Betrugsvorwürfe bei CO2-Zertifikaten Lemke räumt Fehler bei Klimaschutzprojekten ein
Mit Klimaschutzprojekten in China, die nie existiert haben, sollen sich Mineralöl-Konzerne CO2-Zertifikate erschwindelt haben. Die Union setzt Umweltministerin Lemke unter Druck. Die Ministerin räumt mangelhafte Kontrollen ein.
In der Affäre um mutmaßlichen Betrug mit Klimaschutz-Zertifikaten verlangt die Union von Bundesumweltministerin Steffi Lemke lückenlose Aufklärung. Die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber warf den Kontrollbehörden vor, monatelang tatenlos geblieben zu sein. Lemke trage dafür die Verantwortung und müsse die Aufklärung zur Chefsache machen, so die CSU-Politikerin.
Im Umweltausschuss des Bundestags schilderte Lemke den aktuellen Stand. Alle umstrittenen Projekte seien zum 1. Juli dieses Jahres gestoppt worden. Die Grünen-Politikerin erklärte, es handle sich möglicherweise um einen Fall von schwerer Umweltkriminalität. Sie räumte ein, dass die Kontrolle der Aktivitäten nicht an jeder Stelle funktioniert habe. Es sei ein Fehler der Vorgängerregierung aus Union und SPD gewesen, dieses betrugsanfällige System überhaupt einzuführen.
Betrug mit Klimaschutz-Zertifikaten
Hintergrund sind Betrugsvorwürfe rund um Projekte in China, mit denen Mineralöl-Konzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen können. Wenn die Unternehmen dort bestimmte CO2-Einsparungen im Öl-Sektor finanzieren, erhalten sie entsprechende Zertifikate, die ihnen für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben werden. Diese "Upstream Emission Reduction"-Projekte (UER) werden dann auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet.
Deutsche Konzerne haben sich möglicherweise einen Klimaschutzbeitrag anrechnen lassen, den es nie gegeben hat - weil einige Projekte in China wohl nicht existiert haben. Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) haben Nachprüfungen ergeben, dass von 60 Projekten rund 40 noch einmal untersucht werden müssten. Wie es weiter heißt, gibt es bei zehn von diesen Projekten besonders deutliche Hinweise auf Betrug. Daher habe das UBA Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt.
Kontrollmechanismen in der Kritik
Es gebe inzwischen Indizien, die klar auf ein Betrugsgeflecht hinwiesen. Im Zuge der Affäre sind die Kontrollmechanismen in die Diskussion geraten. Genehmigt werden die Projekte vom Umweltbundesamt, einer dem Umweltministerium untergeordneten Behörde. Die Kontrollen vor Ort liegen aber laut UBA in der Hand von Zertifizierungsunternehmen. Behördenchef Dirk Messner sagte kürzlich der Welt am Sonntag, das Umweltbundesamt komme an die Grenzen der Nachweisbarkeit. Der Überprüfungsmechanismus basiere auf dem Vertrauen in die Verifizierer und Validierer.
Zum Zeitplan der Aufarbeitung erklärte Lemke, dass das UBA ihrem Ministerium erst Ende August des vergangenen Jahres einen ersten Fall gemeldet hätte. Dieser sei aber "diffus" gewesen. Erst gegen Jahresende hätten sich die Hinweise auf möglichen Betrug verdichtet, erklärte die Lemke.