Umstrittene TV-Debatte Duell ohne Gewinner
Sein Kalkül, mehr Bekanntheit zu erlangen, ist aufgegangen: In der TV-Debatte ist Thüringens CDU-Chef Voigt nicht untergegangen. Doch auch AfD-Rechtsaußen Höcke konnte Material für seine Social-Media-Kanäle sammeln.
Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet beim Hackepeter strauchelt Björn Höcke. Da spricht der thüringische Landeschef der AfD im TV-Duell doch tatsächlich von "Mettbrötchen" und wird dafür von seinem Kontrahenten Mario Voigt ordentlich hochgenommen. "Sie verstehen nichts von Thüringen", kontert der in Thüringen geborene CDU-Landeschef den Fauxpas und der gebürtige Westfale Höcke gerät kurz ins Schwimmen.
Gehacktes als Mett zu bezeichnen ist in Thüringen ein mächtig großer Fehler. Selbst ein "Das wird man doch noch sagen dürfen" hilft da nicht weiter.
Dabei sollte es eigentlich um Europa gehen. Ist die Europäische Union eine Wohlstandsmaschine für Deutschland oder eher eine Geldvernichtungsorganisation? Von Höcke kommt die bekannte AfD-Erzählung vom bürokratischen Monster in Brüssel, das die Menschen am Gängelband führt und ihm das Geld aus der Tasche saugt - also die übliche steile These in einem Bundesland, das seit der Wende in Größenordnungen von EU-Zahlungen profitiert. Was man auch gar nicht übersehen kann, wenn man offenen Auges durchs Land geht.
CDU-Chef Voigt wirkt trotzdem am Anfang ein bisschen verdutzt, fängt sich dann aber und kontert mit dem Bild vom europäischen Haus, das schützt und birgt und wo bestenfalls mal der Wasserhahn tropft oder ein Fenster kaputt ist.
Opposition light gegen Opposition pur
Aber wer ist jetzt die bessere Opposition - und wogegen? Das Duell zeigt deutlich, wie tückisch ein Wettlauf in dieser Disziplin für die CDU ist.
Populisten machen als Populisten nun mal Staat oder Regierung für sämtliche Widrigkeiten des Lebens verantwortlich. Und sie haben kein Problem mit faktenfreier Argumentation - etwa, wenn Höcke die Streichung der deutschen Entwicklungshilfe als Lösung für sämtliche deutschen Finanzproblem bezeichnet. Oder wenn beide Kontrahenten Ausländerkriminalität durch umfassende Abschiebungen lösen wollen.
Wer so etwas befürwortet, wem glaubt der wohl? Opposition light ist im Wettbewerb mit Fundamentalopposition nur mäßig sexy.
Der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung angeklagt. Seine Immunität als Landtagsabgeordneter wurde aus diesem Grund bereits acht Mal aufgehoben.
Aktuell gibt es Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle, weil Höcke bei einer Versammlung eine in Deutschland verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet haben soll. Ab dem 18. April muss sich Höcke vor dem Landgericht in Halle verantworten.
Wegen eines Beitrags bei Telegram wurde zudem eine Anklage am Landgericht Mühlhausen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Das Verwaltungsgericht Meiningen entschied außerdem im September 2019, dass es aufgrund seiner Äußerungen und Veröffentlichungen zulässig ist, Björn Höcke als Faschist zu bezeichnen.
Für das Duell hatte sich Voigt vorgenommen, bei der AfD-Anhängerschaft zwei Botschaften zu platzieren: Die CDU versteht eure Sorgen und Nöte, aber hat anders als die AfD-Parteiführung auch Lösungen parat. Nach dem Genuss des kompletten Schlagabtauschs darf man vermuten, dass ihm das nur bedingt gelungen ist.
Die zweite Botschaft konnte Voigt dagegen besser an den Mann bringen: Ganz am Schluss des Duells erneuerte er seine Absage an jedwede Koalition mit der AfD nach den Thüringer Landtagswahlen im September und suggerierte damit: Wer Höcke wählt, verschenkt seine Stimme. Mangels Koalitionspartnern hat die AfD keine Machtoption.
"Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch"
Tatsächlich hat Höcke in den vergangenen Jahren viel dafür getan, um mögliche Sympathisanten in den bürgerlichen Parteien zu vergraulen. Seine öffentlich vorgetragenen extremistischen Äußerungen wirken toxisch für jede CDU-AfD-Koalitionsüberlegung.
Im TV-Duell machte der AfD-Chef das, was er in solchen Fällen immer tut: Konfrontiert mit seinen Äußerungen deutete er sie um ("Denkmal der Schande"), berief sich auf Unwissenheit (Verwendung von SA-Parolen) oder konnte sich nicht mehr erinnern, als es um Passagen aus einem von ihm verfassten programmatischen Buch ging.
Glaubwürdig wirkte das nicht. Als Höcke Voigt ganz gegen Ende des Schlagabtauschs nachgerade um eine "bürgerliche Koalition" bittet, kontert der: "Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch."
Was bleibt? Wer hat gewonnen?
Björn Höcke hat in den "Mainstream-Medien" viel Material gesammelt, das seine Getreuen jetzt zu Propaganda-Schnipseln für die Social-Media-Kanäle der AfD zusammenschneiden werden.
Aber noch mehr aufgegangen ist das Kalkül von Mario Voigt. In der von ihm bewusst gesuchten und medial hochgejazzten TV-Debatte ist er nicht untergegangen. Er ist ruhig geblieben, obwohl sich der Gottseibeiuns des deutschen Parteiensystems nur einen Meter neben ihm zeitweise wie Rumpelstilzchen aufgeführt hat.
Und der Thüringer CDU-Chef hat erreicht, wovon Wahlkämpfer wie er in der Herausforderer-Position träumen: Bekanntheit. Medienecho. Thema von Kommentaren und Expertenrunden sein.