Einbürgerungsreform Deutlich mehr Anträge erwartet
Die türkische Gemeinde erwartet nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts einen deutlichen Anstieg der Anträge. Der Bundestag hatte die Änderungen bei der Einbürgerungspraxis gestern beschlossen.
Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts rechnet die Türkische Gemeinde in Deutschland mit 50.000 Anträgen auf Einbürgerung durch türkischstämmige Bürger in diesem Jahr und jeweils in den Folgejahren. "Und ich gehe davon aus, dass auf Dauer alle 1,5 Millionen türkischstämmigen Bürger in Deutschland, die bisher keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, eine doppelte Staatsbürgerschaft erlangen werden", sagte der Vorsitzende der Gemeinde, Gökay Sofuoglu, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
"Wenn sich herumspricht, was in dem neuen Gesetz steht, wird die Zahl der Anträge auf Einbürgerung kontinuierlich steigen", sagte Sofuoglu. "Viele werden merken, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen."
Allerdings glaubt der Vorsitzende der türkischen Gemeinschaft, dass die deutschen Behörden Schwierigkeiten haben werden, die Anträge zu bearbeiten. "Sie sind jetzt schon überfordert."
Bundestag bringt Reform auf den Weg
Der Bundestag hatte die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts am Freitag beschlossen. Damit soll der Weg zum deutschen Pass kürzer und Mehrfach-Staatsbürgerschaften zur Regel werden.
In der namentlichen Abstimmung waren unter den 639 abgegebenen Stimmen 382 Ja-Stimmen und 234 Nein-Stimmen. 23 Abgeordnete enthielten sich. Bei der Abstimmung in zweiter Lesung hatten zuvor die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP für die Neuerungen gestimmt, CDU/CSU und AfD dagegen. Die fraktionslosen Abgeordneten, von denen die meisten der Linken oder dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" angehören, enthielten sich.
Integrationsleistungen sollen belohnt werden
Einbürgerungen werden schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich, bei "besonderen Integrationsleistungen" sogar nach drei Jahren. Das können besonders gute Leistungen in Schule oder Beruf oder bürgerschaftliches Engagement sein. Kinder ausländischer Eltern bekommen künftig mit der Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil hierzulande seit fünf Jahren rechtmäßig wohnt. Das war bisher erst nach acht Jahren der Fall.
Zudem können Menschen, die einen deutschen Pass bekommen, ihre bisherige Staatsbürgerschaft in Zukunft behalten. Zugleich werden einige Regelungen des Staatsbürgerschaftsrechts verschärft. So sollen Ausnahmen von der Pflicht, für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen, auf bestimmte Fälle begrenzt werden.
Faeser: "Wertschätzung für Menschen, die ins Land kommen"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte ihren Gesetzentwurf als Schritt "zu einem modernen und zu den Anforderungen der jetzigen Zeit passenden Staatsangehörigkeitsrecht" verteidigt. Nötig sei eine Wertschätzung für die Menschen, "die hier ins Land kommen und mit dazu beitragen, dass die Gesellschaft funktioniert", hatte Faeser betont.
Unionskritik: "Einbürgerung viel zu schnell"
Scharfe Kritik an der Reform hatten in der Bundestagsdebatte Vertreter der Union geübt. Es sei das Gesetz "mit den weitreichendsten negativen Folgen in dieser Wahlperiode", sagte der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm. Die Anforderungen zur Einbürgerung würden dadurch massiv gesenkt. Eine Einbürgerung nach drei oder fünf Jahren sei "viel zu schnell".