Polizisten durchsuchen ein Objekt um Rahmen einer Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen in Sachsen.
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Nach Terrorrazzia in Sachsen Verstörende Gewaltfantasien

Stand: 07.11.2024 14:35 Uhr

Am Dienstag hatte der Generalbundesanwalt die "Sächsischen Separatisten" ausheben lassen, die sich auf eine gewaltsame eigene Staatsgründung vorbereitet haben sollen. Nach ARD-Recherchen bekamen die Ermittler Einblick in eine verstörende Gedankenwelt.

Von Michael Götschenberg, ARD-Hauptstadtstudio, Holger Schmidt, SWR, ARD-Sicherheitsexperten

Irgendwann haben sie ihren Hass mit der falschen Person geteilt. Schon seit Ende 2020 sollen die mutmaßlichen Mitglieder der "Sächsischen Separatisten" in virtuellen Chats über ihre Pläne geschrieben und sich in Gewalt- und Ausrottungsfantasien ergangen haben.

Darüber, wie man vorgehen werde, wenn die verhasste Bundesrepublik Geschichte sei. Wie man im "Häuserkampf" bestehen könne und wie man "die Juden" ausrotten wolle. "Boogaloo" nannten sie diese Phase - so wie US-amerikanische Rechtsextremisten ihre Vorstellung eines "zweiten Bürgerkriegs" nennen.

Immer größer wurde die Gruppe, die zunächst vor allem aus drei Brüdern bestanden haben soll, deren Vater in Österreich als bekannter Rechtsextremist gilt und deren Großvater Ende der 1990er-Jahre in Niederösterreich FPÖ-Vorsitzender (Parteiobmann) war. Doch irgendwann wurde auch das Bundesamt für Verfassungsschutz auf die radikalen Chats aufmerksam und las mit, was in den Chats diskutiert wurde. Und Anfang 2024 tauchte dann ein neuer Name in der Gruppe auf. Es handelte sich um einen Vertrauensmann der Sicherheitsbehörden.

SS - so wie die Schutzstaffel

Der Beschuldigte Jörg S. soll es gewesen sein, der im Mai 2024 der Vertrauensperson (VP) brühwarm von den bereits erfolgten und noch geplanten Aktivitäten der Gruppe erzählte: Von dem verlassenen Flugplatzgelände aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, auf dem man Häuserkampf und taktisches Kämpfen trainiere. Von den 15 bis 20 Kameraden, die man schon gewonnen habe und von den Plänen, wie man in den ostdeutschen Bundesländern einen eigenen Staat errichten wolle, wenn der "Tag X" erst einmal gekommen sei.

Auch den Namen der Gruppe soll Jörg S. der VP erklärt haben. "Saxon Separatists" - also sächsische Separatisten - und abgekürzt SS, so wie die "Schutzstaffel" des Dritten Reiches - also das Terror-Instrument der NSDAP und des NS-Staats.

Auch wenn das neue Staatskonstrukt offenbar besonders deutsch sein sollte, gefielen der Gruppe amerikanische Ausdrücke wohl besonders gut. Nicht nur "Saxon Separatists" und Boogaloo waren ständige Redewendungen. Auch der Tag, an dem die Bundesrepublik untergehen werde und der auf Deutsch oft auch "Tag X" genannt wird, bekam in der Gruppe einen englischen Ausdruck: "When shtf", was wohl "when shit hits the fan" bedeutet und auf Deutsch am besten mit "wenn die Kacke am Dampfen ist" übersetzt werden kann.

Warnschuss für AfD-Kommunalpolitiker

Am Dienstag nahmen mehr als 400 Polizeikräfte acht mutmaßliche Mitglieder der Gruppe fest und durchsuchten bei weiteren Beschuldigten und auch bei Unbeteiligten Wohnungen. Sie fanden Waffen, Munition, Messer, Ausrüstungsgegenstände und elektronische Geräte, die Auswertung dauert an.

Einer der Festgenommenen, der sächsische AfD-Kommunalpolitiker Kurt H., erkannte offenbar schon vor dem geplanten Zugriff, dass die Spezialeinheit GSG 9 sich vor seinem Haus befand. Daraufhin soll er eine scharfe Waffe genommen und aus einem Hinterausgang des Hauses gerannt sein, heißt es in Ermittlungskreisen. Doch wie bei solchen Zugriffen üblich, hatte die Polizei das Gelände vollständig umstellt.

Ein Beamter der Bundespolizeieinheit "BFE+" für besondere Lagen gab mindestens einen Warnschuss ab. H. wurde am Kiefer getroffen, möglicherweise durch einen Splitter der Polizeipatrone. Er kam ins Krankenhaus und musste operiert werden. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat wegen des Vorfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Kein aktiver Umsturz, aber hohe Militanz

Vergleicht man die Vorwürfe gegen die mutmaßlichen "Sächsischen Separatisten" mit denen gegen andere Umsturzgruppen, wie etwa die mutmaßliche Verschwörung rund um Prinz Reuß oder die "Vereinigten Patrioten", die offenbar Karl Lauterbach entführen wollten, so wird schnell ein Unterschied deutlich: Im Gegensatz zu den anderen Gruppen lautet der Vorwurf gegen die "Sächsischen Separatisten" nicht, dass sie selbst den Umsturz auslösen wollten.

Sie sollen einen Kollaps des Landes aber für unausweichlich gehalten und für die Zeit danach ihre Pläne gehabt haben: ein eigenes Staatsgebiet in Ostdeutschland, eine "Säuberung" von Juden und Migranten, sowie von einem "Holocaust" war die Rede, der unweigerlich auch Tote mit sich bringen werde.

Aktuell sitzen sechs der Beschuldigten in Deutschland in Untersuchungshaft. Ein Beschuldigter wurde in Polen festgenommen, seine Auslieferung wird beantragt. Kurt. H. wurde der Haftbefehl durch einen Ermittlungsrichter im Krankenhaus eröffnet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Das war der Tag" am 05. November 2024 um 23:40 Uhr.