Scholz würdigt Selenskyj in Aachen "Wir stehen zusammen"
Der ukrainische Präsident Selenskyj ist in Aachen mit dem Karlspreis geehrt worden. In seiner Laudatio würdigte Kanzler Scholz den Freiheitswillen des ukrainischen Volkes. Selenskyj dankte Scholz für die Waffenlieferungen.
Auszeichnung für die Verdienste um Europa: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Nachmittag in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden. Die Ehrung erhält er zusammen mit seinem Volk, das nicht nur die Souveränität seines Landes und das Leben seiner Bürger verteidige, "sondern auch Europa und die europäischen Werte", so die Begründung.
Standing Ovations im Krönungssaal
Selenskyjs Teilnahme an der Zeremonie in Aachen war monatelang ungewiss gewesen. Dann aber betrat er am Nachmittag den mittelalterlichen Saal, in dem die Gäste schon warteten - gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz war er zuvor aus Berlin nach Nordrhein-Westfalen geflogen. Bei seinem Eintritt in den Saal bekam Selenskyj Standing Ovations. Die Zeremonie im Krönungssaal des Aachener Rathaus wird von extrem strengen Sicherheitsauflagen begleitet.
"Europa hat dem ukrainischen Volk und ganz persönlich dem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sehr viel zu verdanken", sagte Scholz
Scholz dankt Selenskyj
In seiner Laudatio dankte Kanzler Scholz dem ukrainischen Präsidenten und seinem Volk für die Verteidigung gemeinsamer europäischer Werte. Der SPD-Politiker erinnerte daran, wie Selenskyj am Morgen des russischen Angriffs mit wirkmächtigen Worten den Widerstand bekräftigt habe. "Der Präsident ist hier. Wir alle sind hier", zitierte Scholz auf Ukrainisch aus der ersten Videobotschaft Selenskyjs am 24. Februar 2022 und unterstrich: "Wohl selten in der Geschichte hatten so knappe Worte so große Wirkung."
Es sei augenblicklich klar gewesen, dass das ukrainische Volk nicht vor Russlands Gewalt weichen, sondern widerstehen werde. "Der Freiheitswille und die Widerstandskraft in dunkler Zeit spenden Hoffnung und Inspiration weit über die Ukraine hinaus", sagte Scholz. An der Spitze der Ukraine verteidige Selenskyj "die Werte, für die Europa steht". Europa habe dem ukrainischen Volk und ganz persönlich dem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sehr viel zu verdanken. Der Krieg zeige für die Ukraine und für die Europäische Union: "Wir stehen zusammen! Wir gehören zusammen! Und: Unsere Geschichte wird gemeinsam weitergehen."
Der ukrainische Präsident Selenskyj erhält den Karlspreis von Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen.
"Ukraine ist Teil unserer europäischen Familie"
Die Verleihung des Karlspreises an Selenskyj und sein Volk bezeichnete Scholz als Auftakt für das weitere Zusammenwachsen in Europa. "Falls Wladimir Putin geglaubt hat, er könnte die ukrainische Nation mit Gewalt von ihrem Weg nach Europa abbringen, dann hat er - mit all seinen Panzern, seinen Drohnen und Raketenwerfern - nichts als das Gegenteil bewirkt."
Der Krieg habe die Europäische Union und die Ukraine zugleich so eng zusammengebracht wie nie zuvor. Die Ukraine könne sich weiterhin "auf unsere volle Unterstützung verlassen". Dies gelte auch für die Bestrebungen Kiews, Mitglied der EU zu werden. "Die Ukraine ist Teil unserer europäischen Familie", betonte der Kanzler.
Lob für Scholz und die "Zeitenwende"
Selenskyj bedankte sich für den Preis. Man stehe im Krieg gegen Russland einem Aggressor gegenüber, der die Geschichte zurückdrehen wolle und "zu jeder Grausamkeit und Gemeinheit" fähig sei. Mit Blick auf Scholz lobte er die Entscheidung zur "Zeitenwende" und die militärische Unterstützung für die Ukraine. Seine Dankesrede hielt er zunächst auf Englisch und wechselte dann ins Ukrainische.
Selenskyj bekräftigte seine Forderung nach einem Beitritt seines Landes zur EU und zur NATO. "Die EU wird nicht vollständig sein ohne die Ukraine." Es gebe auch keine rationalen Gründe, der Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO zu verweigern.
Voriges Jahr hatten die belarusische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und zwei Mitstreiterinnen den Karlspreis bekommen. Auch Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Papst Franziskus sind Preisträger.
Erster Deutschland-Besuch seit Kriegsbeginn
Selenskyj war am Morgen zu seinem ersten Deutschland-Besuch nach Beginn des russischen Angriffskriegs in Berlin eingetroffen und von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz empfangen worden. Er freue sich, Selenskyj in Berlin begrüßen zu können, sagte Scholz bei einer Pressekonferenz. Er sprach von einem "starken Signal", verurteilte die russische Invasion und würdigte den Widerstand der Ukrainer, die sich "unbeugsam und heldenhaft dieser brutalen Aggression" entgegenstellten.
"Wir unterstützen euch solange, wie es nötig sein wird", versicherte der Kanzler. "Und wir lassen in unserer Unterstützung nicht nach", so Scholz weiter. Der Kanzler sprach auch das neue Rüstungspaket in Höhe von 2, 7 Milliarden Euro für die Ukraine an. Zu den geplanten Lieferungen gehören unter anderem Flugabwehrsysteme, Panzer und Munition.
Selenskyj würdigte die zusätzliche militärische Hilfe als "sehr wichtige und starke Hilfe" für sein Land. "Der Umfang der deutschen Hilfe ist der zweitgrößte nach den USA", sagte er. Gleichzeitig bedankte er sich bei Deutschland für die Unterstützung: "Vor allem möchte ich dir, Olaf, herzlich danken und dem gesamten deutschen Volk für eure Hilfe."
Selenskyj will Kampfjet-Koalition
Zugleich bat Selenskyj Deutschland, sein Land zusammen mit anderen Partnern durch die Lieferung moderner Kampfjets zu unterstützen. Die Ukraine arbeite während seines Besuchs in europäischen Hauptstädten daran, "eine Kampfjet-Koalition zu schaffen", so Selenskyj weiter. Er werde sich auch an die deutsche Seite wenden mit der Bitte, die Ukraine in dieser Koalition zu unterstützen. Scholz äußerte sich dazu zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. Gerade was die Luftverteidigung betreffe, seien dies sehr moderne Waffen.
Dank für "fantastische Solidarität"
Am Morgen hatte Bundespräsident Steinmeier Selenskyj in seinem Amtssitz Schloss Bellevue empfangen. Auch dort dankte Selenskyj Deutschland für die Unterstützung im Abwehrkampf gegen den Angriffskrieg Russlands. "In der schwierigsten Zeit in der modernen Geschichte der Ukraine hat sich Deutschland als unser wahrer Freund und verlässlicher Verbündeter erwiesen, der im Kampf für die Verteidigung von Freiheit und demokratischen Werten entschieden an der Seite des ukrainischen Volkes steht", schrieb er auf Englisch ins Gästebuch.
Er dankte zudem Steinmeier für dessen "persönliche Unterstützung der Ukraine" und dem deutschen Volk für dessen "fantastische Solidarität". Auf Deutsch fügte Selenskyj hinzu: "Danke Deutschland!".
Zum Autakt seines Deutschlandbesuchs ist der ukrainische Präsident Selenskyj von Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen worden.
Selenskyj war am frühen Morgen aus Rom kommend zu seinem ersten Besuch in Deutschland nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine eingetroffen. Wegen des Besuches waren die Sicherheitsmaßnahmen in Berlin verstärkt worden. Noch am Abend wird Selenskyj in Paris erwartet.