Joachim Stamp

Bevollmächtigter für Migrationsabkommen Dicke Bretter und Trippelschritte

Stand: 01.02.2024 13:05 Uhr

Als Abschiebebeauftragter will er sich nicht sehen: Joachim Stamp ist seit einem Jahr Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen. Zwei Mal hatte er Erfolg. Die Opposition spricht von "Trippelschritten".

Von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio

"Ich wusste, dass das ein Bohren dicker Bretter ist", sagt Joachim Stamp rückblickend auf das erste Jahr als Beauftragter der Bundesregierung. Der 53-jährige FDP-Politiker soll mit Staaten Vereinbarungen aushandeln, die legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Länder abgeschobene Menschen wieder aufnehmen.

Um die Besetzung des im Innenministerium angesiedelten Postens hat die Ampel lange gestritten. Dann fiel die Wahl schließlich auf den ehemaligen Integrationsminister und Vize-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen.

Nicht ohne Stolz erzählt er von erfolgreichen Gesprächen. Vergangenes Jahr im Dezember konnte mit Georgien ein Abkommen unterschrieben werden und gerade erst vor wenigen Tagen wurde mit Marokko eine Migrationspartnerschaft etabliert. Beides sind allerdings Länder, aus denen nur relativ wenige Asylbewerber nach Deutschland kommen.

Union zweifelt an Fortschritten bei Abkommen

Hier setzt auch die Kritik der Union an, die grundsätzlich für Migrationsabkommen ist. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, bezeichnet die Fortschritte als "Trippelschritte". Ernüchtert stellt er fest, dass Stamps Verhandlungen in zwei Bereichen fortgeschritten sind - dort, wo es relativ leicht ist, weil die Länder schon jetzt sehr kooperationswillig sind, so wie EU-Beitrittskandidat Georgien, oder bei Staaten, die keine große Relevanz haben, weil es nicht viele Migranten aus diesen Ländern gibt.

Der Oppositionspolitiker bezweifelt zudem, dass der Sonderbevollmächtigte, der sich "redlich bemüht", mit ausreichenden Kompetenzen ausgestattet ist, um seine Aufgaben zu lösen. Frei fordert deshalb mehr politische Rückendeckung. Die Bundesinnenministerin sei genauso wie die Bundesaußenministerin und "an vielen Stellen auch der Bundeskanzler" gefordert.

Auf Kooperation von Herkunftsländern angewiesen

Tatsächlich machen Gespräche nur Sinn mit Ländern, bei denen die Hoffnung auf einen erfolgreichen Verlauf besteht. Staaten wie Syrien oder Afghanistan, aus denen besonders viele nach Deutschland Geflüchtete stammen, scheiden wegen der politischen Lage und der Menschenrechtslage dort als Verhandlungspartner aus.

Dennoch versucht der Sonderbevollmächtigte Stamp, Optimismus zu verbreiten. Er sei mit verschiedenen Regierungen in "sehr guten Gesprächen". Besonders Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit zeigten Interesse an Migrationspartnerschaften, während Deutschland qualifizierte Fachkräfte suche - etwa in der Logistik oder in der Pflege.

Das Schaffen von legalen Einwanderungsmöglichkeiten ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Im Gegenzug soll erreicht werden, dass die Herkunftsländer die Menschen wieder aufnehmen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben. Stamp weiß nur zu gut: "Da sind wir auch auf die Kooperation von Herkunftsländern angewiesen." Aber viele Staaten sind nicht dazu bereit, auch weil für sie Devisen der Landsleute im Ausland eine wichtige Einnahmequelle sind.

Kein Allheilmittel in der Flüchtlingspolitik

Die gestiegene Zahl von Migranten wird für viele Kommunen in Deutschland zu einer Herausforderung. Entsprechend steht Stamp unter Druck, weitere Abkommen zu vereinbaren. Doch er warnt vor zu hohen Erwartungen. Derartige Vereinbarungen seien "natürlich nicht das Allheilmittel", sondern vielmehr als Teil eines Gesamtkonzepts. Da gehörten viele andere Aspekte dazu, etwa die Reform des europäischen Asylrechts.

Das Aushandeln der Abkommen ist komplex. Der Sonderbevollmächtigte erklärt beinahe entschuldigend, dass auf jedes Land und seine Interessen individuell eingegangen werden muss. Gerade vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte müsse sehr behutsam verhandelt werden. Stamp erlebt in den Gesprächen "stolze Länder", die in vielen Punkten großen Wert auf Diskretion legen.

Linke kritisiert diskrete Verhandlungen

Tatsächlich erfährt die Öffentlichkeit oft kaum etwas über die Verhandlungen. Von "heimlich ausgehandelten Deals" spricht deshalb Clara Bünger von der Partei Die Linke. Sie kritisiert dieses Vorgehen, befürchtet eine Verletzung von Menschenrechten und fordert Transparenz. Die Linke-Politikerin hat den Eindruck, dass die Ampelkoalition mit der Strategie, Migrationsabkommen auszuhandeln, dem Druck von rechtsaußen nachgibt.

Tatsächlich kommen vom innenpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag Stephan Brandner zunächst zustimmende Worte. "Alles, was Bewegung in dieses Problemfeld hineinbringt, ist zu begrüßen." Doch dann stellt Brandner dem Sonderbevollmächtigten dennoch ein schlechtes Zeugnis aus: "Man sieht ja auch, er löst nichts."

Der AfD-Politiker plädiert statt für Migrationsabkommen für einen besseren Schutz der Grenzen und fordert, sich mehr um diejenigen zu "kümmern", die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben. Dabei dürfte auch Brandner wissen, dass viele Herkunftsländer sich weigern, Landsleute wieder aufzunehmen.

Migrationsforscherin: Irreguläre Migration sinkt nicht

Die Einsetzung eines Sonderbeauftragten für Migrationsabkommen haben die Ampelparteien im Koalitionsvertrag vereinbart. Das Ziel sind "neue praxistaugliche und partnerschaftliche Vereinbarungen mit wesentlichen Herkunftsländern unter Beachtung menschenrechtlicher Standards".

Solche bilateralen Abkommen können viel leisten, davon ist die Migrationsforscherin Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik überzeugt: "Die können Beziehungen zu Ländern verbessern, die können helfen, Arbeitskräfte anzuziehen und auch andere geopolitische Interessen Deutschlands in diesen Ländern befördern."

Gleichzeitig macht die Wissenschaftlerin auch klar, was von den Abkommen nicht zu erwarten ist - nämlich, dass sie die Zahl der irregulären Migration "spürbar senken".

Weitere Migrationsabkommen in Vorbereitung

Ein Jahr nach Amtsantritt des Sonderbevollmächtigten könnte es bald weitere Migrationsabkommen geben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte etwa die Länder Moldau, Usbekistan, Kirgisistan und Kenia. "Ganz konkret steht jetzt Kolumbien an", sagt Joachim Stamp.

Die Zahl der von dort gekommenen Asylbewerber ist zuletzt angestiegen, gleichzeitig gebe es eine "ganz geringe" Anerkennung. Auch hier spricht der Sonderbevollmächtigte davon, legale Einwanderungsmöglichkeiten zu schaffen. Als "Abschiebebeauftragter", wie er in der Presse oft bezeichnet wird, sieht er sich nicht.