Stillstand bei der Bahn Was unternimmt die Politik im Tarifstreit?
Bis einschließlich Montag bestreikt die GDL die Deutsche Bahn. Es geht um Bezahlung, aber auch um Arbeitszeiten für Schichtarbeiter. Die Politik drängt auf eine Einigung. Welche Einflussmöglichkeiten hat sie?
Der Druck auf die Lokführergewerkschaft steigt. Die GDL habe Maß und Mitte verloren und nehme das ganze Land in Geiselhaft, kritisieren einige Bundespolitiker. Aus der Union kommen sogar Rufe, Gesetze zu verschärfen, um solche Streiks künftig zu erschweren.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann fordert im Deutschlandfunk ein gesetzliches Arbeitskampfrecht: "Das Allerwichtigste ist, in kritischer Infrastruktur muss zuerst ein Schlichtungsverfahren abgeschlossen werden, bevor gestreikt wird." Derzeit läuft es in der Regel umgekehrt, erst wird gestreikt und wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber in den Verhandlungsrunden partout keine Lösung finden, gehen beide in ein Schlichtungsverfahren.
Unterstützung bekommt Connemann aus der CSU. Auch Generalsekretär Martin Huber will Streiks bei der kritischen Infrastruktur einschränken. Sie "sollten nur erlaubt sein, wenn ein Schlichtungsverfahren erfolglos verlaufen ist". Der CSU-Politiker fordert zudem eine "angemessene zeitliche Befristung für Streiks".
Scholz: Nicht an Tarifautonomie rütteln
In Deutschland herrscht Tarifautonomie. Das heißt, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände regeln die Lohn- und Arbeitsbedingungen unter sich, autonom und ohne Eingriff des Staates. Das Grundgesetz sowie weitere Gesetze wie das Tarifvertragsgesetz bieten dafür die Grundlage.
An der Tarifautonomie will die Bundesregierung nicht rütteln, wie Kanzler Olaf Scholz unterstreicht. "Das Recht, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen und dann auch Arbeitskämpfe zu führen, gehört zu den Freiheiten, die in unserem Grundgesetz so fest geregelt sind, dass sie nicht einfach abgeschafft werden können, auch nicht durch Gesetze." Sein Appell lautet aber, mit klugem Maß von diesem Recht Gebrauch zu machen.
Arbeitsrechtler: Schranken von Streiks unklar
Um Streiks wie den laufenden bei der Bahn rechtlich verhindern zu können, müsste die Ampelregierung gesetzliche Änderungen vornehmen. Für Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität in Bonn ist das Problem, dass Deutschland kein Streikgesetz hat. Deshalb müssten die Gerichte immer wieder "in mühevollen Einzelentscheidungen" neu bestimmen, was erlaubt sei. Das mache die Schranken von Streiks so unklar und eng, erklärt Thüsing im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.
Mit Hilfe eines Streikgesetzes könnten bestimmte Arbeitsniederlegungen eingegrenzt werden - zum Beispiel Streiks, bei denen die Öffentlichkeit "in ganz besonderer Weise beeinträchtigt wird". Dazu gebe es Vorbilder aus dem Ausland und Vorschläge aus der Wissenschaft. Doch bisher will die Ampelkoalition nicht an die Gesetzeslage ran. Allerdings wird der Ton gegenüber der Gewerkschaft GDL deutlich schärfer.
Wissing fordert Schlichtungsverfahren
Bundesverkehrsminister Volker Wissing kritisiert, dass seit Wochen keine Verhandlungen mehr zwischen Gewerkschaft und Bahn stattfinden. "Die Fahrgäste erleben jetzt eine erhebliche Stresssituation und parallel wird nicht verhandelt. Stattdessen wird einfach nur gestreikt und das finde ich nicht gut. Ich finde, es ist richtig, dass man Tarifkonflikte austrägt, aber nicht aussitzt - auf dem Rücken der Menschen, die auf eine funktionierende Eisenbahn angewiesen sind."
Der FDP-Politiker fordert den Vorsitzenden der Gewerkschaft, Claus Weselsky, auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die GDL und die Bahn sollten jetzt ein Schlichtungsverfahren beginnen.
Das wollen auch die Grünen. Der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, sagt, allein der Streik werde wieder keine Lösung bringen. "Die Forderungen liegen auf dem Tisch und die müssen einzeln durchgegangen werden", so Gelbhaar. "Und wenn dann die Schlichtung zu einem Ergebnis kommt, das die Tarifparteien nicht tragen wollen, dann sind wir an einer anderen Stelle. Aber der Versuch ist es allemal wert."
"Allianz pro Schiene": Fahrgäste werden vergrault
Selbst aus der Verkehrsbranche bröckelt der Rückhalt für die Lokführergewerkschaft. Das Bündnis "Allianz pro Schiene", in dem die GDL Mitglied ist, distanziert sich. Das Vorgehen der Gewerkschaft schade der ganzen Schienenbranche und vergraule vermutlich auf Dauer viele Fahrgäste, sagt Geschäftsführer Dirk Flege.
"Insofern wünsche ich mir, sowohl verbal ein Abrüsten als auch vom tatsächlichen Handeln. Es muss miteinander gesprochen werden und nicht übereinander geschimpft werden. Wenn Herr Weselsky der Meinung ist, es ist verfahren und es gibt keine Bewegung, dann wäre ja die Schlichtung ein probates Mittel", so Flege.
GDL fordert Absenkung der Wochenarbeitszeit
Doch der Chef der GDL will bisher weder zurück an den Verhandlungstisch noch in eine Schlichtung - allen Appellen und Forderung zum Trotz.
Neben finanziellen Forderungen dreht sich der Tarifstreit vor allem um das Thema Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Die GDL will diese von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt reduzieren. Die Bahn hat bisher ein Wahlmodell angeboten, das eine Absenkung um eine Stunde bei vollem Lohn vorsieht. Wer sich dagegen entscheidet, erhält stattdessen 2,7 Prozent mehr Geld.
Gewerkschaftschef Weselsky sieht in der Offerte keine Grundlage für weitere Verhandlungen. Die Bahn sei nicht verhandlungsbereit, der Ausstand daher "rechtmäßig, verhältnismäßig und zulässig", sagte Weselsky.