Kanzler beim Katholikentag "Putin will Westen Hungerkrise anlasten"
Bundeskanzler Scholz hat auf dem Katholikentag den russischen Präsidenten Putin attackiert. Für seine Rede bekam er Applaus - allerdings mussten Sicherheitskräfte auch bei einem Zwischenfall einschreiten.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, die durch seinen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Hungerkrise dem Westen anlasten zu wollen. Dieses "Putinsche Narrativ" müsse unbedingt widerlegt werden, sagte Scholz beim Katholikentag in Stuttgart. "Der hat ja eine Formulierung dafür gefunden. Er spricht immer von uns als dem globalen Westen", sagte Scholz. Damit meine Putin seine Feinde, gegen die er sich mit allen anderen Ländern verbünden wolle.
"Die Hungerkrise, die sein Krieg, den er angezettelt hat, auslöst, versucht er dann gleichzeitig denjenigen, die der Ukraine beistehen, in die Schuhe zu schieben", sagte Scholz. Es sei deshalb wichtig, den Ländern des globalen Südens auf Augenhöhe entgegenzutreten und sie nicht in die Arme Putins zu treiben.
Die Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, kann durch den Krieg viel weniger Weizen exportieren. Zudem sind durch die Kampfhandlungen wichtige Lieferketten unterbrochen.
"Wir haben uns entschieden, dem Opfer dieses Angriffskriegs beizuspringen", sagte Scholz. "Putins Krieg richtet sich gegen eine Friedensordnung, die aus dem Bekenntnis 'Nie wieder' nach zwei verheerenden Weltkriegen entstanden ist. Er will zurück zum Recht des Stärkeren."
Aktivist will Bühne stürmen
Ungeachtet des Ukraine-Krieges dürfen nach den Worten von Scholz Probleme wie die Klimakrise nicht aus dem Blick geraten. Es gehe jetzt erst recht darum, "Sorge zu tragen, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten", sagte er. Es sei wichtig, die Energiewende "mit großem Tempo" voranzubringen, erneuerbare Energien auszubauen und industrielle Prozesse umzustellen, damit das Land unabhängiger werde von Öl, Kohle und Gas.
Beim Ausstieg aus der Kohleverstromung etwa sei es aber auch wichtig, den Arbeitern und Arbeiterinnen im Tagebau eine Perspektive zu geben. Deshalb sei er auch glücklich, dass in der Lausitz mit einem neuen Bahnausbesserungswerk vielen ehemaligen Beschäftigten aus der Kohle neue Arbeitsplätze eröffnet werden könnten. Es müsse ein Klima geschaffen werden, in dem niemand mit seinen Sorgen und Nöten alleingelassen werde, sagte Scholz.
Während des Scholz-Auftritts versuchte ein Aktivist, auf die Bühne zu stürmen. Er wurde daran jedoch von Sicherheitskräften gehindert, überwältigt und weggetragen. Ein anderer Aktivist rief laut "Schwachsinn", als Scholz gerade über den Ausstieg aus der Kohleverstromung sprach. Scholz kommentierte die Aktion mit den Worten, er erlebe das "von immer den gleichen Leuten", es sei ein "schauspielerisch geübter Auftritt". Er erntete dafür stürmischen Applaus.
Scholz warnt vor globaler Finanzkrise
In einem Gespräch unter anderem mit der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, warnte Scholz mit Blick auf die umfassende Vergabe von chinesischen Krediten an ärmere Staaten vor einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise. Deutschland stimme sich mit westlichen Gläubigerländern ab, um frühere Fehler nicht zu wiederholen. "Eine der ganz, ganz großen Ambitionen, die wir verfolgen, ist es, China als Land, das auf neue Weise viele Kredite vergibt, da miteinzubeziehen", sagte Scholz. Andernfalls bestehe die "wirklich ernste Gefahr", dass die nächste große Schuldenkrise im Anzug sei.
Scholz, der aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist und seinen Amtseid im Dezember ohne die Gottesformel "So wahr mir Gott helfe" abgelegt hatte, wurde beim Katholikentag ein warmer Empfang zuteil. Deutlich zu spüren war die Erleichterung darüber, dass der Regierungschef den Weg nach Stuttgart gefunden hatte. Von der CDU, die früher bei Katholikentagen immer massiv Flagge gezeigt hatte, war kein Vertreter aus der ersten Reihe erschienen.
Wie zuvor schon Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier dankte auch Scholz den Katholiken für ihr soziales Engagement während der Corona-Pandemie. Die derzeitige Krise durch steigende Preise könne die Gesellschaft nur gemeinsam bewältigen, sagte Scholz. Die Menschen müssten spüren, dass es auch um sie und ihre konkreten Alltagsprobleme gehe. "Wenn zu viele keine Hoffnung mehr haben, dann geht es schief", sagte er.