Ukrainische Frühjahrsoffensive Was bringen die westlichen Waffen?
In diesen Wochen liefert der Westen neue Waffen zur Unterstützung der erwarteten ukrainischen Frühjahrsoffensive. Können sie beim Versuch der Rückeroberung besetzter Gebiete entscheidende Vorteile verschaffen?
Noch ist unklar, wann die von vielen erwartete ukrainische Frühjahrsoffensive tatsächlich beginnt. Lange diskutierte und zögerte der Westen - im Januar schließlich kündigten Deutschland, weitere europäische Länder und die USA an, Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken.
Jetzt sind 18 deutsche "Leopard 2"-Panzer da, mit Munitions- und Ersatzteilpaketen und mit in Deutschland ausgebildeten Besatzungen. Auch andere europäische Länder haben bereits "Leoparden" geliefert oder planen, dies zu tun. Insgesamt sind es mindestens zwei Bataillone, nach ukrainischer Zählart also mehr als 60 Stück. Hinzu kommen mindestens 14 britische "Challenger"-Panzer und später auch 31 "Abrams"-Kampfpanzer aus den USA.
Große Erwartungen an den "Leoparden"
Die Erwartungen an diese modernen Waffen sind riesig, die Hoffnung, dass sie bei einer möglichen ukrainischen Frühjahrsoffensive eine Wende im Krieg bringen könnten, ist groß. Der "Leopard 2" gilt als einer der besten Kampfpanzer der Welt. Er ist sehr beweglich und kann sogar beim Fahren auf große Entfernung schießen und treffen.
Zwar ist er schwer, aber im Vergleich zum stärker gepanzerten "Challenger 2" und "Abrams" ein Leichtgewicht - ein Vorteil bei der Beweglichkeit. Außerdem lässt sich der "Leopard" leichter reparieren. Die Besatzung ist besser geschützt als in den "T"-Modellen der Russen.
"Marder" aus dem Kalten Krieg
Doch ist der "Leopard 2" eine "Wunderwaffe", wie viele meinen? "Nein", beteuert der Militäranalyst Franz-Stefan Gady: "Wunderwaffen gibt es nicht." Und Christian Mölling, Sicherheitsexperte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, fügt hinzu: Der "Leopard" könne bei einer Frühjahrsoffensive zwar "eine Türöffner-Funktion" haben, aber der Gegner könne sich darauf etwa mit Panzersperren vorbereiten. Auch "Leoparden" könnten brennen. Jedes Waffensystem sei am Ende auch verletzlich, so Mölling.
Zum deutschen Panzer-Paket gehören auch 40 Schützenpanzer "Marder". Sie stammen aus Zeiten des Kalten Krieges, wurden aber mehrfach modernisiert und haben sich beim Einsatz in Afghanistan bewährt. Neben den deutschen "Mardern" wurden von den USA ebenfalls Schützenpanzer vom Typ "Bradley" versprochen.
Schützenpanzer haben eine kleinere Kanone und eine schwächere Panzerung als Kampfpanzer. Sie bringen Infanteristen aufs Gefechtsfeld und unterstützen den Vorstoß der schwereren Kampfpanzer.
Raketensystem mit großer Reichweite
Große Hoffnungen setzen die Ukrainer für eine Gegenoffensive auch auf das US-Waffensystem "GLSDB" ("Ground Launched Small Diameter Bomb"). Es hat eine große Reichweite von rund 150 Kilometern und gilt als schwer abfangbar. Ob es von den Amerikanern bereits an die Ukraine geliefert wurde, ist unklar. Vor einigen Tagen behauptete Russland, eine Rakete dieses Typs abgeschossen zu haben. Diese Information lässt sich nicht überprüfen.
Schon länger ist die Ukraine im Besitz des US-amerikanischen HIMARS-Systems. Die Munition des Raketenwerfers hat eine hohe Treffgenauigkeit und immerhin eine Reichweite von 80 Kilometern. HIMARS hatte die russischen Streitkräfte bereits dazu gezwungen, ihre Waffen- und Munitionsdepots ins Hinterland zu verlegen. Mit GLSDB könnte es für den russischen Nachschub noch schwieriger werden.
Pionier-Gerät "enorm wichtig" für Offensive
Für weniger öffentliches Aufsehen sorgt das sogenannte Pioniergerät, das eingesetzt wird, um das Vorankommen der eigenen Truppe zu fördern, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und die Bewegung des Feindes zu stören. Das sei "enorm wichtiges Material" für eine Offensive, so die Einschätzung von Gady, zumal die ukrainischen Streitkräfte hier ein Defizit hätten. Das könne dazu führen, dass die Offensive langsamer vorangeht.
Die Bundesregierung hat bereits drei "Dachs"-Panzer geliefert, weitere sollen folgen. Sie können unwegsame Flächen befahrbar machen und für Räum-, Bagger- und Bergearbeiten eingesetzt werden.
Auch 26 Biber-Brückenlege- und 42 Minenräumpanzer stehen auf der deutschen Lieferliste. Sie sind entscheidend, um bei einer Offensive Gewässer zu überwinden, von denen es in der Ukraine viele gibt, oder um zurückeroberte Gebiete von Minen zu räumen.
"Zu spät und zu gering ausgerüstet"
Doch können die neuen Waffen ein "Game-Changer" bei der erwarteten ukrainischen Offensive sein? Voraussetzung dafür wäre unter anderem, dass sie in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden. Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, hat bereits vor Längerem genaue Angaben dazu gemacht, was benötigt wird: mindestens 300 Kampfpanzer, 600-700 Schützenpanzer und 500 Artilleriesysteme. Zahlen, von denen die Ukraine nach jetzigem Stand weit entfernt ist.
Mölling kritisiert zudem: "Der Westen hat es verschlafen, die Ukraine rechtzeitig auszurüsten. Hätten wir schon im Herbst mit der Lieferung von Panzern begonnen und die ukrainischen Soldaten ausgebildet, dann könnten sie jetzt losschlagen."
Prognosen zum Ausgang der Offensive schwierig
Über den Erfolg oder Misserfolg einer Offensive, da sind sich die Experten einig, entscheiden niemals die Waffen alleine, egal wie modern oder effektiv sie sind. Andere Faktoren spielen eine ähnlich große Rolle, etwa die Kampfmoral, die Qualität der Ausbildung, die Organisation der Truppen, die Wetterbedingungen und die Versorgung mit Sprit, Ersatzteilen und vor allem mit Munition.
150.000 bis 200.000 schwere Artilleriegeschosse pro Monat bräuchten die Ukrainer für eine Offensive, schätzt Gady. Endscheidend für den Erfolg sei aber die "Königsdisziplin", der "Kampf der verbundenen Waffen", so Gady. Dabei geht es darum, den Einsatz der verschiedenen Waffengattungen mit ihren unterschiedlichen Stärken möglichst effektiv zu koordinieren.
Beide Experten, Gady und Mölling, wollen keine Prognose zum Ausgang der Offensive wagen. Ein Krieg "biete immer viele Überraschungen, sei komplex und schwierig", so Mölling. Und schließlich dürfe man auch die Anpassungsfähigkeit der russischen Streitkräfte nicht unterschätzen.