger als 10.000 CSU-Fans sind.