Berliner Reaktionen auf NRW-Wahl Jubel, Ernüchterung und ein "Schock"
Die CDU jubelt, die FDP erlebt einen "grauenvollen Abend" und die SPD einen weiteren Rückschlag. Doch die Hoffnungen auf den Ministerpräsidentenposten will sie noch nicht aufgeben. Die CDU schiebt das auf den "Schock".
Das einstige "SPD-Stammland" bleibt in der Hand der CDU: Entsprechend groß ist der Jubel im Adenauer-Haus, bestätigt der Erfolg von Hendrik Wüst in NRW doch auch den aktuellen bundespolitischen Kurs der CDU. Das ist zumindest die Lesart der Christdemokraten.
Als ein "klares bundespolitisches Signal" deutete CDU-Generalsekretär Mario Czaja das Ergebnis. Der Führungsstil von Parteichef Friedrich Merz, gemeinsam die Dinge anzupacken, habe Erfolg gehabt. Deshalb sei der Wahlsieg in NRW auch ein gutes Ergebnis für die CDU in Berlin.
Anders als bei den Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein war der CDU-Chef in NRW oft präsent. Dazu hatte er sich zuletzt sicht- und hörbar von der Ampel abgesetzt. Auf Twitter schrieb er nun von einem herausragenden Ergebnis. "Die CDU ist zurück", so Merz.
Spahns Schock-Diagnose
CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sprach von einem tollen Ergebnis, das besser sei als erwartet. "CDU und Grüne sind die Wahlsieger des heutigen Abends", sagte er in der ARD. "Dies wird die Ausgangslage für die Gespräche in den nächsten Tagen sein", betont er.
Die SPD habe ein historisch schlechtes Ergebnis in NRW erzielt und könne damit keinen Regierungsanspruch stellen. Wer mit einem historisch schlechten Ergebnis sondieren wolle, dem sei nicht mehr zu helfen, sagte Spahn. Dass die SPD über die Möglichkeit zur Bildung einer Landesregierung nachdenke, schreibe er dem "Schock" nach der Prognose zu.
SPD: Rückschlag statt Rückenwind
Klare Worte, die in Richtung Kevin Kühnert gingen. Der SPD-Generalsekretär hatte in der ARD "mehrere Möglichkeiten für eine neue Landesregierung" ins Spiel gebracht. Wenn es für Rot-Grün reiche, sollte darüber verhandelt werden. Das sei "selbstverständlich". Natürlich dürfe auch der Zweitplatzierte Verhandlungen aufnehmen. "Wir sind nicht unzufrieden mit dem Ergebnis", bewertete Kühnert später im ZDF das Ergebnis überraschend positiv.
Auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil sagte im ZDF, seine Partei sei bereit für Koalitionsgespräche in NRW. Der Ausgang der Landtagswahl stehe noch nicht fest, sicher sei nur: "Schwarz-Gelb ist abgewählt worden heute Abend." Jetzt müsse die Auszählung zeigen, ob Rot-Grün und damit ein Politikwechsel möglich sei, so Klingbeil. "Das werden jetzt Wochen auch, in denen man in NRW hoffentlich verhandelt, was am besten für die Bürgerinnen und Bürger ist."
Spekulationen über einen möglichen SPD-Ministerpräsidenten lehnte Gesundheitsminister Karl Lauterbach ab: "Ich halte es für vermessen und nicht angebracht, dass wir darüber spekulieren, wo kommen wir noch ins Spiel", sagte er. "Wir haben diese Wahl verloren, Union und Grüne haben gewonnen, die müssen zuerst die Gespräche führen - alles andere kommt danach." Vielleicht reiche es aber auch noch für eine Ampel oder Rot-Grün in NRW: "Aber das ist jetzt nicht der Moment, in dem wir spekulieren, was wir für Regierungen bilden."
Grüne als heimliche Gewinner des Wahlabends
Als heimlicher Gewinner des Wahlabends dürfen sich die Grünen feiern. Das beste jemals in NRW erzielte Ergebnis dürfte auch in Berlin als Bestätigung des Ampel-Kurses gesehen werden. Denn seit Beginn des Ukraine-Krieges profilieren sich vor allem die beiden Grünen-Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang sprach von einem Zeichen dafür, "dass wir Antworten auf der Höhe der Zeit haben". Im Falle einer Regierungsbeteiligung in NRW wollten die Grünen einen klimafreundlichen und sozialen Kurs durchsetzen. Mit wem am Ende eine Regierung gebildet werde, hänge etwa davon ab, mit wem der Weg in eine klimaneutrale und digitale Zukunft gegangen werden könne, sagte sie im ZDF.
FDP verzeichnet "desaströse Niederlage"
Vor fünf Jahren noch mit dem besten Ergebnis der Parteigeschichte in die Regierung gekommen, wird es für die FDP nun knapp. Entsprechend enttäuscht reagierten die Liberalen. Parteichef Christian Lindner bezeichnete das schlechte Wahlergebnis der FDP als "desaströse Niederlage". "Es ist für uns ein sehr trauriger Abend", sagte Lindner in Berlin. Nun werde das Ergebnis in der Landespartei und den Gremien der Bundespartei analysiert. Der Blick werde auch darauf gerichtet, was es bedeute, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen kurz nacheinander in Regierungsverantwortung mit der Union zu erleben, "dass wir auf den letzten Metern so stark jeweils an die Union verloren haben".
Konsterniert zeigte sich auch FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie sprach von einem "grauenvollen Abend". Für die FDP sei es immer schwer, sich bei einem engen Rennen um den Ministerpräsidentenposten zu behaupten.
Ähnlich erklärte auch Alexander Graf Lambsdorff die Niederlage. Es habe wie in Schleswig-Holstein einen stark personalisierten Wahlkampf zwischen den Spitzenkandidaten gegeben, sagte der Fraktionsvize der Partei im Bundestag im ZDF. Für Bewertungen zu möglichen Regierungskoalitionen sei es noch zu früh.
AfD "in Gänze nicht zufrieden"
Der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla ist mit dem Abschneiden seiner Partei "in Gänze nicht zufrieden". Notwendig sei nun eine "Initiative West", sagt er. Darüber werde man beim nächsten Bundesparteitag diskutieren. Ziel müsse es sein, zumindest ein zweistelliges Ergebnis im Westen zu erreichen.