Wahlkampf in Bayern Schützenhilfe vom Kanzler?
Bayern ist für die SPD seit jeher kein einfaches Pflaster. Aber gut sechs Wochen vor der Landtagswahl sieht es für die Genossen im Freistaat besonders düster aus. Nun soll der Kanzler Schützenhilfe geben. Aber ist er dafür der Richtige?
"Ein SPD-Kanzler in Bayern ist immer gut", sagt eine Landtagsabgeordnete der Sozialdemokraten. In 16 Jahren CDU-Kanzlerin Angela Merkel war das ja auch eher eine Seltenheit. In diesen Tagen aber lässt sich der Bundeskanzler öfter im Freistaat blicken: bei einem Bürgergespräch in Fürth, zum Wahlkampfauftakt am Marienplatz in München, im September in Nürnberg. Nun ist Olaf Scholz beim Bürgergespräch auf dem Nockherberg in München.
Lässig steht er an einen Tresen gelehnt. Blaues Neonlicht beleuchtet die Gläser hinter ihm. An der Seite hängt ein neongelber Schriftzug: "Bar". Der Kanzler hat sein weißes Hemd ganz oben aufgeknöpft, die Ärmel hat er hochgekrempelt - auch wegen der Hitze im Saal. "Gefühlt 60 Grad", scherzt der Kanzler. Auf dem Tresen steht ein Bier. Scholz blickt in rund 250 Gesichter. "Für mich ist es sehr wichtig, dass wir miteinander ins Gespräch kommen", sagt er.
Bayern-SPD steht in Umfragen schlecht da
Olaf Scholz soll der SPD Schützenhilfe im Wahlkampf geben. Zwar war Bayern noch nie ein einfaches Pflaster für die Sozialdemokraten. Aber derzeit sieht der bayerische Himmel über den Genossen besonders düster aus. Gut sechs Wochen vor der Landtagswahl liegt die SPD in Umfragen nur zwischen neun und elf Prozent.
Das ist sehr nah am historischen Tiefstwert von 2018, als sie nur 9,7 Prozent holte. Und es ist noch entfernt von den "15 Prozent plus X", die Spitzenkandidat Florian von Brunn als Wahlziel ausgegeben hat. Schützenhilfe wäre also wichtig für die Wahlkämpfer in Bayern. Die Frage ist nur, wie viel Unterstützung einer sein kann, der gerade selbst in der Defensive ist.
Viel Kritik an der Ampel-Regierung
Beim Bürgergespräch wird das zum Teil sichtbar. "Wo ist das Soziale in der SPD?", fragt eine Wahlhelferin aus dem Münchener Umland im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Ein Frührentner sagt: "Die Ampel setzt nichts um." Sie sind gekommen, um nachzufragen, wie es weiter geht.
Im Land ist die Stimmung gekippt. Nur noch gut ein Fünftel der Befragten ist laut jüngstem ARD-DeutschlandTrend mit der Arbeit der Ampelregierung zufrieden. Zwar weisen SPDler regelmäßig daraufhin, wie viele Vorhaben die Koalitionäre schon auf den Weg gebracht oder umgesetzt haben: das Selbstbestimmungsgesetz, das neue Einbürgerungsrecht und vor allem die Erhöhung des Mindestlohns und des Kindergeldes. Doch die öffentliche Debatte wird von den Streitigkeiten vor allem zwischen FDP und Grünen bestimmt: um das Heizungsgesetz, das Wachstumschancengesetz und die Kindergrundsicherung.
Bundespolitik beeinflusst den Wahlkampf
Diese Konflikte beeinflussen auch den Wahlkampf in Bayern. Mehr als 13.000 Menschen demonstrierten Mitte Juni in der Kleinstadt Erding gegen das Heizungsgesetz der Ampelregierung, darunter auch Querdenker und AfD-Anhänger.
AfD, Freie Wähler und CSU nutzen diese Stimmung im Wahlkampf aus. Bei der Demo in Erding sagte der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, in Richtung Berlin: "Ihr habt ja wohl den Arsch offen". Er erntete Applaus vom Publikum vor Ort. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist zwar vorsichtiger in der Wortwahl, aber auch er hat die Landtagswahl in Bayern zur Abstimmung über die Ampel in Berlin erklärt.
Die SPD in Bayern kommt in ihrem Wahlkampf also kaum um Bundesthemen herum. "Rückenwind ist das nicht", sagt ein Mitglied der Fraktion im Landtag. Im Wahlkampf muss es der SPD nun also gelingen, ihr öffentliches Bild im Bund zu verbessern und gleichzeitig mit eigenen Themen in Bayern sichtbarer zu werden.
Erklärungen gegen Frust
Also ein Bürgergespräch mit Kanzler Scholz und Spitzenkandidat von Brunn. Seine Begrüßung hält von Brunn kurz. "Das geht sonst von Ihrer Zeit ab" sagt er. Gut eineinhalb Stunden haben er und Scholz für die Fragen der geladenen Gäste, unter ihnen Parteimitglieder, Vertreter von Verbänden, Vereinen und Gewerkschaften. Es geht viel um soziale Themen: um bezahlbares Wohnen, um die Energiewende, um das Wahlalter ab 16, finanzielle Unterstützung für Gehörlose, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie und die Unterstützung für die Ukraine.
Der Kanzler macht immer wieder Anstalten, ins Publikum zu laufen und wird von den Kamerateams ausgebremst, denen er aus dem Bild läuft. Die Politiker wollen nahbar sein, zeigen, dass sie sich mit den Themen der Menschen auseinandersetzen. Dem Frust in der Bevölkerung wollen sie mit Erklärungen entgegentreten. Allerdings: Die meisten Menschen im Publikum wenden sich an den Bundeskanzler. Die Moderatorin versucht immer wieder auch die landespolitische Themen zurückzuholen, indem sie Fragen vorliest, die sie gesammelt und ausgewählt hatte.
Bayern-SPD muss sichtbarer werden
"Wieso hört man so wenig von der Bayern-SPD?", fragt sie von Brunn nach nur wenigen Minuten. Er sagt, es werde schon viel gemacht. Tatsächlich steht der Plan der Bayern-SPD für die Landtagswahl. "Ein Regierungsprogramm" haben sie schon im Mai beschlossen. 84 Seiten. Der Fokus liegt auf den Themen bezahlbarer Wohnraum, mehr kostenfreie Kita-Plätze, bessere Pflege, eine sozialverträgliche Energiewende. In den Umfragen hat sich das nicht niedergeschlagen.
Vor wenigen Wochen haben die Genossen dann ihre Kampagne vorgestellt - und dafür die Agentur zu Rate gezogen, die auch den Wahlkampf von Olaf Scholz bei der Bundestagswahl gestaltet hat. Nun schaut Spitzenkandidat von Brunn von zahlreichen Plakaten. Ein Schwarzweiß-Foto auf rotem Untergrund. Vor gut drei Jahren stand auf solchen Plakaten: "Scholz packt das an". Jetzt heißt es: "Bayern braucht von Brunn".
Der Unterschied: von Brunn ist weniger bekannt als es Scholz damals war. Im letzten BR-Bayerntrend kannten ihn nur gut ein Drittel der Bayern. Von Brunn lässt sich dadurch nicht entmutigen. "Wir werden im Wahlkampf jetzt dafür sorgen."
Selfie mit dem Kanzler
Nach der Fragerunde drängen sich Bürger vor zum Kanzler, wollen ein Selfie mit ihm. Von Brunn beobachtet das zunächst. Dann wird er mit auf die Bilder gezogen. Der Kanzler stand im Fokus des Abends, aber Aufmerksamkeit hat er auch seinem Kameraden in Bayern gebracht.