Gedenken an Hitler-Attentat "Zivilcourage ist zeitlos"
Am 78. Jahrestag des versuchten Attentats auf Hitler haben die Redner an den Mut der beteiligten Frauen und Männer erinnert. Diktaturen gedeihen, wenn Demokratien nicht aufpassen, warnte die belarusische Oppositionelle Tichanowskaja.
Die Bundesregierung und der Berliner Senat haben am 78. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler die Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus gewürdigt.
Am 20. Juli 1944 war ein Sprengstoffanschlag der Offiziere um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gescheitert. Rund 200 Mitwisser und Angehörige wurden daraufhin hingerichtet.
Scholz bewundert Mut
"Heute vor 78 Jahren haben die Frauen und Männer um Oberst Stauffenberg ihr Leben riskiert, um Hitlers Regime zu stürzen", schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auf Twitter.
"Ich bewundere ihren Mut und den all derer, die sich den Nazis entgegenstellten. Ihr Opfer verpflichtet uns, stets für die Demokratie einzustehen", so der SPD-Politiker.
Habeck sieht "blinden Fleck"
In der Begrüßungsrede zur Feierstunde in der Gedenkstätte Plötzensee forderte Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die osteuropäischen Länder stärker in den Fokus zu nehmen. Die Rede wurde von Staatssekretärin Anja Hajduk verlesen, weil der Grünen-Politiker sich noch in Corona-Isolation befindet.
Es gebe einen "blinden Fleck" in Deutschland, so Habeck: "Das ungenügende Erinnern daran, dass es vor allem die Menschen in Polen, Belarus, der Ukraine, der baltischen Staaten und der westlichen Gebiete Russlands waren, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Vernichtungspolitik gelitten haben."
Tichanowskaja: Parallelen zwischen Hitler und Lukaschenko
Die Bundesregierung solle unnachgiebig gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin bleiben, sagte die belarusische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja. Sie war die Hauptrednerin bei der Feierstunde.
"Diktaturen gedeihen, wenn Demokratien nicht aufpassen", sagte Tichanowskaja mit Blick auf die von den Briten geprägte Politik, Hitler weitgehende Zugeständnisse zu machen, um den Frieden zu erhalten.
Die Oppositionspolitikerin zog Parallelen zwischen dem Widerstand gegen Hitler und dem Widerstand in ihrem autoritär regierten Heimatland gegen Machthaber Alexander Lukaschenko. Belarus sei ein Gefängnis geworden, erklärte sie. Tichanowskajas Mann sitzt seit zwei Jahren in Einzelhaft, er ist ein politischer Häftling wie über 1000 andere auch. Aus dem Gedenken an Widerstand, an Gegenwehr gegen Diktaturen, zieht Tichanowskaja Kraft: "Zivilcourage ist zeitlos und kennt keine Grenzen.“
Lederer: Verletzliche Demokratie
Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey konnte wie Habeck wegen einer Corona-Infektion nicht an der Feierstunde teilnehmen und wurde von Kultursenator Klaus Lederer vertreten.
Der Linken-Politiker erinnerte daran, dass am Plötzensee 89 Frauen und Männer des 20. Juli "Opfer der verbrecherischen NS-Justiz" wurden. In der ehemaligen Hinrichtungsstätte wurden zwischen 1933 und 1945 fast 3000 Menschen exekutiert.
"Der Auftrag an uns alle, Verantwortung für unsere Demokratie zu übernehmen, gehört zu den immerwährenden Lehren aus der NS-Diktatur", so Lederer. Er wies darauf hin, wie verletzlich die Demokratie sei.
Bas: Recht auf Befehlsverweigerung
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wies beim feierlichen Gelöbnis von 400 Rekruten in Berlin darauf hin, dass Soldaten der Bundeswehr ein Recht zur Verweigerung rechtswidriger Befehle haben.
"Gehorsam endet, wo Unrecht herrscht, wo Befehle von einem erkennbar verbrecherischen Regime ausgehen", so die SPD-Politikerin. "Das Grundgesetz sieht ein Recht auf Widerstand vor gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland zu beseitigen."
Mit Informationen von Barbara Kostolnik, ARD-Hauptstadtstudio