Martin Werding, Achim Truger, Ulrike Malmendier, Veronika Grimm und Monika Schnitzer bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachten des Sachverständigenrates Wirtschaft.
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Klimaneutraler Verkehr Warum es bei den Wirtschaftsweisen Streit gibt

Stand: 16.05.2024 10:26 Uhr

Eine gegen vier: Die Wirtschaftsweisen streiten über klimaneutralen Verkehr, Veronika Grimm schert aus. Hat sie einen Interessenskonflikt, weil sie auch bei Siemens Energy im Aufsichtsrat sitzt?

Von Julie Kurz, ARD-Hauptstadtstudio

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass just bei der Vorstellung eines Gutachtens des Sachverständigenrats für Wirtschaft, einer nun wirklich eher nüchterne sachlichen Materie, man eine hochemotionale und vergiftete Atmosphäre mitbekommt, wie man sie eher selten in der Bundespressekonferenz erlebt. Das Hauptthema ist nicht die Wirtschaft, sondern vier gegen eine oder eine gegen vier, wie man es sieht.

Nach außen versuchen die fünf Wirtschaftsweisen, die Fassade zu halten, aber da ist zum einen die deutlich angespannte Veronika Grimm, dann die gegenseitige Nichtachtung zwischen den beiden Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer und Grimm und vor allem viele argumentative Spitzen und diametrale Argumentationen, wobei sich die Beteiligten nicht mal einig sind, wie nah oder fern sie inhaltlich eigentlich liegen.

Grimm schert beim Wasserstoff aus

Aber worum geht es? Die Wirtschaftsweisen haben ein Gutachten erstellt, wie der Güterverkehr klimaneutral gemacht werden kann. Als unabhängiges Gremium, das die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät, fordern sie die Politik auf, den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektro-LKW in Angriff zu nehmen.

Nur sehen das nicht alle Wirtschaftsweisen so, sondern nur vier vor Ihnen: Ulrike Malmendier, Monika Schnitzer, Achim Truger und Martin Werding. Veronika Grimm hat eine andere Meinung: Sie hält einen Fokus nur auf Elektromotoren für falsch. Auch Technologien wie die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle müssten weiter gefördert werden.

Grimms Doppelrolle: Gibt es einen Interessenskonflikt?

Es ist per se erstmal nicht ungewöhnlich, dass eine Wirtschaftsweise eine Minderheitenmeinung hat. Und man kann das im Sinne von pluraler, multiperspektivischer Ökonomie durchaus positiv sehen. Nur bringt die Minderheitenmeinung von Grimm ein altes Streitthema im Sachverständigenrat wieder in den Fokus: die Doppelrolle von Veronika Grimm durch ihre Ernennung in den Aufsichtsrat von Siemens Energy. Denn Siemens Energy sieht seine Zukunft auch in Wasserstoff.

Von daher kommt die Frage unweigerlich auf: War Grimms Plädoyer für wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen von Interessen getrieben? Im Interview mit dem ARD Hauptstadtstudio verneint Grimm das vehement. "Nein, ich sehe da keinen Interessenskonflikt", sagt sie und erklärt, es gehe erstmal um die Darstellung der Studienlage. Sie zitiere über 40 Studien und ordne sie mit Sachargumenten ein.

Fehde zwischen Grimm und Schnitzer

Und auf die Frage, ob sie - abgesehen von einem möglichen Interessenskonflikt mit ihrer Doppelrolle - so oder so dem Ansehen der Wirtschaftsweisen schade, entgegnet Grimm: "Das Ansehen des Sachverständigenrats ist in Gefahr, wenn immer wieder aus dem Gremium heraus diese Leaks gespielt werden, auch mit Anschuldigungen gegen Mitglieder des Sachverständigenrats. Das ist sehr unglücklich."

Die Attacke dürfte vor allem Monika Schnitzer gegolten haben. Zwischen den beiden Wirtschaftsweisen läuft schon lange eine persönliche Fehde. Schnitzer hatte bereits öffentlich die Doppelrolle von Grimm kritisiert, im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio gab sie sich zurückhaltend. Zur Frage eines möglichen Interessenkonflikts sagt sie lediglich vieldeutig: "Das liegt im Auge des Betrachters".

Das machen die Wirtschaftsweisen
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung soll die Politik in ökonomischen Fragen beraten. Die Mitglieder sind unabhängige Expertinnen und Experten. Der Bundespräsident ernennt sie nach Vorschlag der Bundesregierung für fünf Jahre - Wiederberufungen sind möglich.

Die Mitglieder erstellen regelmäßig Gutachten zur konjunkturellen Lage Deutschlands. Diese enthalten auch Prognosen und sollen wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen. Jeweils im November veröffentlichen die Wirtschaftsweisen ein umfangreiches Jahresgutachten. Hinzu kommen Sondergutachten und Expertisen zu ausgewählten Themen.

Sachverständigenrat will Compliance-Kodex

Rechtlich ist die Doppelrolle von Veronika Grimm nicht zu beanstanden. Trotzdem hatten die Wirtschaftsweisen zuletzt angekündigt, man wolle einen Compliance-Kodex für den Sachverständigenrat erarbeiten.

Bei der Pressekonferenz zum Güterverkehr-Gutachten wird klar, dass der Kodex noch nicht weit gediehen ist. Man fragt sich nach dieser Pressekonferenz ohnehin, wie die fünf Wirtschaftsweisen da zu einer einheitlichen Meinung kommen wollen.