SPD-Obmann Arnold zum KSK-Einsatz "Die Fragen werden jetzt drängender"
Wer wusste wann was? Nachdem jetzt bekannt wurde, dass das Kommando Spezialkräfte (KSK) am Luftangriff nahe Kundus beteiligt war, fordert der SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss Arnold mehr Transparenz. Im tagesschau.de-Interview sagt er: "Wir wussten nichts über deren Auftrag".
tagesschau.de: Angeblich soll das Kommando Spezialkräfte (KSK) an der Entscheidung über den umstrittenen Angriff auf zwei Tanklastzüge maßgeblich beteiligt gewesen sein. Wussten Sie davon?
Rainer Arnold: Davon wussten wir nichts. Wir hatten auch keinerlei Informationen, dass KSK-Soldaten einbezogen werden. Die Fragen werden jetzt drängender.
tagesschau.de: Aber das Bundesverteidigungsministerium behauptet aktuell, dass der Verteidigungsausschuss bereits am 6. November über die Existenz der "Task Force 47" unterrichtet wurde. Die soll ja zu Hälfte aus KSK-Soldaten bestehen. Hatten Sie davon Kenntnis?
Arnold: Wir wurden tatsächlich darüber informiert, dass es diese Task Force gibt. Aber Details kannten wir nicht. Wir wussten also nicht, wie sich diese Task Force zusammensetzt oder wie ihr präziser militärischer Auftrag lautet.
tagesschau.de: Nochmal zur Klarstellung: Sie als Obmann im Verteidigungsausschuss wussten also nichts über den Auftrag dieser Task Force?
Arnold: Wir wurden darüber nicht informiert.
tagesschau.de: Die Entscheidung für den Luftangriff soll auch deshalb gefallen sein, da das KSK von vier Taliban wusste, die sich bei den Tanklastzügen befunden haben sollen. Wirft das nicht ein neues Licht auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr? Zumindest steht es im Widerspruch zum immer wieder propagierten Idealbild des "Brunnenbauers in Uniform".
Arnold: Bisher hat die Bundeswehr in schwierigen Situationen, auch in Gefechtssituationen, immer sehr viel dafür getan, dass keine Zivilisten zu Schaden kommen. Das war und bleibt der richtige Weg. Deshalb ist der Abwurf dieser Bomben auf eine größere Menschenansammlung und auf die beiden Tanklastzüge ein schwerwiegender Fehler, und es erschließt sich mir auch überhaupt nicht, wie man da zu einer anderen Einschätzung gelangen konnte.
tagesschau.de: Bis November 2008 operierte das KSK in Afghanistan offiziell unter dem Mandat der Anti-Terror-Operation "Operation Enduring Freedom" (OEF). Am 13. November entzog der Bundestag den KSK das OEF-Mandat. Trotzdem mischen die KSK-Soldaten in Afghanistan weiter kräftig mit, jetzt unter ISAF-Mandat. Ist das nicht ein Etikettenschwindel?
Arnold: Nein. In Wirklichkeit war es doch so, dass dieses OEF-Mandat mit 100 KSK-Soldaten zwar bestand, aber über einen langen Zeitraum in Afghanistan überhaupt keine KSK-Soldaten unter diesem Mandat eingesetzt waren. Nach dem ISAF-Mandat können, unter Einhaltung der Regeln natürlich, alle Fähigkeiten der Bundeswehr zum Einsatz kommen. Das gilt natürlich auch für KSK-Soldaten. Deshalb ist es eigentlich gar kein Aufreger, dass besonders gut ausgebildete Soldaten mit spezifischen Fähigkeiten eingesetzt werden.
tagesschau.de: Sie finden es also nicht problematisch, dass KSK-Soldaten, die einst im "Krieg gegen den Terror" aktiv waren, dann plötzlich für eine Stabilisierungsmission eingesetzt werden?
Arnold: Allein diese Frage zeigt doch, dass der bisherige geheime Umgang mit KSK-Einsätzen zur Legendenbildung führt. Deshalb würde gerade hier etwas mehr Transparenz nichts schaden. KSK-Soldaten haben ohne Zweifel gute Fähigkeiten, was etwa Aufklärungseinsätze oder die Gefangennahme von Schwerverbrechern angeht. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir sie auch einsetzen. Dafür haben wir sie schließlich ausgebildet.
tagesschau.de: Sie waren also immer über den Einsatz von KSK-Soldaten informiert?
Arnold: Wir wussten das immer, und ich hatte bisher auch den Eindruck, dass die Obleute bisher immer korrekt informiert wurden. Sollten sich die neuen Vorwürfe jetzt allerdings bestätigen, hätte ich da künftig meine Zweifel. Dann wäre die Informationspolitik gegenüber dem Parlament absolut nicht akzeptabel. Hier geht es immerhin um einen Vorgang, der ethisch-moralisch nicht zu verantworten ist und auch schon zum Rücktritt von Minister Jung geführt hat.
tagesschau.de: Was heißt das für seinen Nachfolger, Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg?
Arnold: Er tut gut daran, zu einer lückenlosen Aufklärung beizutragen. Daran muss er ja selbst das allergrößte Interesse haben, denn wenn er jetzt nicht alle Dinge auf den Tisch bringt, zeigt das ja nur, dass er sich in seinem eigenen Ministerium nicht durchsetzen kann.
tagesschau.de: Aber gibt es diesen Willen zur lückenlosen Aufklärung tatsächlich? Fast jeden Tag sickern doch neue Informationen durch.
Arnold: Bis dato kann man wirklich den Eindruck haben, dass Informationen immer nur dann geliefert wurden, wenn die Presse darüber berichtet hat. Doch das ist momentan nicht das Entscheidende. Minister zu Guttenberg hat andere Fehler gemacht, über die wir reden müssen. Die Informationspolitik fällt nicht primär in seine Zeit.
tagesschau.de: Welche Fehler hat er denn gemacht?
Arnold: Dass er vorschnell den verheerenden Luftangriff zunächst als "militärisch angemessen" bezeichnet hat und sagte, der Angriff hätte erfolgen müssen. Das wird definitiv im Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen.
Die Fragen stellte Niels Nagel , tagesschau.de