Untersuchungsausschuss Seehofer sagt zum Maut-Desaster aus
Ex-Verkehrsminister Ramsauer hat Innenminister Seehofer in der Maut-Affäre schwer belastet: Er sei der Schuldige in diesem Debakel. Heute kann der frühere CSU-Chef dazu als Zeuge im Untersuchungsausschuss Stellung nehmen. Von T. Betz und A. Meyer-Fünffinger.
Ex-Verkehrsminister Ramsauer hat Innenminister Seehofer in der Maut-Affäre schwer belastet. Seehofer sei der Schuldige in diesem Debakel. Heute kann der frühere CSU-Chef dazu als Zeuge im Untersuchungsausschuss Stellung nehmen.
Oliver Luksic erwartet zwar eine große Show, von neuen Erkenntnisse für die Aufarbeitung des Maut-Desasters geht der FDP-Politiker aber nicht aus: "Horst Seehofer und Angela Merkel haben in den Koalitionsverhandlungen im Jahr 2013 die Pkw-Maut wissentlich gegen die Wand gefahren", sagt der Verkehrspolitiker, der dem Untersuchungsausschuss angehört. Seehofers Aussage komme dem Auftritt einer "lame duck" gleich. Also eine lahme Ente, weil Seehofer bereits angekündigt hatte: Nach Ende dieser Legislatur ist Schluss.
Dennoch dürfte das Interesse groß sein. Entsprechend scharf will die Opposition Seehofer befragen. Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss Stephan Kühn sagt: "Der Durchsetzung der beliebten Stammtisch- und Bierzeltidee wurde mit Seehofers Segen alles untergeordnet." Seehofer habe die Maut in den CSU-Bayernplan geschrieben und in den Koalitionsvertrag 2013 gedrückt. Oliver Luksic von der FDP hofft auf Einsicht bei Seehofer: "Ich würde erwarten, dass Herr Seehofer auch mal Fehler einräumt." Das ist unwahrscheinlich.
Seehofer schrieb Maut in den Koalitionsvertrag 2013
Wahrscheinlicher ist aber dieses Szenario: Seehofer wird sich wohl darauf berufen, dass er nicht verantwortlich gewesen sei für die Umsetzung der Maut. Zuvor habe es diese und jene juristische Meinung gegeben. Als der EuGH die Maut-Pläne im Juni 2019 kassiert hatte, war er schon nicht mehr CSU-Chef in München, sondern Bundesinnenminister. Die Maut und Seehofer gingen also schon früh getrennte Wege.
Dennoch wird sich Seehofer nicht ganz freisprechen können. Parteifreund und Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte im Februar im Untersuchungsausschuss die Verantwortung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer betont. Sie hätten "sehenden Auges" eine "europarechtliche Unmöglichkeit" bei der Pkw-Maut in den Koalitionsvertrag von 2013 hineinverhandelt. Seehofer sagte daraufhin vor der Presse, es sei einfach, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Und: "Wir haben im Bayernplan 2013 als Partei einen Beschluss gefasst."
Ramsauer warnte vergeblich
Ramsauer hatte gesagt, dass in der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und SPD 2013 durch die damaligen Parteivorsitzenden Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) ein Textteil verändert worden und damit eine europarechtswidrige Konstruktion der Maut riskiert worden sei. Für Ramsauer nämlich war der Verzicht auf eine exakte Verrechnung zwischen Vignette und Steuer aus EU-Gründen wichtig. Denn die EU verlangt, dass keine Ausländerdiskriminierung stattfindet. Sobald aber deutsche Steuersätze exakt an die Mautpreise angepasst würden, während Ausländer ohne Entlastung blieben, wäre genau das der Fall und Brüssel würde am Konzept zweifeln.
"No linkage between tax and toll", keine Verbindung zwischen Steuer und Maut. Darauf bestand EU-Verkehrskommissar Siim Kallas gegenüber Ramsauer im November 2013. Zu dieser Zeit liefen die Koalitionsverhandlungen bereits. Ramsauer und Kallas verständigten sich auf folgende Festlegungen: "Deutschland nimmt eine allgemeine Absenkung der Kfz-Steuer vor." Und: "Deutschland erhebt eine Maut auf Autobahnen und vierspurigen Bundesstraßen." Die Formulierung "allgemeine Absenkung" ist der Schlüssel. Damit hätten sich KfZ-Steuer und Maut trennen lassen und zwar im Sinne des Europarechts, erklärte Ramsauer im Februar. Singulär betrachtet hätten zwar die einen profitiert, andere ein paar Euro draufgezahlt, so Ramsauer. Unterm Strich wären Deutschlands Autofahrer aber nicht stärker belastet worden.
Räumt Seehofer Fehler ein?
Im Koalitionsvertrag stand dann allerdings, dass "kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute". Kein einziger also. Deshalb wäre eine allgemeine Absenkung der KfZ-Steuer wirkungslos gewesen, weil sie je nach Schadstoffklasse anders ausfällt. Also musste der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Maut an die KfZ-Steuer koppeln, um eine Belastung deutscher Autofahrer auszuschließen. Europarechtliche Zweifel waren nach Ramsauers Darstellung jedoch unausweichlich.
Spannend wird sein, ob Seehofer Fehler einräumen wird, schließlich war die Maut sein Prestige-Projekt.