Verfassungsschutz "Gesichert extremistisch" - was folgt daraus?
Der Verfassungsschutz stuft den AfD-Nachwuchs und zwei weitere Vereinigungen der "Neuen Rechten" als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Was heißt das und welche rechtlichen Folgen hat die Entscheidung?
Was ist die Aufgabe des Bundesverfassungsschutzes?
Der Verfassungsschutz ist der deutsche Inlandsgeheimdienst. Es gibt den Bundesverfassungsschutz (BfV) sowie 16 Landesämter für Verfassungsschutz. Laut Gesetz ist Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden "die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen". Und zwar unter anderem über "Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind" - also zum Beispiel gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte. Es geht in der Praxis vor allem um die Beobachtung von Rechtsextremismus, Linksextremismus und islamistischem Extremismus.
Welche Kategorien zur Einstufung gibt es?
Das BfV ordnet mögliche Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen in drei Kategorien ein:
Das Anlegen eines Prüffalls ist der erste Schritt im Verfahren beim Verfassungsschutz. Hierbei wird - vereinfacht gesagt - vorgeprüft, ob genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung vorliegen. Der Verfassungsschutz kann in diesem Stadium lediglich Informationen aus offen zugänglichen Quellen sammeln: Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge oder Internetauftritte etwa, aber auch öffentliche Äußerungen der beteiligten Personen, Vereinssatzungen oder Parteiprogramme. Über die Einstufung einer Person oder Gruppierung als Prüffall darf der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit nicht informieren.
Wenn der erste Schritt aus Sicht der Behörde ergeben hat, dass es bei einem Prüffall tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gibt, dann stuft der Verfassungsschutz diesen Fall hoch. Die nächste Stufe ist der Verdachtsfall. Ab dieser zweiten Stufe darf der Verfassungsschutz die betreffende Gruppierung beobachten, sie gilt nun in der Behörde als "Beobachtungsobjekt".
Die dritte Stufe ist das Vorliegen einer gesicherten extremistischen Bestrebung. Hier hat sich der Verdacht schon so weit verfestigt, dass aus Sicht der Behörde keine Zweifel mehr am Vorliegen extremistischer Bestrebungen bestehen. Wie schon bei den Verdachtsfällen beobachtet der Verfassungsschutz auch hier die jeweilige Gruppierung oder Einzelperson. Das BfV kann einen Prüffall auch direkt zur gesicherten Bestrebung hochstufen, ohne den "Umweg" Verdachtsfall.
Soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (also bei den Kategorien "Verdachtsfall" und "gesichert extremistisch"), informiert der Verfassungsschutz auch die Öffentlichkeit.
Was bedeutet "beobachten" genau?
Der Verfassungsschutz darf bei den Beobachtungsobjekten der zweiten und dritten Stufe nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. So kann die Behörde etwa V-Leute anwerben, also Informanten aus dem Umfeld der Partei. Außerdem kann sie Personen observieren oder auch, sofern noch weitere Voraussetzungen erfüllt sind, die Telekommunikation überwachen.
Eine Beobachtung greift in die Grundrechte der Beobachteten ein. Darum muss das BfV immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten: Jede Maßnahme muss erforderlich und angemessen sein. Es darf also kein milderes Mittel geben, das genauso effektiv wäre. Bei einer gesicherten extremistischen Bestrebung sind dabei tendenziell mehr Maßnahmen zulässig als bei einem Verdachtsfall. In beiden Fällen stehen also die gleichen "Werkzeuge" zur Verfügung, aber die Einzelfallentscheidung, wie genau beobachtet wird, fällt mitunter unterschiedlich aus.
Und, wichtig für Organisationen, die Parteien nahestehen: Wenn sich die Beobachtung auch auf gewählte Parlamentarier erstrecken soll, gelten besonders hohe Hürden. Das Bundesverfassungsgericht hat 2013 entschieden, dass die Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden einen besonders schweren Eingriff in das freie Mandat darstellt. Das sei nur in Ausnahmefällen zulässig.
Alexander Häusler, Rechtsextremismus-Experte, zur Einstufung der Jungen Alternative als rechtsextrem
Kann die "Junge Alternative" gegen diese Einstufung vorgehen?
Ja, die JA kann die Entscheidung des BfV juristisch überprüfen lassen. Zuständig wäre das Verwaltungsgericht in Köln, wo das BfV seinen Sitz hat. Das Gericht würde dann genau bewerten müssen, ob die Voraussetzungen, die für die Einstufung als "gesichert extremistisch" vorgesehen sind, auch tatsächlich vorliegen. Die Kernfrage lautet: Hat das BfV inzwischen genug tatsächliche Anhaltspunkte gesammelt, um eine Hochstufung der JA zu rechtfertigen? Das Gericht würde dann überprüfen, was am Verdacht dran ist und wie belastbar die tatsächlichen Anhaltspunkte sind.
Die AfD hatte versucht, die Beobachtung der JA und der Gesamtpartei als Verdachtsfall jeweils mit juristischen Mitteln zu verhindern. Beide Klagen scheiterten jedoch vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die Partei legte später Berufung gegen die Urteile ein. Das Verfahren am Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster ist noch nicht abgeschlossen. "Das empörende Vorgehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz scheint auch ein prozesstaktisches Manöver zu sein, um das bevorstehende Verfahren am OVG Münster einseitig zu beeinflussen und medial ein fiktives Urteil zu inszenieren", hieß es nun von der AfD-Spitze.
Der Bundesvorstand der Jungen Alternative teilte mit, er sei von der Entscheidung der Sicherheitsbehörde nicht überrascht. "Dieses Spiel läuft schon seit Jahren. Egal ob Migrationskritiker, Coronamaßnahmenkritiker oder Friedensbefürworter - jede Form der authentischen Opposition in diesem Land wird von dieser Behörde systematisch stigmatisiert."