Wohnungsbau in einem Neubauviertel.

Wohnungsbau in Deutschland Die Ampelkoalition hat ihr Ziel verfehlt

Stand: 05.12.2024 10:30 Uhr

Diese Woche war ein Wohngipfel mit Kanzler Scholz geplant. Doch das Treffen mit wichtigen Verbandsvertretern wurde abgesagt. Ein Zeichen für ein Versagen beim Wohnungsbau? Bauministerin Geywitz hält dagegen.

Von Hans-Joachim Vieweger, ARD-Hauptstadtstudio

Beim Bauen hatte sich die Ampelkoalition ein konkretes Ziel gesetzt: 400.000 neue Wohnungen sollten jedes Jahr entstehen, so hatten es SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart.

Doch die Zahl wurde in den vergangenen Jahren nie erreicht. Mehr noch: Die Zahl der Baugenehmigungen sank sogar von Jahr zu Jahr. Laut dem Münchner Ifo-Institut klagt jedes zweite Unternehmen der Branche über Auftragsmangel.

Kritik an der Wohnungsbaupolitik der Ampelkoalition kommt denn auch von links wie rechts. Auf der einen Seite ist die Linke, die vor allem die negativen Folgen für Mieter beklagt. Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei, spricht von einem "offensichtlichen Versagen der Ampel" - mit den Mieten auf einem historischen Höchststand, während die Anzahl der Sozialwohnungen auf einem historischen Tiefststand sei.

Konkrete Vorschläge vor der Neuwahl?

Auf der anderen Seite verweisen Unions-Politiker wie Hansjörg Durz auf das Hin und Her bei Förderprogrammen für den Bau: "Wenn man über Nacht die KfW-Förderung für effiziente Gebäude einstellt, dann ist das keine zukunftsfähige Politik", so der CSU-Politiker. Anfang 2022 hatte die Ampelkoalition entsprechende KfW-Programme kurzfristig beendet, weil die Kosten dafür aus dem Ruder zu laufen drohten.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wurde am Mittwoch in einer Befragung im Bundestag auf die Situation am Mietmarkt angesprochen. Die Vorwürfe der Opposition wollte er so nicht stehen lassen. Beim Mieterschutz habe die FDP gebremst; hier werde die Regierung kurzfristig noch konkrete Vorschläge insbesondere zur Verlängerung der Mietpreisbremse in den Bundestag einbringen.

Beim Wohnungsbau wiederum sei einiges auf den Weg gebracht worden, sagte Scholz. Man habe sehr viele bürokratische Vorschriften abgeschafft und somit das Umfeld verbessert, damit leichter Wohnungen gebaut werden können.

Bund, Länder und Verbände an einem Tisch

Wesentlichen Anteil daran hätten die Beratungen im "Bündnis für bezahlbaren Wohnraum" gehabt, betont Bauministerin Klara Geywitz. Es sei wichtig gewesen, Bund, Länder und Verbände an einen Tisch zu bringen, denn: "Wir müssen Deutschland wieder einfacher und schneller machen", so die SPD-Politikerin. Beim Thema Bau gebe es viele Ebenen, die das Ganze so kompliziert machten.

Vieles von dem, was man im Bündnis vereinbart habe, sei auch verwirklicht worden, heißt es aus dem Bauministerium - insbesondere im Bauordnungsrecht der Länder. Teure Vorschriften zum Beispiel in Form von Stellplatzvorschriften würden abgebaut. Die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum werde erleichtert. Und alle Bundesländer hätten inzwischen im Zuge der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes die Digitalisierung der Bauantragsverfahren auf den Weg gebracht.

Vieles hat lange gedauert

All das wertet auch Axel Gedaschko vom Verband der Wohnungswirtschaft GdW positiv. Dennoch zieht er ein gemischtes Fazit. Vieles, was im "Bündnis für bezahlbaren Wohnraum" besprochen worden sei, habe zu lange gedauert oder könne wegen des vorzeitigen Endes der Ampel-Regierung nicht mehr realisiert werden. "Dabei haben wir auf manche Probleme sehr früh hingewiesen, beispielsweise den dramatischen Rückgang bei den Baugenehmigungen."

Positiv wertet Gedaschko, der vor allem kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen vertritt, die zusätzlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Für den Zeitraum zwischen 2022 und 2027 sind dafür vom Bund 18 Milliarden Euro vorgesehen. "Ohne diese Mittel hätten unsere Unternehmen gar nicht mehr bauen können", sagt Gedaschko.

Stark gestiegene Kosten

Das hängt mit den stark gestiegenen Kosten am Bau zusammen. Nicht an allem könne die Politik etwas ändern, weder an höheren Kosten für Baustoffe noch an den gestiegenen Zinsen, sagt der oberfränkische Bauunternehmer Wolfgang Schubert-Raab. Er ist zugleich Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes.

Wichtig sei aber, dass zumindest staatlich verordnete Kosten reduziert werden, so Schubert-Raab. Immerhin habe man in den Gesprächen des Bündnisses zwischen Politik und Verbänden erreicht, dass die energetischen Anforderungen beim Bau nicht weiter verschärft wurden.

Schwierige Abstimmungen zwischen den Ministerien

Ein Problem der vergangenen Jahre seien aber unterschiedliche Zuständigkeiten gewesen: Das neu gegründete Bauministerium habe mit der Zuständigkeit für den Neubau im Vergleich zum Wirtschaftsministerium, das für Sanierungen zuständig ist, zu wenig Einfluss gehabt.

Von der künftigen Bundesregierung erwartet sich Schubert-Raab daher, dass das Thema Bauen nicht weiter von verschiedenen Ministerien bearbeitet wird, je nachdem ob es um Neubau oder die Sanierung bestehender Häuser gehört: "Das gehört in eine Hand."

Das dürfte ganz im Sinn von Bauministerin Geywitz sein. Sie hatte sich zuletzt über schwierige Abstimmungen mit dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck beklagt.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 05.12.2024 10:58 Uhr