
SPD und BSW in Brandenburg Zum Erfolg verdammt
SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht koalieren in Brandenburg geräuschlos miteinander. Innenpolitisch haben sie viele Gemeinsamkeiten. Knirscht es nun bei der Abstimmung zur Aufrüstung im Bundesrat?
"Eines kann man feststellen: Eine große Begeisterung füreinander gab es damals nicht unbedingt." So schaut Ministerpräsident Dietmar Woidke auf die Anfänge der in der Politiklandschaft eher neueren Koalitionsvariante - dem Bündnis aus SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg.
In Thüringen regiert noch eine Koalition von CDU, BSW und SPD. An weiteren Regierungen ist das BSW nicht beteiligt.
Aus den Vorbehalten, die es auf beiden Seiten gab, ist offenbar eine vertrauensvolle Zusammenarbeit geworden. Dieser Eindruck soll zumindest vermittelt werden. Das sei etwas "Besonderes" so Woidke. Es hatte nach der Wahl in Brandenburg allerdings auch keine Alternative gegeben, erzählt er. Rein rechnerisch ging nur diese Koalition.
Wohlbekannte BSW-Mitglieder
Zwar gab es die genannten Vorbehalte, aber fremd war man sich nicht. Der einstige Arbeitsrichter Robert Crumbach, der schon 1991 vom Westen in den Osten zog, war jahrzehntelang SPD-Mitglied. Er war Chef des SPD-Ortsvereins von Potsdam, und arbeitete kurz in der SPD-Landtagsfraktion. Sie waren also mal allesamt Genossen, die Brandenburger Sozialdemokraten und Robert Crumbach. Bis er im letzten Jahr aus der SPD austritt und in geradezu rasender Geschwindigkeit in Schwedt zum Landeschef des BSW ernannt wurde.
Ähnlich verhält es sich mit der Gesundheitsministerin Britta Müller. Sie saß sogar von 2014 bis 2019 für die SPD im Brandenburger Landtag. Fast 20 Jahre war sie SPD-Mitglied, bis sie im vergangenen Jahr beschloss, die Partei zu verlassen. Das BSW schlug sie als Ministerin vor, was sie dann auch wurde. Bisher ist sie parteilos. So sind mit zwei ehemaligen SPD-Mitgliedern zwei Abtrünnige, aber Wohlbekannte in der gemeinsamen Regierung.
Die junge Partei mit der alten Partei
Der neue Landesfinanzminister Crumbach erinnert bei der Bilanz-Pressekonferenz daran, wie wenig Zeit er und seine Partei in Brandenburg hatten. "Ein BSW-Monat sind sieben Menschenmonate", sagt er und betont, dass ja der Landesverband erst im vergangenen Jahr gegründet wurde. Für die Wahl hätte man zudem noch Unterschriften sammeln müssen und man habe damals nicht damit gerechnet, am Ende auf der Regierungsbank zu sitzen. Das BSW sei ja noch eine junge Partei und unerfahren, ganz im Gegensatz zur SPD, die schon im 19. Jahrhundert gegründet wurde.
Das BSW ist in einer besonderen Situation, weil es bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr zweistellige Ergebnisse erzielte, aber jetzt bei den Bundestagswahlen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.
Keine Bühne mehr im Bundestag
Die Polit-Ikone, Sahra Wagenknecht, die der Partei den Namen gab, hat zumindest im Bundestag keine Bühne mehr, man hört wenig von ihr. Dabei hatte es Diskussionen gegeben, wie selbständig die BSW-Landesverbände überhaupt agieren können. Nun sind die BSW-Landespolitiker und -Landespolitikerinnen wohl die Mächtigen.
Was die Brandenburger SPD betrifft: Sie stellte bisher noch jeden Ministerpräsidenten im Land. Eine solche mehr als 30 Jahre währende Kontinuität ist ungewöhnlich. Und auch Ministerpräsident Woidke haftet etwas Ewiges an. Seit 2013 ist er im Amt, in den unterschiedlichsten Koalitionen. Von Rot-Rot bis zuletzt Rot-Schwarz-Grün war alles dabei.
Aber bei der vergangenen Wahl war es denkbar knapp. Da hatte Woidke gedroht, sich zurückzuziehen, sollte die AfD gewinnen. Die jetzige Koalition ist zum Erfolg verdammt.
Geräuschlos oder untätig?
Woidke und Crumbach betonen nun beide, wie gut die Arbeit bisher laufe, auch wenn man wenig höre. "Handwerk statt Mundwerk", sagt der Ministerpräsident.
Die Opposition sieht das anders. Jan Redmann, einst Spitzenkandidat der CDU, interpretiert die Geräuschlosigkeit eher als "Friedhofsruhe": "Man dümpelt vor sich hin. Man hat keine Ambitionen. Man kann deshalb nach 100 Tagen keine nennenswerten Ergebnisse vorweisen."
Der AfD-Fraktionschef kündigte an, besonders das BSW unter Druck setzen zu wollen mit Forderungen, die das Bündnis einst selbst erhoben hat.
Dass es Zeit ist, mal öffentlich zu zeigen, dass man tatsächlich auch regiert, finden mehrere Politikbeobachter. Mit Erstaunen wird registriert, dass es bis jetzt noch keine Regierungserklärung gab. Die soll nun in der nächsten Woche kommen. Und auch mit einem Haushaltsentwurf wurde früher gerechnet.
Geräuschlosigkeit bedeutet auch keine Auseinandersetzungen auf offener Bühne. Der Ministerpräsident verweist auf den Dauerstreit der bald zur Geschichte gewordenen Ampelkoalition. Der habe das Vertrauen der Menschen beschädigt.
Unterschiedliche Haltung bei Militär und Bundeswehr
Innenpolitisch sind die Differenzen der beiden Parteien nicht sehr groß. Bürokratieabbau zugunsten einer stärkeren Wirtschaft, Stärkung der Gesundheitsversorgung, eine restriktivere Migrationspolitik.
Außenpolitisch aber sieht das komplett anders aus - und das wirkt zurück auf die Innenpolitik, zumindest wenn es um die Zustimmung zum Milliardenpaket im Bundesrat geht. Das BSW hingegen lehnt Aufrüstung ab, will weniger Militärhilfe für die Ukraine.
"Es ist nun mal kein Geheimnis: Bei internationalen Themen wie Militär und Bundeswehr, gibt es unterschiedliche Positionen der Regierungsfraktionen. Das müssen wir miteinander aushalten", so der SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann.
Ein mögliches Szenario für die Abstimmung im Bundesrat: Brandenburg enthält sich. Die beiden Parteien haben ein Abstimmungsverfahren vereinbart.
Die unterschiedliche Sicht auf die Außenpolitik soll die Regierungskoalition nicht belasten. Man werde die kommenden fünf Jahre gut und gemeinsam bewerkstelligen, versicherten die Spitzenpolitiker.