Vor dem Bund-Länder-Treffen Finanzstreit statt Einheit
Es geht um die Energiekrise, um viel Geld, aber auch um die Kritik der Länder, die Ampel-Koalition entscheide über ihre Köpfe hinweg. Es gibt also viel zu besprechen, wenn Bundeskanzler Scholz heute mit den Länderchefs zusammenkommt.
Eigentlich hätte das Treffen der Spitzen von Bund und Ländern schon am vergangenen Mittwoch stattfinden sollen. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz sagte wegen seiner Corona-Infektion kurzfristig ab. Dadurch blieb ihm etwas mehr Zeit, den "Doppel-Wumms" vorzubereiten: den "Abwehrschirm" von bis zu 200 Milliarden Euro, mit dem die Folgen der Energiekrise abgemildert werden sollen. Und ohne diese Ankündigung hätte es zwischen Bund und Ländern heute wahrscheinlich ziemlich gekracht.
Vor einer Woche nämlich schien es so, als würden Bund und Länder auf einen massiven Konflikt zusteuern. Das Kanzleramt hatte den Ministerpräsidenten lediglich ein dünnes Vorbereitungspapier für das gemeinsame Treffen zugeleitet. Als völlig unzureichend bezeichnete das der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU): "Satz mit X, das war wohl nix.".
"Der Bund bestellt, aber bezahlt nicht"
Söder und andere Ministerpräsidenten - darunter auch Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann von den Grünen - waren vor allem darüber sauer, dass die Ampelpartner Anfang September in ihrem dritten Entlastungspaket Maßnahmen angekündigt hatten, die zumindest teilweise von den Ländern mitfinanziert werden müssen. "Der Bund bestellt, aber bezahlt nicht", dieses Verfahren lasse man sich nicht bieten, so Söder.
Auch im Kreis der SPD-regierten Länder war ein deutliches Grummeln zu vernehmen.
Bei ihrem Treffen ohne Kanzler Scholz stellten die Länderchefs dann aber ein anderes Thema in den Vordergrund: die Forderung nach einer weitreichenden Senkung der Energiepreise. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sprach im Anschluss von einer "bahnbrechenden Entscheidung", die die Länder getroffen hätten, "was eine gemeinsame Positionierung für einen Energiepreisdeckel angeht."
In der Forderung an den Bund waren sich die Länder über Parteigrenzen einig, nicht aber in der Frage, wie ein umfassender Energiepreisdeckel finanziert werden könnte.
Genugtuung bei Kritikern
Darüber berieten parallel Bundeskanzler Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), um dann am Donnerstag den von den Ländern kurz zuvor geforderten Energiepreisdeckel anzukündigen. Finanziert mit Schulden von bis zu 200 Milliarden Euro. Das wiederum sorgte selbst bei scharfen Kritikern der Bundesregierung wie Markus Söder für Genugtuung: Der Bund sei nach langem Drängen den Vorschlägen der Länder gefolgt.
Allerdings komme es nun darauf an, dass die angekündigte Gaspreisbremse schnell umgesetzt werde, betonten CDU-Ministerpräsidenten wie Michael Kretschmer aus Sachsen im Vorfeld der heutigen Beratungen im Bericht aus Berlin. Und auch Dietmar Woidke (SPD), Regierungschef in Brandenburg, sagt in Richtung Berlin: "Wir müssen konkret wissen, was geplant ist."
200 Milliarden Euro dürften Streit abmildern
Immerhin dürften die angekündigten 200 Milliarden Euro den Streit um die Bund-Länder-Finanzen abmildern. Die 200 Milliarden stemmt nämlich der Bund im Wesentlichen allein. Angesichts dieser bombastischen Ansagen könnten die Länder jetzt nicht als Kleinkrämer auftreten, meint die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Trotzdem wird es bei dem heutigen Treffen auch um die Frage gehen, wie die Kosten für die von der Ampel-Koalition geplante Entlastungen verteilt werden. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) will zwar nicht als Kleinkrämer gelten, sagt aber im ZDF: "Wenn der Bund in dieser Situation von den Ländern 19 Milliarden Euro haben möchte, um das von ihm ins Schaufenster gestellt Entlastungspaket mitzufinanzieren, wird man schon darüber sprechen müssen."
Konkret geht es Wüst um die vom Bund geplante Ausweitung des Wohngeldes sowie die Nachfolge des 9-Euro-Tickets. SPD-Regierungschefs wie Peter Tschentscher aus Hamburg und Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz stimmen dem inhaltlich zu, ihre Wortmeldungen klingen aber versöhnlicher: Es gehe um einen "für alle vertretbaren Weg" (Tschentscher) und "eine faire Lastenverteilung" (Dreyer).
Keine abschließende Klärung der Finanzfrage in Beschlussentwurf
Nach dem Beschlussentwurf, der einigen Medien schon vorliegt, dürften die Finanzfragen heute aber nicht abschließend geklärt werden. Sie sollten vielmehr "zeitnah zum Abschluss" gebracht werden. Dabei geht es unter anderem um Kosten, die im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen stehen. Manche dieser Fragen könnten auch final im Bundesratsverfahren geklärt werden, prognostiziert bereits Hendrik Wüst. Im Zentrum heute soll - laut Beschlussentwurf - dagegen das Signal der "nationalen Einheit und Geschlossenheit" angesichts der Energiekrise stehen.
Die Ergebnisse des Treffens wird am Abend neben Scholz erstmals Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vortragen. Niedersachsen hat zum 1. Oktober den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz übernommen. Wüst als bisheriger Sprecher der Länder übernimmt die Stellvertreterrolle.