Interview

Rechtliche Konsequenzen "Hohe Hürden für Guttenberg-Anklage"

Stand: 10.03.2011 08:38 Uhr

Mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet die Bundeswehr heute den zurückgetretenen Verteidigungsminister Guttenberg. Die juristische Aufarbeitung der Affäre beginnt gerade erst. Im Interview mit tagesschau.de erklärt ARD-Rechtsexperte Bräutigam, welche Ermittlungen Guttenberg fürchten muss.

tagesschau.de: Die Staatsanwaltschaft Hof hat im Zusammenhang mit der Plagiatsaffäre Ermittlungen gegen Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg eingeleitet. Um welche möglichen Straftaten geht es dabei?

Bräutigam: Bei den konkreten Ermittlungen in Hof geht es um den Vorwurf einer strafbaren Urheberrechtsverletzung. Es gab auch Anzeigen wegen anderer Delikte, zum Beispiel Untreue und den Missbrauch von Titeln.

"Man muss jede Stelle untersuchen"

tagesschau.de: Die meisten Anzeigen betreffen eine Verletzung des Urheberrechts. Unter welchen Bedingungen käme eine Verurteilung in Betracht?

Bräutigam: Man muss jede Stelle, an der ein Zitat nicht gekennzeichnet wurde, daraufhin untersuchen, ob das Urheberrecht verletzt wurde. Das ist auf strafrechtlicher Ebene nicht sofort der Fall, wenn man mal einen Satz vergessen hat zu zitieren. Es geht darum, dass in einer gewissen Länge auch ein gewisser Gedankengang erkennbar ist und dieser übernommen wurde, ohne es zu zitieren. Wenn man sich die Dokumentation im Internet ansieht, sind zumindest auch längere solcher Texte erkennbar.

tagesschau.de: Welche Rolle spielen in dem Verfahren die Autoren, deren Texte zu Guttenberg in seiner Doktorarbeit ohne Quellenangabe übernommen hat?

Bräutigam: Voraussetzung für die Entscheidung, ob die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, ist, dass ein Strafantrag der Urheber vorliegt, von denen kopiert wurde. Bislang ist das wohl nicht der Fall. Deswegen ist für eine Anklage eine andere, besonders hohe Hürde zu überspringen: Die Staatsanwaltschaft müsste ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen. Wenn sie das nicht tut, ist der Fall strafrechtlich erledigt.

tagesschau.de: Wann wäre dieses öffentliche Interesse gegeben?

Bräutigam: Das öffentliche Interesse wird zum Beispiel dann bejaht, wenn ein erheblicher Schaden für das Urheberrecht droht. In der Praxis wurde das bislang eher selten bejaht. Es geht dabei nicht um ein öffentliches Interesse in dem Sinne, dass die Medien viel berichtet haben und die Öffentlichkeit das Thema spannend findet. Sondern es geht um ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, also daran, dass genau dieses Verhalten auch bestraft werden muss. Das ist ein großer Unterschied.

tagesschau.de: Welche zivilrechtlichen Folgen muss Guttenberg im Falle einer Urheberrechtsverletzung fürchten?

Bräutigam: Zivilrechtlich können die Urheber der Texte, die er übernommen hat, mit Abmahnungen gegen ihn vorgehen und Unterlassung verlangen. Mein Eindruck ist, dass die ursprünglichen Urheber eher zurückhaltend sind, was man auch an den fehlenden Strafanträgen sieht. Aber das Zivilrecht ist durchaus eine Möglichkeit zu handeln - und bei der erheblichen Anzahl der Fälle wäre das auch eine besondere Wucht an Anwaltsschreiben, die Herrn zu Guttenberg theoretisch treffen könnte.

tagesschau.de: Geht es dabei auch um Schadensersatz?

Bräutigam: Dafür wäre Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich, und man müsste einen konkreten wirtschaftlichen Schaden nachweisen. Das hängt von jeder einzelnen Stelle und von jedem einzelnen Urheber ab.

"Vorsatz nicht zwingend mit Absicht gleichzusetzen"

tageschau.de: Guttenberg selbst hat den Vorwurf der vorsätzlichen Täuschung zurückgewiesen. Die Universität Bayreuth will bald ihren Abschlussbericht vorlegen, in dem es um die Frage der vorsätzlichen Täuschung geht. Wie ließe sich diese beweisen?

Bräutigam: Vorsatz ist im juristischen Sinne nicht zwingend mit Absicht gleichzusetzen. Es gibt auch geringere Stufen eines Vorsatzes. Im Allgemeinen wird zum Beispiel auch Vorsatz bejaht, wenn man eine Folge billigend in Kauf nimmt und die Verletzung des Rechtsguts ernsthaft für möglich hält. Man muss das nicht zwingend absichtlich geplant haben. Wenn Gerichte den Vorsatz prüfen, lassen sie oft den Einwand "Ich wollte das gar nicht" nicht mehr einfach so gelten, wenn sie eine besondere Häufung an objektiven Fakten feststellen.

tagesschau.de: Im Raum steht auch der Verdacht der Untreue im Zusammenhang mit Guttenbergs Nutzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Wie könnte er sich dabei strafbar gemacht haben?

Bräutigam: Indem er einen Dienst in Anspruch nimmt für etwas, für das dieser nicht vorgesehen ist, und zwar für private Veröffentlichungen. Der Wissenschaftliche Dienst ist als Unterstützung für die berufliche Arbeit des Abgeordneten da. Der Paragraph der Untreue hat allerdings eine wichtige Voraussetzung: Es geht immer um einen wirtschaftlichen Schaden und um eine Pflicht, fremdes Vermögen zu betreuen. Wenn der Geschäftsführer in einem großen Unternehmen Geld verschwinden lässt, verstößt er gegen diese Pflicht. Diese Pflicht ist nach Meinung vieler Rechtsexperten aber zumindest nicht als eine Hauptpflicht im Abgeordnetenverhältnis zu sehen. Deshalb wäre ich sehr zurückhaltend, dass der Tatbestand der Untreue erfüllt ist.

"Solange er den Titel hatte, durfte er ihn führen"

tagesschau.de: Ein weiterer Vorwurf betrifft die Frage des Titelmissbrauchs. Hat zu Guttenberg seinen Doktorgrad im strafrechtlichen Sinn "unbefugt" geführt?

Bräutigam: Nein. Der Titel ist ihm zunächst ordnungsgemäß verliehen worden. Im Verwaltungsrecht gilt der Grundsatz: Auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind erst einmal bestandskräftig. Das heißt: Solange er den Titel hatte und dieser noch nicht entzogen war, durfte er ihn auch führen.

tagesschau.de: Gemäß Promotionsordnung gab zu Guttenberg sein Ehrenwort, dass er die Dissertation selbstständig verfasst und nur die angegebenen Quellen benutzt hat. Welche Rolle spielt es juristisch, dass es sich nur um eine Ehrenerklärung und nicht um eine eidesstattliche Erklärung handelte?

Bräutigam: Eine falsche "Versicherung an Eides" statt wäre auch strafrechtlich relevant. In Bayreuth hat man in der Promotionsordnung den Begriff der "ehrenwörtlichen Eklärung" genannt. Das ist quasi eine Stufe darunter und rechtlich nicht richtig greifbar. Es ist eher im eigentlichen Wortsinne zu verstehen: Es wird an die persönliche Ehre appelliert. Aber ein Verstoß hat keine direkten strafrechtlichen Folgen.

Das Interview führte David Rose, tagesschau.de.