Magdeburg-Anschlag Der Innenausschuss auf Spurensuche
Hätte der Anschlag in Magdeburg verhindert werden können? In einer Sondersitzung des Innenausschusses verlangen die Parlamentarier Aufklärung, blieben bei Gesetzesverschärfungen aber uneinig.
Rund zehn Tage nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg sind noch viele Fragen offen. In der ungewöhnlicherweise zwischen Weihnachten und Silvester stattfindenden Sitzung des Innenausschusses wollten die Abgeordneten mögliche Fehler der Sicherheitsbehörden beleuchten. Denn bereits vor seiner Todesfahrt war der Attentäter von Magdeburg, der in Untersuchungshaft sitzende Taleb A., den Sicherheitsbehörden bekannt.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellte sich den Fragen des Gremiums. Sie sicherte Aufklärung und besseren Schutz der Bevölkerung zu: "Alle Hintergründe müssen gründlich ermittelt werden", sagte die SPD-Politikerin. Es werde jeder Stein umgedreht. Der Täter habe "unfassbar grausam und brutal gehandelt". Klar sei, "dass wir unsere Sicherheitsbehörden stärken müssen".
Parteien pochen auf Aufklärung
Die Grünen im Bundestag forderten noch vor der Sitzung, dass jemand die politische Verantwortung übernimmt. Anders als nach der Katastrophe bei der Duisburger Love Parade oder dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche müsse diesmal jemand die Verantwortung übernehmen, sagte der Grünen-Innenexperten Konstantin von Notz.
Auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien pochten auf Aufklärung. SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann erwartet nach eigenen Worten eine Antwort auf die Frage: "Was hat die Tat ermöglicht?" Der Täter sei über Jahre durch "wüsteste Drohungen" den Behörden bekannt gewesen - aber nicht aufgehalten worden.
Überprüfung bis zur Ärztekammer
Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz verlangte Information darüber, warum es zu der Todesfahrt kommen konnte, obwohl der Täter verschiedenen Behörden von Bund und Ländern und anderen Stellen aufgefallen war. Bis hin zur Ärztekammer müsse die Vorgeschichte überprüft werden. Der aus Saudi-Arabien stammende Mann arbeitete als Mediziner.
FDP-Ausschussmitglied Konstantin Kuhle sagte: "Wir wollen herausarbeiten, warum trotz einer Vielzahl an Auffälligkeiten keine bessere Gefahrenabwehr erfolgt ist."
Uneinigkeit über Gesetzesverschärfungen
Über mögliche Gesetzesverschärfungen sind sich die Parteien allerdings nicht einig. Lindholz forderte mehr Speicherbefugnisse der Behörden bei IP-Adressen. Die CSU-Politikerin kündigte zugleich an, dass die Union beim bisher nicht durchs Parlament gelangten Sicherheitspaket der zerbrochenen Ampel-Koalition wahrscheinlich noch Dinge mitbeschließt.
An die Adresse der Union sagte Grünen-Politiker Notz, angesichts der Tatsache, dass der Magdeburger Täter bekannt sei, erschließe sich ihm nicht, was die Vorratsdatenspeicherung in dem Fall bringen solle.
Bundesregierung will noch abwarten
Die Bundesregierung will vorerst noch keine Konsequenzen ziehen. Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden müssten zunächst abgewartet werden, sagte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Kanzler Olaf Scholz habe zuletzt aber deutlich gemacht, dass die Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse bräuchten.
Ein entsprechendes Sicherheitspaket - geschnürt nach dem Anschlag in Solingen - sollte so rasch wie möglich vom Parlament beschlossen werden. Ein Sprecher des Innenministeriums ergänzte, die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Er könne sich dazu aber nicht im Detail äußern. Der Tatverdächtige passe jedenfalls in kein bisheriges Raster hinein.
Eine Ausnahme machen wir dann, wenn die Täterschaft gut belegt ist. So ist es auch im Fall des Anschlags von Magdeburg. Hier ereignete sich die Tat in der Öffentlichkeit. Taleb A. wurde festgenommen, nachdem er aus dem Tatfahrzeug ausgestiegen war. Deshalb sprechen wir künftig von Taleb A. als Täter und Todesfahrer und verzichten auf den Zusatz "mutmaßlich".
Auch der Pressekodex sieht dieses Vorgehen vor. In Richtlinie 13.1 heißt es dazu: "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn (...) er die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind."
Drei Stunden hinter verschlossenen Türen
Am Vormittag hatte bereits das Parlamentarische Kontrollgremium rund drei Stunden lang hinter verschlossenen Türen getagt. Den hier versammelten Geheimdienstkontrolleuren des Bundestags stand unter anderem der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, Rede und Antwort.
Da es im Gremium um geheimdienstliche Fragen gehe, gebe es keine genauen Auskünfte über den Inhalt der Sitzung, so ARD-Korrespondentin Claudia Kornmeier. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Konstantin von Notz, sei kurz vor die Kameras getreten und habe gesagt, die Aufklärung würde gerade erst beginnen. Er sprach sich außerdem dagegen aus, die Ermittlungen mit in den Wahlkampf zu nehmen und hielt alle Beteiligten dazu an von "polemischen Schuldzuweisungen" abzusehen.