Verkehr der Zukunft Zeit für einen klugen Mix
Jahr drei des Dieselskandals - und noch immer dicke Luft in den Städten. Eine Verkehrswende muss her. Elektromobilität gilt als Technologie der Zukunft. Dabei gibt es auch sinnvolle Alternativen.
In 89 Städten wurde im Jahr 2016 der gesetzliche Grenzwert für Schadstoffe regelmäßig überschritten. Manipulierte Dieselfahrzeuge hatten daran einen erheblichen Anteil. Und auch die Bilanz der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor ist fatal: Laut Umweltbundesamt wurden zwischen 1990 und 2015 gerademal zwei Prozent CO2 eingespart. Der Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht aber schon bis 2020 eine Reduktion um 40 Prozent vor.
Die Herausforderung ist enorm, eine zügige Verkehrswende unabdingbar, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Doch wie genau muss die aussehen?
Um das herauszufinden, wurde im Rahmen des Diesel-Gipfels eine Expertengruppe gegründet, die die Technologien für den Verkehr der Zukunft unter die Lupe genommen hat. Ihr Fazit: Es braucht einen klugen Mix aus unterschiedlichen nachhaltigen Antriebsarten - auf eine Technologie allein zu setzen, reicht nicht.
E-Autos in den Städten
Elektromobilität wird im Stadtverkehr der Zukunft und bei kurzen Strecken das Mittel der Wahl sein, so die Experten. Die lokalen Schadstoffemissionen liegen bei Null, das Einsparpotenzial an CO2 bei 95 Prozent, wenn ausschließlich grüner Strom verwendet wird. Gerade an Hot Spots, wo die Schadstoffbelastung besonders hoch ist, wäre eine rasche Ausweitung der Elektromobilität demnach sehr sinnvoll. Mittel- und langfristig müsse es eine möglichst weitgehende Elektrifizierung des Verkehrs geben.
Die praktischen Probleme, die derzeit noch bestehen, wie die geringe Reichweite und eine unzureichende Ladeinfrastruktur müssten offensiv angegangen werden, sagt der Energieexperte Michael Sterner, der der Expertengruppe angehörte. "Denn beim Pkw gibt es keine effizientere und ökologischere Alternative." Die Knappheit an Ladepunkten dürfte aber vielerorts schon in wenigen Jahren überwunden sein, so die Schätzung der Experten.
Gut 10.700 öffentliche Ladepunkte gibt es aktuell, an 4730 Ladesäulen. Diese Zahl soll sich im nächsten Jahr durch ein Förderprogramm der Bundesregierung verdreifachen. Zudem bringen mehrere Autohersteller gerade gemeinsam ein neues Schnellladenetz mit 400 Standorten an Autobahnen in Europa auf den Weg.
Ökobilanz von E-Autos nur geringfügig besser
Doch wie viel umweltfreundlicher E-Mobile heute schon sind, ist umstritten: Will man die Gesamtökobilanz berechnen, die auch den CO2-Ausstoß bei der Herstellung mit einbezieht, fehlt es an verlässlichen Daten. Unterschiedliche Studien kommen hier zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Allerdings kommen alle zu dem Schluss, dass die Gesamtbilanz schon beim heutigen Strommix (mit lediglich einem Drittel grünem Strom) geringfügig besser ist als bei konventionellen Autos mit Diesel oder Benzin.
Ein großer Haken bei der E-Mobilität bleibt aber: Für die Herstellung der Batterien sind seltene Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium notwendig, die es nur in wenigen Ländern gibt und die zum Teil unter menschenrechtlich fragwürdigen Bedingungen abgebaut werden. Und auch für das Recycling der Batterien gibt es noch keine endgültigen Lösungen. Martin Schmied vom Umweltbundesamt fordert daher, neue Recyclingkreisläufe zu entwickeln: "Verfahren dafür gibt es bislang noch nicht in ausgereifter Form, wir müssen sie noch finden. Allerdings standen wir einst bei den Katalysatoren vor dem gleichen Problem und heute ist das kein Thema mehr."
Hybrid- und Gasauto für den Übergang?
In der Zwischenzeit könnten auch Hybridautos eine gute Lösung sein. Sie kombinieren in der Regel einen Verbrennungs- und einen Elektromotor. Vor allem die Plug-in-Hybride, deren Akkus auch direkt am Stromnetz aufgeladen werden können, haben nach Ansicht der Expertengruppe viele Vorteile: Nennenswerte CO2-Einsparungen, Flexibilität und Reichweite sind kein Problem.
E-Autos sind mit Abstand am effizientesten.
Auch Gasfahrzeuge könnten eine Übergangslösung sein. Sie stoßen deutlich weniger Schadstoffe aus als herkömmliche Benziner oder Diesel. Zudem pusten sie im Vergleich zehn bis 20 Prozent weniger CO2 in die Luft. Bei einer Optimierung der Motoren für den Erdgasantrieb gibt es sogar ein Einsparpotenzial von bis zu 50 Prozent.
Der Haken: Gasfahrzeuge sind bei den Kunden nicht besonders beliebt, sie machen gerademal 1,2 Prozent der Pkw auf deutschen Straßen aus. Die Hersteller bieten daher auch nicht besonders viele Modelle an, was die Kundenakzeptanz noch schmälert. Und das, obwohl die Infrastruktur vergleichsweise gut ist. 900 Gastankstellen gibt es deutschlandweit im Vergleich zu den 14.500 konventionellen Tankstellen. Das ist nicht gerade wenig.
Das Umweltbundesamt hält Gasfahrzeuge dennoch nicht für besonders sinnvoll: "Die Schadstoff- und CO2-Vorteile sind nicht wesentlich größer als bei einem Diesel der Abgasnorm Euro 6d. Warum sollten wir dann in die Infrastruktur weiterer Tankstellen investieren?", sagt Schmied im Gespräch mit tagesschau.de.
Mit synthetischem Benzin CO2-neutral
Ökologisch rechnet sich das Ganze allerdings, wenn diese Autos mit Biogas betrieben werden. Hier könnten - im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen - bis zu 90 Prozent CO2 eingespart werden. Doch auch hier gibt es einen Haken: Biokraftstoffe, die aus Biomasse wie beispielsweise Raps gewonnen werden, sind nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Laut Energieexperte Sterner wären sehr große Flächen zum Anbau notwendig: "Da kommt man in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln und Futter, was die Nahrungsmittelpreise in der Dritten Welt hochtreiben würde." Lediglich Rest- und Abfallstoffe, so auch die Meinung der Expertengruppe, könnten für Biokraftstoffe verwendet werden. Dieses Potenzial sei aber sehr begrenzt.
Die Autohersteller sehen im Gasauto dennoch einen Zukunftsmarkt. Und auch am Verbrennungsmotor wollen sie festhalten. Ihr Traum ist es, diese Autos künftig mit synthetischen Kraftstoffen betreiben zu können. Das sind strombasierte Kraftstoffe, die CO2-neutral fahren und die in herkömmliche Verbrennungsmotoren gefüllt werden können.
Allerdings braucht es für die Herstellung dieser E-Fuels zwei bis viermal so viel Strom wie für den direkten Antrieb mit dem E-Motor. Die Expertengruppe sieht E-Fuels daher kaum im Pkw-Markt, sondern vielmehr überall dort, wo elektrische Antriebe nicht realisierbar sind: Im Lkw-Fernverkehr, bei Schiffen und Flugzeugen.
Rein ökologisch betrachtet wären auch Brennstoffzellen-Pkw, die mit Wasserstoff betrieben werden, sinnvoll. Sie haben - wie E-Autos - weder Schadstoff- noch CO2-Ausstoß. Doch sie bräuchten doppelt so viel Strom wie E-Mobile und es gibt in Deutschland quasi keine Infrastruktur für diesen Antrieb, geschweige denn bezahlbare Pkw-Modelle. Praktisch also völlig unrealistisch.
"Dieselsubventionen abschaffen"
Eine reine E-Mobilität bei den Pkw sieht Eckehart Rotter, Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) dennoch nicht. In Europa gehe der Ausbau der Ladepunkte zwar voran. "Aber wenn wir nach Lateinamerika, Afrika und weite Teile Asiens schauen, wird es auf absehbare Zeit keine ausreichende Ladeinfrastruktur geben. Der Verbrennungsmotor bleibt also weiterhin auf unserer Agenda", sagt er im Gespräch mit tagesschau.de. Deutschlandweit rechnet der VDA bis 2025 mit einem Anteil 15 bis 25 Prozent Elektroautos bei den Pkw-Neuzulassungen, der Rest wären nach dieser Prognose weiterhin Autos mit Verbrennungsmotor.
Schmied vom Umweltbundesamt sieht noch reichlich Nachbesserungsbedarf. Dass die E-Mobilität nur so zaghaft vorangehe, liege auch an der Bundesregierung. "Nach wie vor werden die umstrittenen Diesel vom Staat subventioniert - und zwar mit eineinhalb Milliarden Euro jährlich." Die Förderung der E-Mobilität betrage im Vergleich dazu gerademal eine Milliarde, allerdings nicht pro Jahr, sondern bis 2020. "So kann das nicht funktionieren." Mittelfristig sei E-Mobilität nunmal die Technologie der Wahl um die Klimaziele zu erreichen. Und kurzfristig helfe nur eins, wenn man Fahrverbote vermeiden wolle: "Nachrüstungen beim Diesel. Softwareupdates allein werden da nicht reichen."