Kommunalwahlen in Sachsen Druck von ganz rechts
In Sachsen stellt die CDU alle Landräte. Doch bei den Kommunalwahlen könnte sie erstmals Posten an die AfD verlieren. Außerdem droht neue Konkurrenz - von noch weiter rechts.
Ein weißes Wohnmobil, das mit zahlreichen Aufklebern beklebt ist, steht an einem sonnigen Vormittag auf einem zentralen Parkplatz in Pirna am Rande der Sächsischen Schweiz. "Aus Liebe zur Heimat" und "mobiles Bürgerbüro" ist unter anderem auf dem Wohnmobil zu lesen.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann tourt durch den Landkreis. Er ist einer von vier Kandidaten für die Landratswahl am 12. Juni. Für den Posten, der nur alle sieben Jahre vergeben wird, würde er sogar sein Mandat als direkt gewählter Landtagsabgeordneter aufgeben, erklärt Teichmann den Bürgern, die bei ihm im Wohnmobil Platz genommen haben: "Wir sind halt nur Opposition, da können wir nichts entscheiden. Es ist ein Unterschied, ob ich selber als Landrat Leiter einer Behörde bin, wo ich dann sage, bevor eine Entscheidung nach draußen geht, kommt die über meinen Tisch."
Rückendeckung bekommt Teichmann auch vom Fraktionsvorsitzenden und Landeschef der AfD, Jörg Urban. Dieser unterstützt alle sechs AfD-Landtagsabgeordneten, die in ihren Landkreisen als Kandidat für die Landratswahlen ins Rennen gehen - auch wenn ihre Stühle im Landtag im Falle eines Erfolges unbesetzt bleiben würden. Die AfD-Fraktion hat durch ein Gerichtsurteil zur Aufstellung ihrer Landesliste keine Nachrücker. "Wir machen das trotzdem gerne, weil wir als Fraktion immer noch groß genug sind, um Sonderinstrumente wie einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Ich freue mich über jeden Kandidaten, der es schafft. Schon ein einzelner wäre ein riesiger Erfolg für uns", sagt Urban.
Ein AfD-Politiker nach dem anderen
In jedem Falle unterstützt die AfD ihre Kandidaten für die Landratswahl so sehr wie keine andere Partei. Ein Bundespolitiker nach dem anderen kommt zu Wahlkampfveranstaltungen. Die stellvertretende Bundessprecherin Beatrix von Storch schwärmte beispielsweise in Olbernhau, dass Sachsen zum konservativen Leuchtturm für Europa werden würde, wenn es hier erstmals gelänge, dass ein AfD-Kandidat in Verwaltungsverantwortung gewählt würde.
Der Kandidat Teichmann in der Sächsischen Schweiz wollte seine Erfolgschancen auf eine ganz eigene Weise steigern. Gegen ihn tritt unter anderem auch Andreas Hofmann für die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei Freie Sachsen an. Hofmann behauptet, dass Teichmann ihn als Konkurrenten quasi herauskaufen wollte: "Er hat mir angeboten, ich solle doch freiwillig zurücktreten von meiner Kandidatur und dafür kann ich seinen Wahlkampf machen für viel Geld. Das habe ich dankend abgelehnt."
Die Konkurrenz von rechts
Teichmann bestreitet, dass er Hofmann viel Geld angeboten habe, wenn dieser auf seine Kandidatur verzichte. Gleichwohl bestätigt Teichmann, dass er Hofmann in einem Telefonat gesagt habe, dass es nicht förderlich sei, wenn die Opposition sich gegenseitig Stimmen wegnimmt. Auch den möglichen Auftrag für einen Werbespot habe er erwähnt, so der AfD-Politiker.
Der Vorfall zeigt beispielhaft, dass die Konkurrenz von rechts die AfD durchaus umtreibt. In drei Landkreisen gibt es sowohl Landratskandidaten von der AfD als auch von den Freien Sachsen. "Wenn die Freien Sachsen zehn Prozent kriegen, dann fehlen die zehn Prozent der AfD. Die beiden kämpfen schon um dasselbe Wählerspektrum, sagt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen. "Das weist übrigens darauf hin, dass wir in Sachsen durchaus davon sprechen können, dass wir seit vielen Jahren zehn bis 20 Prozent Menschen haben, die neonazistischen Parteien ihre Stimme geben würden."
Wo der Amtsinhaber-Bonus nicht mehr zieht
Bei dem Wettkampf um die Landratsposten in Sachsen wird es dieses Mal um jeden Prozentpunkt gehen. Bei der Wahl vor sieben Jahren konnten die Kandidaten der CDU sich in allen Landkreisen durchsetzen, zum Teil mit der absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang. Doch sechs altgediente CDU-Landräte, die die Posten zum Teil seit 20 oder 30 Jahren innehatten, treten nicht wieder an. Der Amtsinhaber-Bonus für die CDU wird also kaum ziehen. Zudem hat sich die politische Stimmungslage grundlegend verändert.
Bei der Bundestagswahl 2021 beispielsweise lag die AfD bei Erst - und Zweitstimmen vor der CDU. Die Landratswahl gilt deshalb auch als Stimmungstest für die Politik von Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Doch Kretschmer wirkt seltsam defensiv, wenn er auf die Bewährungsprobe Landratswahlen angesprochen wird: "Es wäre schön, es wäre uns gelungen, einige Frauen unter den Kandidaten zu haben, das ist ein Manko. Aber ansonsten ist auch dieser Generationswechsel jetzt gut. Am Ende wird es einige sehr erfahrene Kollegen und viele jüngere geben. Es findet ein engagierter Wahlkampf vor Ort statt, die Leute sind von früh bis abends unterwegs."
Spülmittel und Gesichtsmasken
Das gilt auch für den CDU-Landtagsabgeordneten Stephan Meyer. Seit fast schon einem Jahr arbeitet der Mann aus Oderwitz in der Lausitz daran, sich als möglicher neuer Landrat für den Kreis Görlitz bekannt zu machen. Auch hier tritt der Amtsinhaber nicht erneut an. Meyer hat für seinen Wahlkampf sogar frühzeitig den einflussreichen Posten als parlamentarischer Geschäftsführer in der Landtagsfraktion aufgegeben.
Wenn er jetzt auf den Wochenmärkten in der Region unterwegs ist, muss er oft zunächst erklären, um was es bei der jetzigen Wahl eigentlich geht. Dass nicht die Welt - oder Bundespolitik zur Abstimmung steht: "Ich denke, es ist wichtig zu sagen, es geht nicht um die CDU, sondern um den Landkreis Görlitz, wie er in Dresden und Berlin wahrgenommen wird", sagt er. "Ich glaube, es ist entscheidend, dass die Mehrheit der Menschen versteht, es geht um sie selber, um die Heimat und wem traut sie es zu, Ergebnisse zu erreichen."
Unverdrossen verteilt Meyer kleine Fläschchen mit Spülmittel und Gesichtsmasken, lädt zum Pendlerkaffee am Görlitzer Bahnhof oder zum Lagerfeuer an einer Baude im Zittauer Gebirge. Bis zum ersten Wahlgang hat der CDU-Kandidat fast jeden Tag einen solchen Termin in seinem Wahlkreis. Kurzfristig hat sich auch noch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz zu einer zentralen Veranstaltung in Dresden angekündigt, kurz vor dem Urnengang.
Die AfD rührt schon lange die Werbetrommel für ihre große Wahlkampfabschlussveranstaltung auf einem zentralen Platz in Görlitz mit den Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.