Diesel-Nachrüstungen Das Ende der "Aussitztaktik"?
Nach der EU-Klage wegen Luftverschmutzung kritisiert das Umweltbundesamt die Aufarbeitung der Diesel-Affäre. Reine Software-Updates reichten nicht aus. Die SPD fordert ein Ende der "Aussitztaktik" des Verkehrsministers.
Nach der Entscheidung der EU-Kommission, Deutschland wegen der Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten zu verklagen, hat das Umweltbundesamt verschärfte Maßnahmen zur Nachrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge gefordert. "Sauberer wird es in den Innenstädten nur, wenn die Hersteller die Nachrüstung der Euro 4 und vor allem Euro 5-Fahrzeuge ernsthaft angehen", sagte Behördenchefin Maria Krautzberger der "Süddeutschen Zeitung". Die bislang getroffenen Maßnahmen, wie Software-Updates oder die sukzessive Umstellung der Busflotten, reichten nicht aus.
Die SPD drängte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, den Widerstand gegen technische Nachrüstungen älterer Diesel aufzugeben. "Den Menschen vorzumachen, das Problem durch Software-Nachrüstung lösen zu können, ist der falsche Weg", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. "Die Menschen erwarten von uns zu Recht, dass wir für saubere Luft sorgen und Fahrverbote verhindern." Dies werde durch die "Aussitztaktik" des Ministers aber nahezu unmöglich.
Umweltministerin Svenja Schulze untermauerte in den tagesthemen ihre Forderung nach technischen Nachrüstungen, die nun "so schnell wie möglich" auf Kosten der Autobauer gebraucht würden. "Darauf zu hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt - wie manche das offenbar tun -, ist spätestens jetzt keine Option mehr. Blockieren und Aussitzen sollte in dieser Frage niemand mehr", so die SPD-Politikerin.
"Erheblicher Handlungsbedarf"
Die EU-Kommission hatte am Donnerstag angekündigt, Deutschland und fünf weitere Länder wegen zu hoher Luftverschmutzung in Städten durch Diesel-Abgase vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Umweltbundesamt-Chefin Krautzberger sagte, die Klage zeige deutlich, "dass wir in Deutschland erheblichen Handlungsbedarf haben".
Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) forderte die Bundesregierung zu mehr Tempo bei den Anstrengungen für bessere Luft auf. So könne die Modernisierung kommunaler Flotten einen wichtigen Beitrag leisten, sagte VKU-Präsident Michael Ebling. "Nach der Ankündigung der Bundesregierung, dass die Förderung auch für Fahrzeuge der kommunalen Flotten erweitert werden soll, fehlt jetzt konkret noch die entsprechende Förderrichtlinie." Weiterhin müsse gelten, "dass die Hersteller nicht aus der Pflicht genommen werden dürfen."
Die Kommunen forderten unterdessen Finanzhilfen der Europäischen Union. "In den Gerichtssälen wird uns die Schadstoffreduzierung nicht gelingen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Probleme müssten "konstruktiv" gelöst werden: So könnte die Kommission etwa eine "deutliche Ausweitung der EU-Förderprogramme vorschlagen".
Software-Updates oder technische Umrüstung?
Die Große Koalition streitet seit Monaten darüber, ob zum Vermeiden von Fahrverboten in Städten auch technische Umbauten an Motoren durchgesetzt werden sollten. Die Autobranche lehnt technische Diesel-Nachrüstungen unter anderem mit Verweis auf die Kosten ab. Sie setzt auf Software-Updates, die aber aus Sicht vieler Experten nicht ausreichen.
Merkel sieht "sehr guten Weg"
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich in der Vergangenheit wiederholt skeptisch zu technischen Umbauten an Motoren zur Senkung des Schadstoffausstoßes geäußert. Am Rande des Westbalkan-Gipfels in Sofia sagte sie, Deutschland sei auf einem "sehr guten Weg" zu besserer Luft in Städten. Die Bundesregierung habe in "beispielloser Weise" Förderprogramme aufgelegt.
Bereits im Juni 2015 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil in 28 Städten und Regionen Stickoxid-Grenzwerte an vielen Messstellen der Hauptverkehrsstraßen im Jahresschnitt übertroffen wurden. Bei einer Verurteilung könnten auf Deutschland hohe Strafzahlungen zukommen.